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Was gibt es zu gaffen?
Schaulustige behindern immer wieder die Arbeit der Rettungskräfte: warum eigentlich?

RobGal

Bei schweren Unfällen klagen Rettungs- und Einsatzkräfte immer wieder, dass Schaulustige ihre Arbeit behindern, bei der Sekunden über Tod oder Leben eines Schwerverletzten entscheiden können. So auch Anfang Juli bei dem schweren Busunglück in Bayern mit 18 Toten, als Autofahrer auf der Gegenfahrbahn fast weitere Unfälle verursacht hätten, weil sie zum Gaffen das Tempo drosselten.
Woher kommt dieses Phänomen, das mit dem Aufkommen der Handykameras ganz offenkundig an Drastik und Zahl deutlich zugekommen hat? Der Notfallpsychologe Gerd Reimann weist darauf hin, dass das Hinschauen zunächst die Bedeutung hat zu lernen, wie man sich schützen kann. Gaffer aber fühlten am Leid anderer Menschen eine gewisse Lust, kritisierte Reimann gegenüber dem Westdeutschen Rundfunk. „Da fehlt tatsächlich ein Stück Empathie.“ Veränderungen der Medienlandschaft trügen ihren Teil dazu bei, weil die Grenzen zwischen Bild und Wirklichkeit verschwömmen. „Wo man früher vielleicht geholfen hätte, ist man heute geneigt zuzuschauen – wie in einem Film“, sagte Reimann.

Der Sanitäterausbilder Markus Quasdorf merkt an, dass einige Menschen skrupelloser geworden sind. Anstatt zu helfen, werde gefilmt: „Da ziehen die Menschen ihr Smartphone aus der Tasche, halten drauf und denken nicht drüber nach, wie es dem Menschen geht. Oder auch uns, die wir vielleicht nicht im Rampenlicht stehen wollen.“ Allerdings weiß der Sanitäter aus eigener Erfahrung auch, dass Schaulustige durchaus einsichtig sind. „Wenn man sie anspricht, fällt ihnen ihr falsches Verhalten schon auf.“

Vielen sei es wichtiger damit zu prahlen, was sie erlebt haben, als selbst Hilfe zu leisten, stellt der Verkehrspsychologe Jürgen Brenner-Hartman vom TÜV Süd fest. Er diagnostiziert ein „ungewöhnlich hohes Maß an egozentrischer Einengung“, wenn Schaulustige auch noch meinen, im Ausleben ihrer Sensationslust durch die Rettungskräfte behindert zu werden. Auch Brenner-Hartman sieht die Medien in der Verantwortung. In der Berichterstattung sollte auf spektakuläres Bildmaterial von Unfällen ganz verzichtet werden, fordert er, „um die Sensationslust nicht weiter zu befeuern“.
Quellen
    • Text: Kristian Glaser (Kb)
    • Foto: Archiv Unfallzeitung