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AG Coburg spricht dem Geschädigten volle Verbringungskosten nach Reparatur zu
AG Coburg Urteil vom 29.6.2017 – 12 C 560/17 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Die Erstattungsfähigkeit der Verbringungskosten ist seit längerer Zeit Gegenstand unterschiedlicher Rechtsauffassungen, obwohl die wohl herrschende Auffassung ist, dass diese Transportkosten vom Reparaturbetrieb zum Lackierbetrieb erforderlichen Wiederherstellungsaufwand darstellen. In letzter Zeit geht zumindest eine Kfz-Haftpflichtversicherung dazu über, auch bei konkreter Reparatur die entstandenen Verbringungskosten zu kürzen. Die Kürzung konkret angefallener Verbringungskosten war Gegenstand eines Rechtsstreites gegen die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung vor dem Amtsgericht Coburg. Das erkennende Gericht widersprach der von der Versicherung vorgenommenen Kürzung der konkreten Verbringungskosten.
Am 3.12.2016 kam es zwischen dem späteren Kläger und dem bei der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versicherten Fahrer zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Pkw des Geschädigten beschädigt wurde. Die Haftung der beklagten Kfz-Versicherung ist unbestritten. Der Geschädigte ließ das beschädigte Fahrzeug reparieren. Reparaturkosten sind unstreitig in Höhe von 2.880,95 € angefallen, auf die die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung 2.797,77 € gezahlt hat. Auf die Verbringungskosten von 149,90 € hat die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung nur 80,00 € gezahlt, so dass insgesamt ein Betrag von 83,18 € im Streit steht. Diesen Betrag hat der Geschädigte bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Coburg eingeklagt. Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ersatz weiterer Reparaturkosten in Höhe von insgesamt 83,18 €. Dabei sind die Verbringungskosten in voller Höhe erstattungsfähig. Die Verbringungskosten sind Teil des erforderlichen Wiederherstellungsaufwandes. Nach § 249 II 1 BGB sind Aufwendungen ersatzfähig, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten durfte. Den Kenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten sind Grenzen gesetzt, wenn er den Reparaturauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände der Fachleute gibt. Das Werkstattrisiko geht zu Lasten des Schädigers (vgl. AG Norderstedt Urt. v. 14.9.2012 – 44 C 164/12 -; LG Köln Urt. v. 7.5.2014 – 9 S 314/13 -; BGHZ 63, 182 ff.). Der Geschädigte darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die in dem von ihm eingeholten Schadensgutachten kalkulierten Arbeitsschritte und das dafür benötigte Material zur Schadensbeseitigung erforderlich sind. Dementsprechend darf er einer Werkstatt den Auftrag erteilen, entsprechend der Ausführungen im Gutachten zu reparieren (AG Düsseldorf Urt. v. 21.11.2014 – 37 C 11789/11 -). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, die in dieser Weise nicht durchgeführt wurden.

Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen. Ein Auswahlverschulden des Klägers ist nicht zu erkennen. Tatsächlich fand eine Verbringung des Fahrzeugs statt und die Werkstatt hat die Verbringungskosten dem Kläger in Rechnung gestellt. Das Fahrzeug des Klägers wurde auch tatsächlich repariert. Die durch die Werkstatt in der Reparaturkostenrechnung belegten Aufwendungen sind im Allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der Reparaturkosten . Das gilt umso mehr, als die berechnete Aufwendung sich auch aus dem Schadensgutachten ergibt, denn der Sachverständige hat in seinem Schadensgutachten angegeben, dass die Reparaturfirma über keine eigene Lackiererei verfügt und die notwendigen Kosten für den Transport zu berücksichtigen sind. Die tatsächlich entstandenen Kosten für den Transport von der Reparaturfirma zum Lackierbetrieb sind auf dem Frachtbrief vermerkt. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO den erforderlichen Betrag in Höhe der tatsächlich sich aus der Rechnu8ng ergebenden Betrages. Damit war der Klage vollumgänglich stattzugeben.

Fazit und Praxishinweis: Verfügt die Reparaturfirma, was üblich ist, über keine eigene Lackiererei, so sind die Transportkosten zur Lackiererei als erforderlicher Wiederherstellungsaufwand anzusehen. Diese Verbringungskosten sind grundsätzlich erstattungsfähig. Dies gilt in voller Höhe, wenn die Verbringungskosten , durch die Reparaturkostenrechnung belegt, tatsächlich angefallen sind. Der Transport zum Lackierbetrieb gehört zur Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes. Sie gehören damit auch zu dem Werkstatt- und Prognoserisiko, das der Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer zu tragen hat. Wenn die Verbringungskosten üblicherweise bei einer Reparatur in der Fachwerkstatt anfallen, so sind sie auch bei der fiktiven Schadensabrechnung zu ersetzen (vgl. BGH Urt. v. 14.5.2013 – VI ZR 320/12 -). Bei der konkreten Schadensabrechnung gilt dies umso mehr, da dann bereits der in Rechnung gestellte Verbringungskostenbetrag das Indiz für die Erforderlichkeit dieser Wiederherstellungskosten ist. So hatte das AG Coburg bereits mit Urteil vom 16.2.2017 – 15 C 1935/16 – entschieden.
Quellen
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