Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

AG Siegburg spricht dem Geschädigten die von der HUK-COBURG gekürzten Sachverständigenkosten zu
AG Siegburg Urteil vom 11.7.2017 – 111 C 30/17 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

In letzter Zeit gibt es kaum noch eine Unfallschadensabrechnung, bei der nicht der zum Schadensersatz verpflichtete Kfz-Haftpflichtversicherer die vom Sachverständigen berechneten Gutachterkosten kürzt. Dabei gehören die Sachverständigenkosten zu den mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen (vgl. BGH Urteil vom 23.1.2007 -VI ZR 67/06 –). Gleichwohl werden fast überwiegend die Sachverständigenkosten nach § 249 II 1 BGB beurteilt, was in Anbetracht der konkreten Abrechnung der durch die Rechnung belegten Gutachterkosten nicht überzeugt. Aber auch über § 249 II 1 BGB sprechen überwiegend die Gerichte den Geschädigten die berechneten Gutachterkosten zu, wie die nachfolgende Entscheidung des AG Siegburg vom 11.7.2017 zeigt.
Am 13.5.2016 ereignete sich in Siegburg ein Verkehrsunfall, den der bei der HUK-COBURG versicherte Fahrer eines Pkws verursachte. Damit der Geschädigte den Schaden an seinem Pkw der eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherung angeben und beziffern konnte, beauftragte er einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Der Gutachter kalkulierte den Reparaturschaden auf 1.831,67 €. Seine Kosten berechnete er mit 675,68 €. Obwohl die HUK-COBURG als einstandspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung in vollem Umfang haftete, glich sie die Kosten des Sachverständigen nur zum Teil in Höhe von 522,-- € aus. Da die Sachverständigenkosten an den Gutachter abgetreten waren, klagte dieser aus abgetretenem Recht den Restbetrag in Höhe von 153,68 € bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht in Siegburg ein. Die Klage hatte Erfolg.

Der klagende Kfz-Sachverständige hat gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen Anspruch aus abgetretenem Recht auf Zahlung des Restbetrages in Höhe von 153,68 €. Dem Geschädigten, dem Auftraggeber des Klägers, ist aufgrund des Unfallereignisses ein Schaden in Höhe von insgesamt 675,68 € an Sachverständigenkosten entstanden. Der Schädiger hat die Kosten eines vom Geschädigten zur Schadensfeststellung eingeholten Gutachtens zu ersetzen, soweit das Gutachten aus Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich ist (BGH NJW 2007, 1450). Demnach kommt es darauf an, ob ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (BGH NJW 2005, 356). Nach diesen Grundsätzen durfte der Geschädigte den Kläger mit der Erstellung des Schadensgutachtens betrauen, denn es lag kein Bagatellschaden vor. Der Geschädigte kann allerdings nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen (BGH NJW 2007, 1450).

Maßgeblich ist demnach, ob sich die an den Sachverständigen gezahlten Kosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen halten (BGH aaO.). Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen (BGH NJW 2014, 1947; BGH NJW 2014, 3151). Ein Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten bildet die Übereinstimmung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung. Und mit der ihr zugrundeliegenden Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt (BGH aaO). Nach diesen Grundsätzen ist das dem Geschädigten in Rechnung gestellte Grundhonorar in Höhe von 449,-- € nicht zu beanstanden. Zwar hat der Geschädigte die Rechnung nicht beglichen, so dass ihr die Indizwirkung entfällt. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Rechnung deutlich erkennbar über den üblichen Preisen liegt. Das Grundhonorar hält sich im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung. Auch die berechneten Nebenkosten sind nicht zu beanstanden. Das erkennende Gericht schätzt die Nebenkosten nicht an Hand des JVEG, sondern aufgrund der BVSK-Tabelle 2015 (vgl. LG Stuttgart Urt. v. 14.7.2016 – 5 S 164/15 -; AG Siegburg Urt. v. 15.3.2017 – 128 C 7/17 -; AG Siegburg Urt. v. 25.1.2017 – 102 C 201/16 -). Die berechneten Nebenkosten liegen im Rahmen der Schätzgrundlage.

Fazit und Praxishinweis: Im Ergebnis hat das erkennende Amtsgericht Siegburg die restlichen, erfüllungshalber abgetretenen Sachverständigenkosten zugesprochen. Dass die Sachverständigenkosten abgetreten waren, ändert nichts an dem Rechtscharakter des Schadensersatzanspruchs. Auch nach der Abtretung an den Sachverständigen bleibt es bei einem Schadensersatzanspruch. Das erkennende Gericht löst die Schadensersatzforderung über § 249 II 1 BGB. Zwar hat der BGH (in NJW 2007, 1450) entschieden, dass die Sachverständigenkosten zu dem nach § 249 II 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist. Gleichwohl können die Sachverständigenkosten aber auch als mit dem Schaden unmittelbar verbundener Vermögensnachteil angesehen werden, der nach § 249 I BGB auszugleichen ist (vgl. BGH Urt. v. 23.1.2007 – VI ZR 67/06 -). Der letzteren Auffassung dürfte der Vorzug zu geben sein, denn die Sachverständigenkosten werden als Schadensposition des Geschädigten immer konkret geltend gemacht. Die Rechnung bildet dabei ein Indiz für die Erforderlichkeit der Kosten, ob dabei die Kosten beglichen sind oder nicht, ist - entgegen der Auffassung des BGH – unerheblich, da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch unbeglichene Rechnungen einen Schaden darstellen.
Quellen
    • Foto: © Martina Berg - Fotolia.com