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Dieseldiskussion: Fahrverbot oder Nachrüstung?
Streit zwischen Bundesregierung und Baden-Württemberg / EU und Gerichte machen Druck / Konflikt ums „Thermofenster“ / Wer zahlt die Nachrüstung?

RobGal

Die Diesel-Malaise hat mit einem schweren Verdacht gegen Daimler ihren Fortgang genommen. Der Autokonzern steht unter dem Verdacht, die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen im großen Stil manipuliert zu haben.
Mittlerweile halten die Ermittler es nicht für ausgeschlossen, dass es Querverbindungen zwischen dem ertappten VW-Konzern und Daimler gegeben haben könnte, denn beide Hersteller werden von dem Stuttgarter Zulieferer Bosch mit der gleichen Motor-Software ausgestattet.

Die Bundesregierung ist nun in Sorge, weil der in Misskredit geratene Dieselantrieb wegen seiner im Vergleich zum Benziner geringeren Verbrauchs- und CO2-Werte benötigt wird, damit die Bundesrepublik ihre Klimaziele erreichen kann. Die Not ist gewachsen.

Aus diesem Grund sind politische Streitigkeiten zwischen der Landesregierung von Baden- Württemberg und der Bundesregierung um die Einführung von Fahrverboten in Innenstädten entstanden. Eine solche Maßnahme wird von manchen Politikern als kurzfristig wirksames Mittel erwogen, um den hohen Stickoxidbelastungen in der Luft zu begegnen. Die EU-Kommission sieht wegen anhaltender und erheblicher Überschreitungen der Grenzwerte in einigen bundesdeutschen Städten die Klimaschutzziele in Gefahr und macht mächtig Druck. Das ist auch der Grund, weshalb es bereits laufende und sogar schon abgeschlossene Gerichtsverfahren in besonders stark von der Luftverschmutzung betroffenen Städten gibt, die eine zügige Lösung erforderlich machen.

Die Bundesregierung bewertet Fahrverbote aber als rechtlich unzulässig, sobald es längerfristig um mehr als um einzelne Straßenzüge geht. Gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz und Straßenverkehrsordnung dürfen nämlich bei teilweisen Straßensperrungen keine dauerhaften Verbotszonen entstehen. Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg hält daher ihr Vorhaben, in Einzelfällen ein innerstädtisches Fahrverbot für Dieselfahrzeuge mit Euro-V-Norm und darunter durchzusetzen, nicht mehr für realisierbar, weil zu diesem Zweck die Bundesregierung tätig werden müsste. Doch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnt Fahrverbote ab. Außerdem befürchten Verkehrsplaner, dass infolge der Fahrverbote ein Verdrängungsverkehr entsteht, der zu weiteren Klagen von Anwohnern wegen zu hoher Stickoxid- und Feinstaubbelastungen führen könnte.

Streit ums Thermofenster

Winfried Hermann, grüner Verkehrsminister von Baden-Württemberg, hält die Fahrverbote zum Schutz der Gesundheit der Anwohner zwar für erforderlich, räumt nun aber ein, auf sie verzichten zu können, wenn die Dieselfahrzeuge wirksam nachgerüstet würden. Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, fordert, dass die betroffenen Autohersteller alles tun müssen, um sinnvolle Nachrüstungen anzubieten, und aus den Fehlern Konsequenzen ziehen. Eine wirkungsvolle Nachrüstung scheint deshalb unausweichlich.

Die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs und der Elektromobilität könnte zusätzlich helfen, die Gesundheit der Menschen zu schützen und dem Klimawandel entgegenzutreten. Das technologische Know-how und die finanziellen Mittel dafür sind vorhanden.

Fraglich ist bislang aber noch, wie effektiv die nachgerüstete Abgasreinigung der älteren Dieselfahrzeuge ausfallen soll. Gestritten wird um das sogenannte Thermofenster, denn bei niedrigen Außentemperaturen ist die Abgasreinigung aufwendig und teuer, wie Hersteller und Zulieferer betonen. Bundesregierung und Industrie haben sich nach einem Bericht des „Spiegels“ vorläufig darauf verständigt, dass die Abgasreinigung erst ab Außentemperaturen von plus zehn Grad Celsius wirken muss. Wenn es kälter ist draußen, darf das System abgeschaltet werden. Ursprünglich war geplant, die Abgase auch bei niedrigeren Temperaturen zu reinigen, beträgt doch die Durchschnittstemperatur in der Bundesrepublik 9,4 Grad Celsius. Laut „Spiegel“ habe die Regierung aber den Forderungen der Wirtschaft nachgegeben. Das Bundesverkehrsministerium dementierte den Bericht jedoch und verweist auf das „Nationale Forum Diesel“, das am 2. August auf Einladung von Bundesumwelt- und -verkehrsministerium in Berlin tagen wird, um über Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung durch Dieselmotoren zu beraten.

Eine Einigung scheint es bereits in der Frage zu geben, wer die Kosten für die Nachrüstung übernimmt. Anfang Juli verständigten sich mehrere Ministerpräsidenten, darunter aus den „Autoländern“ Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen, dass nicht die Verbraucher blechen müssen, sondern dass die Hersteller geradestehen müssen. Gleichzeitig wollen die Ministerpräsidenten für den flächendeckenden Ausbau von Ladesäulen für Elektroautos sorgen.
Quellen
    • Text: Kristian Glaser/Olaf Walther (Kb)
    • Foto: mattz90 - Fotolia.com