Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

Straßenverkehr gefährdet das Überleben von Raubtieren
Erste globale Studie über die Beeinträchtigung der Lebensräume von Großkatzen, Luchsen und Bären / Straßen stellen eine bisher unterschätzte Gefahr für Wildtiere dar

RobGal

Raubtiere sind auf Westeuropas Straßen eher selten anzutreffen, trotzdem gehören auch sie zu den durch den Straßenverkehr gefährdeten Tieren. Zum ersten Mal wurden nun von einem Forscherteam aus Brasilien, Deutschland und Portugal die Folgen der Straßenbaus für Raubtiere umfassend untersucht.
„Dies wurde beim weltweiten Artenschutz offenbar bisher unterschätzt“, ist eines der Ergebnisse der weltweiten Untersuchung, die im Fachblatt „Global Ecology and Biogeography“ veröffentlicht wurde. „Der Schutzstatus mehrerer Arten, die besonders von der Zerschneidung ihres Lebensraumes durch Straßen betroffen sind, sollte dringend überdacht werden“, fordern die Wissenschaftler.

Unter der Leitung von Henrique Pereira, Biologieprofessor an der Universität Halle-Wittenberg und der portugiesischen Universität Porto, untersuchten sie 232 von insgesamt weltweit existierenden 270 Raubtierarten. Sie analysierten, wie stark diese Tierarten durch die Straßen, die durch ihren Lebensraum führen, beeinflusst werden, und errechneten aus verschiedenen Faktoren wie Wanderverhalten und Anzahl der Nachkommen, welche Straßendichte eine Art maximal ertragen kann. Dabei ermittelten sie auch, welche Fläche an unzerschnittenem Lebensraum eine Art mindestens braucht, damit die Population dauerhaft gesund bleiben kann.

So kam man auch zu neuen Erkenntnissen zu der Frage, welche Folgen der Straßenverkehr auf Raubtiere hat, und wie „so bekannte Arten wie der Puma (Puma concolor), der Amerikanische Schwarzbär (Ursus americanus) oder der Braunbär (Ursus arctos)“ zu schützen sind. Denn durch den Verkehr sind langfristig die Überlebenschancen dieser Tiergattungen stark bedroht. Die „volle Tragweite“ dieser Gefahr sei bisher nicht begriffen worden, betont das Forscherteam.

17 Arten sind am meisten durch Straßen gefährdet, das sind weltweit fünf Prozent. „Unsere Ergebnisse zeigen die Notwendigkeit, den Schutzstatus dieser 17 Arten zu aktualisieren, da deren Bedrohung durch Straßen bisher unterschätzt wurde“, betont Henrique Pereira. So bewertet die Weltnaturschutzunion (IUCN), eine Nichtregierungsorganisation mit Beobachterstatus bei der UN-Vollversammlung, die die Rote Liste gefährdeter Arten herausgibt, beispielsweise den Iberischen Luchs (Lynx pardinus) als „stark gefährdet“. Es wird geschätzt, dass es von den nur in Spanien und Portugal vorkommenden Tieren nur noch wenige Hundert Exemplare gibt. Die Wissenschaftler haben berechnet, dass diese Luchsart in 114 Jahren ausgestorben sein wird, wenn nichts dagegen unternommen wird. Schuld daran sei der Straßenverkehr.

In Japan setzt der Verkehr zwei anderen Tierarten, die von der Weltnaturschutzunion nicht als gefährdet eingestuft werden, noch viel mehr zu. Den Japanischen Dachs (Meles anakuma) und den Japanischen Marder (Martes melampus) wird es bereits in wenigen Jahren nicht mehr geben, steht zu befürchten. Das Ende dieser beiden Tierarten könnte laut der Studie allein wegen des Straßenverkehrs schon in neun beziehungsweise 17 Jahren drohen.

Die 17 Raubtierarten, denen durch Auto und Co. weltweit die größten Gefahren lauern, gehören zu den Säugetierfamilien der Katzen, Groß- und Kleinbären, der Marder und Hunde. Vier Bärenarten gelten als bedroht, das ist die Hälfte aller existierenden Arten. Eine Überraschung für die Forscher war, dass auch der weit verbreitete Steinmarder (Martes foina) zu den am stärksten durch Straßen gefährdeten Tieren zählt. Er gilt zwar nicht als gefährdet, wird aber besonders häufig durch den Straßenverkehr getötet.

In Deutschland gehört der Wolf (Canis lupus) zu den 55 am meisten durch die Motorisierung bedrohten Raubtieren weltweit. Das Problem: Wölfe brauchen für ihr langfristiges Überleben große Flächen, doch auch ihre Lebensräume werden durch Straßen gestört.

Nur wenige Straßen können schon stören

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Nordamerika und Asien die Regionen mit den meisten Raubtierarten sind, die durch den Straßenverkehr negativ beeinflusst werden, gefolgt von Südamerika und Europa“, führte die Doktorandin für Naturschutzbiologie Ana Ceia Hasse vom Forscherteam aus. „Doch während wir erwartet hatten, dass die fleischfressenden Säugetiere besonders in Regionen mit hoher Straßendichte leiden, waren wir überrascht zu sehen, dass es auch in Regionen mit geringer Straßendichte Raubtiere gibt, die durch Straßen bedroht sind.“ Das hat in Afrika offensichtlich Folgen auf die Verbreitung des Leoparden (Panthera pardus). Weil die Großkatzen regelmäßig weite Distanzen zurücklegen, können sie bereits durch wenige Straßen empfindlich behindert werden. „Wir konnten auch Arten ermitteln, die bereits auf wenige Straße sensibel reagieren“, sagte Hasse.

Die von den brasilianischen, deutschen und portugiesischen Wissenschaftlern erarbeiteten Untersuchungsmethoden und -ergebnisse können nun genutzt werden, um lokale Schutzmaßnahmen zu entwickeln und die langfristigen Auswirkungen von Straßenbauprojekten für gefährdete Raubtiere im Vorhinein zu bestimmen und zu berücksichtigen.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: Style-Photography - Fotolia.com