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AG Leipzig sieht in VKS/BVK-Honorarumfrage 2015 geeignete Schätzgrundlage
AG Leipzig Urteil vom 9.8.2017 – 103 C 9163/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Offenbar nimmt der Streit um die zu ersetzenden Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall kein Ende, obwohl der für Schadensersatz zuständige VI. Zivilsenat des BGH in letzter Zeit einige Urteile verfasst hat, die sich um die zu ersetzenden Sachverständigenkosten drehten. Immer wieder versuchen die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer die von den Kfz-Sachverständigen berechneten Sachverständigenkosten zu kürzen. So auch in dem Rechtsstreit, den das Amtsgericht Leipzig nach einem Verkehrsunfall zu entscheiden hatte.
Die in Halle wohnhafte Geschädigte war zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin des beschädigten Pkw Audi A 3, der durch den von der Schädigerin verursachten Verkehrsunfall in Leipzig beschädigt wurde. Die Geschädigte beauftrage in Halle einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Gleichzeitig trat die Geschädigte ihren Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Kfz-Sachverständigen ab. Dieser berechnete für die Erstellung des Schadensgutachtens bei einem Schadensbetrag von 5.770,57 € einen Gesamtbetrag von 922,49 €. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung HUK 24 AG zahlte außergerichtlich nur 704,-- €. Den Differenzbetrag von 218,49 € klagte der Kfz-Sachverständige aus abgetretenem Recht bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Leipzig ein. Die Klage aus abgetretenem Recht hatte Erfolg.

Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Die Abtretungsvereinbarung zwischen der Geschädigten und dem klagenden Sachverständigen ist wirksam. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung kann mit ihrem im Rechtsstreit erhobenen Einwand, die Abtretungsvereinbarung sei unwirksam, nicht gehört werden. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hat vorgerichtlich bereits auf die Rechnung des Sachverständigen unstreitig 704,-- € gezahlt. Als eine der größten Kfz-Versicherer verfügt sie über eine eigene Rechtsabteilung, die die Ansprüche prüft, bevor sie reguliert. Es ist daher widersprüchlich, wenn die Beklagte vorprozessual eine ihrer Auffassung nach abschließende Zahlung leistet und sich dann im Rechtsstreit darauf beruft, dass der Anspruch dem Grunde nach nicht bestünde. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es auch nicht um werkvertragliche Ansprüche, sondern um einen abgetretenen Schadensersatzanspruch der Geschädigten gegen die Beklagten. Unstreitig haftet die beklagte Kfz-Versicherung in vollem Umfang. Deshalb kann der Geschädigte gemäß § 249 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne Verkehrsunfall stehen würde. Seiner im Rahmen des § 249 BGB treffenden Darlegungslast genügt der Geschädigte durch Vorlage der Rechnung des Sachverständigen, der mit der Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs beauftragt wurde.

Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrages reicht grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Zumindest stellt der Rechnungsbetrag bei der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Geldbetrages im Sinne des § 249 II 1 BGB dar. Zwar ist die Indizwirkung gemäß BGH-Urteil vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 – für die Rechnungshöhe dann nicht gegeben, wenn nicht der Geschädigte, sondern der Sachverständige aus abgetretenem Recht klagt. Ein Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten besteht aber dann, wenn und soweit das Grundhonorar und die Nebenkosten nicht deutlich überhöht sind (vgl. BGH Urteil v. 26.4.2016 – VI ZR 50/15 -). Daran ändert auch das Urteil des BGH vom 1.6.2017 – VII ZR 97/16 – nicht6s. Denn auch hier wird auf ein ortsübliches Honorar abgestellt. Die VKS/BVK-Honor5arumfrage 2015 stellt für die Ermittlung der üblichen Vergütung auch für das Jahr 2013 eine taugliche Schätzgrundlage dar. Unter Berücksichtigung der Honorarkorridore liegen die berechneten Rechnungspositionen im Rahmen der Schätzgrundlage und sind daher nicht zu beanstanden. Keine der von der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung, der HUK 24 AG, beanstandeten Positionen ist überhöht. Die Schädigerin und die HUK 24 AG waren daher als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Restbetrag der Rechnung in Höhe von 218,49 € zu zahlen.

Fazit und Praxishinweis: In der vorstehenden Entscheidung hat das erkennende Amtsgericht Leipzig zu Recht die angeblich deutlich erkennbare Überhöhung der Sachverständigenkostenrechnung überprüft und zu Recht festgestellt, dass eine solche im zu entscheidenden Rechtsstreit nicht vorlag. Schon allein dann, wenn sich die Rechnungspositionen im Bereich der Korridore der VKS/BVK-Honorarumfrage bewegen, kann gedanklich schon keine Überhöhung vorliegen. Die in der Honorarumfrage angeführten Beträge können, da sie auf einer Vielzahl von Befragungen beruhen, auch als übliche Honorarbeträge angesehen werden, so dass auf Seiten der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer auch der Hinweis auf das Hinweisurteil des VII. Zivilsenates des BGH vom 1.6.2017 – VII ZR 97/16 – nicht weiterhilft. Im Übrigen ist der Begriff der Ortüblichkeit, wie er in der genannten Entscheidung angeführt wird, nicht definiert. Nur dann, wenn für den Geschädigten deutlich erkennbar der geforderte und in Rechnung gestellte Betrag überhöht erscheint, kann der Geschädigte nicht mehr volle Erstattung des Schadensbetrages verlangen. Eine deutlich erkennbare Überhöhung dürfte aber erst bei 50 oder mehr Prozent vorliegen.
Quellen
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