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Sachverständigenkosten sind nach § 249 I BGB zu ersetzende Vermögensnachteile
AG Seligenstadt Urteil vom 5.4.2017 – 1 C 504/16 (2) –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Immer wieder kommt es wegen der Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall zum Streit mit der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung. Regelmäßig werden die vom Sachverständigen berechneten Kosten gekürzt. So war es auch in dem Verfahren, das dem Urteil des AG Seligenstadt vom 5.4.2017 zugrunde liegt. Nachdem bereits der BGH mit Urteil vom 23.1.2007 (BGH DS 2007, 144 ff.) entscheiden hat, dass die Kosten des Sachverständigengutachtens dem Grunde nach erstattungsfähig sind, weil sie zu den mit dem Schaden unmittelbar zusammenhängenden und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, wenn die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist, hat sich jetzt auch das AG Seligenstadt dieser zutreffenden Ansicht angeschlossen. Es sieht die Sachverständigenkosten als nach § 249 I BGB zu ersetzenden Schaden an.
Am 21.12. 2015 ereignete sich in Seligenstadt ein Unfall, bei dem der Pkw der Geschädigten nicht unerheblich beschädigt wurde. Die Geschädigte beauftragte den qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Gleichzeitig trat sie ihren Anspru8ch auf Erstattung der Sachverständigenkosten an den Sachverständigen ab. Mit dem Sachverständigen einigte sich die Geschädigte auf eine Honorarvereinbarung. Die zum Schadensersatz verpflichtete LVM-Versicherung erstattete nicht die vollen Sachverständigenkosten, obwohl eine einhundertprozentige Haftung besteht. Sie kürzte die berechneten Sachverständigenkosten um 68,07 €. Dieser Differenzbetrag ist Gegenstand der Klage des Sachverständigen aus abgetretenem Recht gegen die LVM-Versicherung. Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet. Der klagende Kfz-Sachverständige hat aus abgetretenem Recht einen restlichen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten. Zu den dem Zedenten gemäß § 249 I BGB zu ersetzenden Schäden gehören auch die Sachverständigenkosten. Sachverständigenkosten fallen unter die mit dem Schadensfall unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH DS 2007, 144 mit zust. Anm. Wortmann). Bei der Bemessung des Schadens und der Schadensschätzung nach § 287 ZPO bildet der tatsächliche Aufwand einen Anhaltspunkt zur Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages im Sinne des § 249 II 1 BGB. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH a.a.O.).

Der Geschädigte kann vom Schädiger nach § 249 II 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Dabei ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH, Urteil vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 -). Einwendungen gegen die Höhe der Sachverständigenkosten können dem Geschädigten gegenüber nur erhoben werden, wenn ihn ein Auswahlverschulden trifft oder die Überhöhung derart evident ist, dass eine Beanstandung von ihm verlangt werden muss; der Geschädigte ist insbesondere nicht verpflichtet, vor der Auftragserteilung Preisvergleiche anzustellen (BGH Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 -; LG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015 -323 S 7/14 -). Der Geschädigte hat seine Ansprüche wirksam an den Sachverständigen abgetreten, der diese somit gegen den Beklagten geltend machen kann. Für die Frage, ob erhöhte Gutachterkosten abgerechnet wurden, kommt es allein auf die Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten an (vgl. LG Hamburg a.a.O.; LG Hamburg, Urteil vom 9.4.2015 – 323 S 45/14 -; BGH, Urteil vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 -).

Vorliegend ist bereits nicht festzustellen, dass die Sachverständigenkosten objektiv überhöht sind. Vielmehr sind die von dem Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 578,20 zzgl. 19 % MwSt. nach Auffassung des Gerichts erforderlich im Sinne von § 249 II BGB. Da der Beklagte auf diese Forderung lediglich einen Betrag von 619,99 € gezahlt hat, steht dem Kläger noch ein Anspruch auf die restlichen 68,07 € zu. Für die Beurteilung, ob für den Geschädigten eine Überhöhung des Honorars ersichtlich war, kommt es nicht auf die zugrundeliegenden Einzelpositionen, sondern auf das Gesamthonorar an. Selbst wenn der Sachverständige in einer Position leicht über der üblichen Vergütung liegt, dies jedoch in anderen Positionen wieder ausgleicht, liegt insgesamt keine überhöhte Berechnung vor Es ist dem Geschädigten nicht zumutbar, mit einem Sachverständigen, der in der Gesamtrechnung zu einem üblichen Honorar kommt, über die einzelne Zusammensetzung desselben zu verhandeln oder gar aufgrund einzelner Nebenkosten, die ihm überhöht erscheinen, einen anderen Sachverständigen aufsuchen zu müssen, obwohl der von ihm ausgesuchte Sachverständige insgesamt keinesfalls überhöht abrechnet. Andernfalls käme es angesichts der unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten der Kfz-Sachverständigen in denjenigen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, in denen ein geringes, aber deutlich unterhalb der üblichen Sätze in Ansatz gebrachtes Grundhonorar, dafür aber verhältnismäßig hohe Nebenkosten in Rechnung gestellt werden, ohne dass es insgesamt zu einer Überschreitung der üblichen Vergütung kommt (LG Hamburg, Urteil vom 22.1.2015 – 323 S 7/14 -).

Fazit und Praxishinweis: Zutreffend hat das erkennende Amtsgericht die berechneten Sachverständigenkosten als Vermögensnachteil des Geschädigten angesehen, der über § 249 I BGB zu ersetzen ist. Bei den berechneten Sachverständigenkosten handelt es sich um eine konkrete Schadensposition, die über § 249 I BGB auch konkret ersetzt werden muss. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der vom Geschädigten beauftragte Kfz-Sachverständige der Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist, dessen eventuelle Fehler zu Lasten des Schädigers gehen. Wenn bei der Beurteilung des konkreten Schadens schon eine Schadenshöhenschätzung vorzunehmen ist, dann kann es nur auf den Gesamtbetrag ankommen. Grundsätzlich ist aber weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen.
Quellen
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