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Straßeninfrastruktur: Wie marode sind die Brücken wirklich?
Ein Forscherteam geht dem Phänomen auf den Grund, dass Brücken den zunehmenden Verkehr anscheinend besser aushalten, als gängige Berechnungen erwarten lassen

RobGal

Wie marode die Straßenbrücken wirklich sind, fragten sich Ingenieure der Technischen Universität München (TUM). Denn der zunehmende Verkehr und die größeren Lasten der Lkw setzen den teils über fünfzig Jahre alten Bauwerken im Bundesgebiet reichlich zu.
„Nach aktuellen Normen beurteilt, weist ein Großteil von ihnen rein rechnerisch große Defizite auf. Trotzdem sind bei vielen Brücken äußerlich keine Schäden zu erkennen, die diese Defizite bestätigen würden“, definieren die Münchner Forscher ihre Fragestellung. Sie wollen dem Verhältnis von äußerlichem Schein und realem Zustand der Bauten nachgehen und führen zu diesem Zweck Versuche zur sogenannten Querkrafttragfähigkeit an existierenden Spannbetonbrücken durch.

Die Querkrafttragfähigkeit beschreibt die Beanspruchungen, die senkrecht zur Fahrtrichtung auf eine Brücke einwirken und die sie auszuhalten hat. Heutzutage sind diese Belastungen viel höher, weil mehr Schwerlastfahrzeuge über die Brückenbauwerke fahren als etwa in den 60er- Jahren. „Brücken, die vor 1966 gebaut wurden, haben so gut wie keine vertikale Bewehrung, um die Querkräfte aufzunehmen“, erläutert Oliver Fischer, Professor am Lehrstuhl für Massivbau der TUM, das Problem. Das „ideale Versuchsobjekt“ für ihre Untersuchung fanden sie in der vor sechzig Jahren errichteten und heute stillgelegten Saalebrücke Hammelburg in Unterfranken.

Die über 160 Meter lange Saalebrücke besteht aus sieben Einzelfeldern. „Die Querkraft ist in der Nähe der Pfeiler beziehungsweise Stützen am größten“, stellt Oliver Fischer fest. Die Messungen seien deshalb genau an diesen Stellen interessant. Für die Großversuche im Bereich der Stützen wurde ein spezieller, 32 Meter langer und 1,80 Meter hoher Balken gebaut. Er wiegt etwa 40 Tonnen und kann bis zu 400 Tonnen verkraften. Das entspricht der Last von zehn 40-Tonnen-Lkw oder von 400 Kleinwagen. Mit Hilfe einer aufwändigen Messtechnik können die TUM-Wissenschaftler daran herausfinden, wie sich der Beton unter der Belastung dehnt und wo am ehesten Risse entstehen. Hochauflösende Kameras dokumentieren die möglichen Schäden, die Auswertung erfolgt mit einer speziellen Software.

Der Grund für den großen Aufwand der TUM-Wissenschaftler liegt darin begründet, dass es häufig einen großen Unterschied zwischen den im Labor ermittelten theoretischen und den tatsächlichen Tragfähigkeitswerten einer Stahlbetonbrücke gibt. „Ein Problem ist, dass die experimentellen Untersuchungen dazu fast ausschließlich im Labor durchgeführt wurden“, erklärt Fischer, und „im kleinen Maßstab verhalten sich viele Tragsysteme anders als im Realzustand“. Hinzu kommen der Einfluss der Witterung und die jahrzehntelange Alterung, beides kann im Labor nicht realistisch simuliert werden. Die Versuche an der Saalebrücke, die vom Bund finanziert werden, sollen diese Wissenslücken schließen helfen.

Parallel zum Feldversuch und auf dessen Grundlage werden zudem umfangreiche Simulationen und Untersuchungen im Labor durchgeführt. Oliver Fischer: „Unser klares Ziel ist, neue Ansätze zum Umgang mit älteren Brücken zu formulieren und die Tragreserven noch besser, aber den-noch sicher auszunutzen.“ Dadurch könnten unnötige Reparaturen oder Stilllegungen ebenso vermieden wie in der Folge Baustellen, Staus und zusätzliche Belastungen für den Straßenverkehr – was Kosten für die öffentliche Hand und Ärger für die Autofahrer deutlich reduzieren würde.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: dashadima - Fotolia.com