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Bei konkreter Schadensabrechnung sind Verbringungskosten in berechneter Höhe zu erstatten
AG Offenbach am Main Urteil vom 27.7.2017 – 340 C 118/17 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Bei Schadensersatzabrechnungen nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall kommt es immer häufiger vor, dass die einstandspflichtigen Kfz-Versicherer die berechneten Verbringungskosten kürzen. Besonders die HUK-COBURG kürzt die berechneten Verbringungskosten regelmäßig auf 80,-- €, obwohl die Kosten für die Verbringung zur Lackiererei und zurück zur Werkstatt konkret berechnet sind. So lag es auch in dem vom Amtsgericht Offenbach zu entscheidenden Rechtsstreit. Das erkennende Gericht sah die durch die Reparaturrechnung nachgewiesenen und betragsmäßig bewiesenen Verbringungskosten als über § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteil und verurteilte die HUK-COBURG zur vollständigen Erstattung der beglichenen Verbringungskosten.
Am 2.5.2016 kam es in Offenbach am Main zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Pkw der Geschädigten beschädigt wurde. Die Schuld an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalls trägt der bei der HUK-COBURG versicherte Fahrzeugführer des gegnerischen Fahrzeugs. Die einhundertprozentige Haftung des Schädigers ist unbestritten. Nach dem Unfall beauftragte die Geschädigte einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen, der in seinem Gutachten unter anderem Verbringungskosten von 123, 50 € netto aufführte. Nachdem die Geschädigte das Schadensgutachten in Händen hatte, erteilte sie der Fachwerkstatt in Bad Vilbel den Reparaturauftrag. Die Werkstatt reparierte das Fahrzeug entsprechend der Angaben in dem Schadensgutachten. Die Reparaturkosten berechnete sie mit der Rechnung vom 28.6.2016. In dem Rechnungsbetrag waren Verbringungskosten von 123,50 € enthalten. Die Geschädigte beglich die Rechnung. Die eintrittspflichtige HUK-COBURG kürzte die Verbringungskosten au8f 80,-- € und erstatte im Übri9gen die Rechnung. Die Geschädigte war mit der Kürzung der Verbringungskosten nicht einverstanden und klagte bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Offenbach den Differenzbetrag von 43,50 € ein. Die Klage hatte Erfolg.

Die Klage ist begründet. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die beklagte HUK-COBURG als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners der Klägerin dieser 100-prozentigen Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Unfall schuldet. Die Klägerin kann daher die zur Schadensbehebung erforderlichen Kosten von der Beklagten gemäß der §§ 249 ff. BGB erstattet verlangen. Reparaturkosten , die durch die Instandsetzung des unfallbedingt beschädigten Fahrzeuges entstehen, gehören zu den erstattungsfähigen Schadenspositionen. Die Klägerin hat ihr Fahrzeug bei der Fachwerkstatt in Bad Vilbel reparieren lassen. Ausweislich der vorgelegten Rechnung dieser Fachwerkstatt wurden der Klägerin hierbei auch Verbringungskosten im Zusammenhang mit der unfallbedingt notwendig gewordenen Lackierung in Höhe von 123,50 € netto berechnet. Da die beklagte HUK-COBURG hierauf lediglich 80,-- € bezahlt hat, hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung weiterer 43,50 € unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes. Soweit die Beklagte bestritten hat, dass eine Verbringung zu diesem Betrag überhaupt erfolgt sei, kann sie damit nicht gehört werden. Denn aus dem Umstand, dass der Klägerin der Betrag von 123,50 € für die Verbringung berechnet wurde, folgt indiziell, dass eine Verbringung zu den angesetzten Kosten erfolgt ist und von der Klägerin zu bezahlen war. Soweit die Beklagte weiter darauf hinweist, dass im Umkreis des Reparaturbetriebes mehrere Lackierereien aufzufinden sein, so ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin Herrin des Restitutionsgeschehens ist und in diesem Zusammenhang sich auch die Werkstatt aussuchen darf, wo sie ihr Fahrzeug instandsetzen lassen will und in deren Leistungen sie Vertrauen hat. Soweit schließlich die Beklagte darauf hinweist, dass 80 € Verbringungskosten ausreichend seien, so ist hier darauf hinzuweisen, dass in der Rechnung des eingeschalteten Reparaturbetriebes der Betrag von 123,50 € für die Fahrzeugverbringung angesetzt wurde.

Die Klägerin war daher mit einer Verbindlichkeit in eben dieser Höhe belastet. Die Beklagte müsste Schadensersatz allenfalls dann nicht leisten, wenn der Klägerin insoweit ein Auswahlverschulden bei der Auswahl des Reparaturbetriebs vorzuhalten wäre. Hiervon kann nicht ausgegangen werden, weil nach dem eingeholten Schadensgutachten ebenfalls 123,50 € Verbringungskosten kalkuliert worden waren, was unstreitig ist. Wird ein Reparaturbetrieb mit der Schadensbehebung beauftragt, der den Kostenansatz im Schadensgutachten im Hinblick auf bestimmte Schadenspositionen nicht überschreitet, kann schwerlich diesbezüglich dann ein Auswahlverschulden zugrunde gelegt werden. Hinzu tritt, dass nicht alle Reparaturwerkstätten samt und sonders über eigene Lackierereien verfügen, so dass die Einschaltung einer Werkstatt ohne eigene Lackiererei auch nicht per se ein Auswahlverschulden darstellt. Da die Klägerin konkret abrechnet und ihr bei der Auswahl des Reparaturbetriebs kein Auswahlverschulden vorzuwerfen ist, hat die Beklagte die vollen Verbringungskosten zu erstatten. Die von ihr vorgerichtlich vorgenommene Kürzung des konkreten Schadensbetrages war nicht rechtmäßig.

Fazit und Praxishinweis: Das erkennende Amtsgericht Offenbach am Main hat mit diesem Urteil fast mustergültig die Erstattungspflicht der berechneten und beglichenen Verbringungskosten in voller Höhe festgestellt. Soweit im Schadensgutachten bereits ein Betrag für die Verbringung des Fahrzeugs zum Lackierbetrieb kalkuliert wurde und später bei der tatsächlichen Reparatur dieser Verbringungskostenbetrag berechnet wurde, liegt kein Auswahlverschulden des Geschädigten bei der Auswahl der beauftragten Reparaturfachwerkstatt vor. Die von der HUK-COBURG häufig vorgenommene Kürzung der berechneten Verbringungskosten auf einen pauschalen Betrag von 80,-- € ist durch nichts zu begründen und wird regelmäßig auch nicht konkret begründet, warum gerade dieser zur Wiederherstellung nur erforderlich sei, obwohl konkret nach § 249 I BGB abgerechnet wird. Mit der Lackierung nach der Reparatur wird der vor dem Unfall bestehende Zustand im Sinne des § 249 I BGB wiederhergestellt. Dabei ist die Werkstatt der Erfüllungsgehilfe des Schädigers (vgl. BGHZ 63, 182 ff.) Fehler des Erfüllungsgehilfen gehen zu Lasten des Schädigers.
Quellen
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