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AG Cuxhaven sieht in Verbringungskosten einen über § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteil
AG Cuxhaven Urteil vom 2.8.2017 – 5 C 88/17 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

In jüngster Zeit werden bei der Schadensabrechnung durch die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer nach Verkehrsunfällen immer häufiger auch bei durchgeführter Reparatur des Unfallfahrzeugs die tatsächlich angefallenen Verbringungskosten gekürzt oder gar gestrichen. Bei einer konkreten Schadensabrechnung auf der Grundlage einer Rechnung liegt der vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer auszugleichende Vermögensnachteil in der Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung. Daher ist im Wege des Schadensersatzes der Rechnungsbetrag grundsätzlich auszugleichen. So hatte das Amtsgereicht Cuxhaven nach einer durchgeführten Reparatur in einer regionalen Fachwerkstatt und der von der HUK-COBURG gekürzten Reparaturrechnung über die notwendigen Verbringungskosten und restlicher Sachverständigenkosten zu entscheiden.
Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall im Landkreis Cuxhaven hatte der Geschädigte zunächst einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt. Dieser berechnete für das Schadensgutachten 581,08 €. Die HUK-COBURG Allgemeine Versicherung AG erstattete im Wege des Schadensersatzes jedoch nur einen um 82,08 € gekürzten Sachverständigenkostenbetrag. Nach der Erstellung des Schadensgutachtens ließ der Geschädigte seinen beschädigten Pkw Opel in einer Opel-Fachwerkstatt nach den Angaben des Schadensgutachtens reparieren. Die Opel-Fachwerkstatt verfügte – wie alle Opel-Werkstätten im Landkreis Cuxhaven – nicht über eine angeschlossene Lackiererei. Das Fahrzeug wurde daher zum Lackieren der reparierten Fahrzeugteile in einen Lackierbetrieb verbracht. In der Reparaturrechnung waren Verbringungskosten von 111,90 € berechnet. Die eintrittspflichtige Kfz-Versicherung kürzte diesen Rechnungsbetrag um 37,96 €. Der Geschädigte klagte beide Kürzungsbeträge bei dem Amtsgericht Cuxhaven ein. Die Klage hatte Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen Anspruch aus den §§ 7, 17, 18 StVG i. V. m. §§ 1 PflVG,115 Abs. 1 VVG, § 249 BGB auf Zahlung restlicher Verbringungskosten von 37,96 € und restlicher Sachverständigenkosten von 82,08 €.

1. Zu den Verbringungskosten : Der Kläger hat bewiesen, dass sowohl die Verbringung seines Fahrzeugs zur Lackiererei als auch die ihm hierfür berechneten Kosten von 111,90 € gemäß § 249 Abs. 1 BGB nicht nur aus seiner Sicht, sondern auch objektiv erforderlich waren. Das Gericht wertet die Verbringungskosten als konkreten Schaden, der über § 249 Abs. BGB auszugleichen ist. Das Gericht hat eine Beweisaufnahme durchgeführt. Daraus ergab sich nach Überzeugung des Gerichts, dass für die Verbringung seines PKW ein Zeitaufwand von mindestens einer Stunde erforderlich war. Der Zeitaufwand von über einer Stunde für einen Monteur habe darin bestanden, den PKW aufzuladen und zu verzurren, ihn zur Lackiererei zu transportieren, ihn dort abzuladen, ohne PKW zurückzufahren sowie dieselben Arbeitsabläufe für die Rückholung zu wiederholen. An diesen Ausführungen hegt das Gericht keine Zweifel.
Weiterhin kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass der Kläger sich eine Werkstatt habe aussuchen müssen, die über eine eigene Lackiererei verfügt. Es ist gerichtsbekannt, dass es im Landkreis Cuxhaven keine Opel-Werkstatt gibt, die selbst lackiert. Bezüglich der Kosten bewegte sich der geltend gemachte Zeitaufwand für eine Stunde von 111,90 € in dem Bereich, den die Werkstatt auch für andere Arbeiten berechnet hat. Dies ist nicht zu beanstanden.

2. Zu den Sachverständigenkosten: Die Beklagte hat dem Kläger außerdem die gesamten Sachverständigenkosten von 581,08 € zu erstatten. Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung des Sachverständigen als nicht erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 Satz 1 erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat (BGH DS 2016, 323 (324)). Wie der Kläger bezüglich des Grundhonorars von 387,00 EUR hätte erkennen können, dass dieses Honorar überhöht sein sollte, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. In Bezug auf die Nebenkosten waren die vom Sachverständigen angesetzten Nebenkosten für Fahrtkosten und eine Auslagenpauschale aus Sicht des Klägers ebenfalls nicht deutlich überhöht.

Fazit und Praxishinweis: Zu Recht hat das erkennende Gericht die konkret angefallenen Reparaturkosten einschließlich der angefallenen Verbringungskosten nach § 249 I BGB beurteilt, denn die Reparaturkosten sind Wiederherstellungskosten im Sinne des § 249 I BGB. Zur Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes bedient sich der Geschädigte des Erfüllungsgehilfen des Schädigers, denn die Werkstatt ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechu8ng der Erfüllungsgehilfe des Schädigers. Mithin hat der Schädiger bzw. dessen Versicherer den konkret entstandenen Vermögensnachteil, der sich in der Reparaturrechnung wiederspiegelt, als Schadensersatz nach § 249 I BGB zu ersetzen, allerdings hat er die Möglichkeit des Vorteilsausgleichs. Entsprechend hätten auch die Kosten des Sachverständigen beurteilt werden müssen, denn auch bei diesen handelt es sich um Kosten der Wiederherstellung. Der BGH hat in seinem Grundsatzurteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (=BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann) festgehalten, dass die Kosten des Sachverständigengutachtens zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, wenn eine Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Dass das erkennende Gericht die Sachverständigenkosten als konkreten Vermögensnachteil daher über § 249 II BGB prüft, erscheint dogmatisch nicht nachvollziehbar.
Quellen
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