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AG Göppingen bejaht bei Verkehrsunfall Notwendigkeit der Einschaltung eines Anwalts
Amtsgericht Göppingen Urteil vom 27.9.2017 – 11 C 592/17 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Nach unverschuldeten Verkehrsunfällen kommt es in letzter Zeit immer wieder zu Streit über die Kosten des vom Geschädigten zur Schadensfeststellung hinzugezogenen Kfz-Sachverständigen. Das Amtsgericht Göppingen hat jetzt sogar darüber zu befinden, ob der Geschädigte berechtigt war, einen Rechtsanwalt seiner Wahl wegen der Schadensregulierung einzuschalten. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung war der Meinung, der Geschädigte hätte die Regulierung des Schadens selbst durchführen können. Sie erstattete die Kosten des Anwalts des Geschädigten nicht. Der Geschädigte klagte die rechtsanwaltskosten mit Erfolg bei dem Amtsgericht Göppingen ein.
Am 8.2.2017 ereignete sich in Göppingen ein Verkehrsunfall, der durch den Schädiger schuldhaft zu einhundert Prozent verursacht wurde. Nachdem der Geschädigte ein Schadensgutachten eingeholt hatte, beauftragte er die in Göppingen ansässigen Rechtsanwälte D. & K. mit der Wahrnehmung seiner Interessen in der Schadensersatzforderung gegen die Kfz-haftpflichtversicherung des Schädigers. Für die anwaltliche Tätigkeit berechneten die Rechtsanwälte D. & K. 347,60 €. Diesen Betrag ersetzte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers nicht. Sie meinte, dass die Schadensregulierung einfach geartet sei und der Geschädigte keinen Anwalt benötigt hätte. Damit hab sich der Geschädigte nicht zufrieden und klagte bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Göppingen die Anwaltskosten im Wege des Schadensersatzes ein. Die Klage hatte Erfolg.

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 347,60 € zu. Die alleinige Haftung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung dem Grunde nach steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Zu den nach § 249 BGB ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich auch die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten. Der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, diejenigen Kosten ersetzt zu erhalten, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte zweckmäßig und erforderlich waren, wobei es auf die geschäftliche Gewandtheit der geschädigten Partei grundsätzlich nicht ankommt (BGH Urt. v. 8.11.1994 – VU ZR 3/94 -). Der VI. Zivilsenat des BGH hat in der genannten Entscheidung klargestellt, dass der Geschädigte in einem von vornherein nicht ganz einfach gelagerten Schadensfall zu eigener Mühewaltung bei der Schadensabwicklung nicht verpflichtet ist. Auch widerspricht es dem Schadensersatzrecht, die rechtliche Qualifikation des Geschädigten als Kriterium für die Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes heranzuziehen.

Maßgeblich ist vielmehr, ob die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vornherein nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommt (BGH Urt. v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04 --). Eine solche Fallgestaltung, in der ausnahmsweise die Erstattungspflicht der Anwaltskosten zu verneinen wäre, liegt hier nicht vor. Aus der maßgeblichen Ex-ante-Sicht des Klägers war bei Hinzuziehung der anwaltlichen Hilfe die vollständige Haftung der Beklagten bereits dem Grunde nach nicht offensichtlich. Bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall hätte unter Umständen eine Mithaftung des Klägers in Betracht kommen können. Dass die Beklagte die vollständige Haftung ohne Bezugnahme auf die Betriebsgefahr des klägerischen Kraftfahrzeuges anerkennen würde, konnte der Kläger nicht prognostizieren. Er durfte von der Notwendigkeit anwaltlicher Hilfe ausgehen. Auch die Höhe der geltend gemachten Anwaltskosten ist nicht zu beanstanden.

Fazit und Praxishinweis: Zutreffend hat das erkennende Gericht bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts auf die Ex-ante-Sicht des Geschädigten abgestellt. Grundsätzlich ist der Geschädigte bei einem für ihn unverschuldeten Verkehrsunfall berechtigt, anwaltliche Hilfe zur Durchsetzung seiner berechtigten Schadensersatzforderungen in Anspruch zu nehmen. Lediglich bei absolut einfachen Sachverhalten und einer unbestrittenen Haftungsanerkennung durch den Schädiger bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherer kann in der Einschaltung eines Rechtsanwaltes eine Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht gesehen werden. Aber einfach gelagerte Verkehrsunfallangelegenheiten liegen heutzutage regelmäßig nicht mehr vor. Die eintrittspflichtigen Kfz-Versicherer bestreiten regelmäßig sämtliche Schadenspositionen, so dass ein Laie heute nicht mehr in der Lage ist, seinen Unfallschaden selbst zu regulieren. Auch die ständig wachsende Rechtsprechung zum Schadensersatzrecht nach einem Verkehrsunfall rechtfertigt die Einschaltung eines Anwalts.
Quellen
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