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Das Prognose- und Werkstattrisiko geht zu Lasten des Schädigers
Amtsgericht Darmstadt Urteil vom 14.9.2017 – 309 C 65/17 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

In jüngster Zeit kommt es bei Unfallschadensabrechnungen immer häufiger vor, dass die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer aus den zur Schadensregulierung vorgelegten Reparaturrechnungen Positionen kürzen oder gar streichen und nicht bereit sind, den vollen Rechnungsbetrag zu ersetzen, obwohl eine volle Haftung besteht. So erging es auch einem Unfallopfer, der nach dem für ihn unverschuldeten Verkehrsunfall ein Schadensgutachten bei einem qualifizierten Kfz-Sachverständigen beauftragte und nach Erhalt des Gutachtens nach den Vorgaben des Gutachtens den Reparaturauftrag erteilte. Nachdem die eintrittspflichtige Versicherung Kürzungen in der Reparaturrechnung vornahm, klagte der Geschädigte die gekürzten Rechnungspositionen ein. Die Klage vor dem Amtsgericht Darmstadt war erfolgreich.
Nach einem für ihn unverschuldeten Verkehrsunfall, bei dem sein Kraftfahrzeug durch den Fahrer des bei der Württembergischen Versicherung versicherten Fahrzeugs beschädigt wurde, beauftragte der Geschädigte einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen seiner Wahl, der in dem Schadensgutachten beweissichernd den Schadensumfang und die Schadenshöhe feststellte. Bei der Fachwerkstatt erteilte er den Reparaturauftrag nach den Vorgaben des Schadensgutachtens. Nach Erhalt der Reparaturrechnung glich er diese aus und reichte sie zur Schadensabrechnung bei der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung ein. Diese kürzte die Reparaturrechnung um 260,02 €. Sie war der Ansicht, die Werkstatt hätte zu teuer repariert. Der Geschädigte klagte bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Darmstadt den Kürzungsbetrag mit Erfolg ein.

Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung der restlichen Reparaturkosten in Höhe von 260,02 € aus §§ 7 StVG, 115 VVG, 249 BGB zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die einzelnen Arbeitsschritte der Kfz-Werkstatt tatsächlich erforderlich waren. Denn der Kläger als Geschädigter durfte auf Basis des von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens annehmen, dass die gesamten Reparaturkosten erforderlich waren, was für eine Anspruchsbegründung genügt. Maßgeblich für die Höhe des vom Schädiger zu ersetzenden Schadens sind die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten , wenn der Geschädigte insoweit seine Obliegenheiten zur Schadensminderung berücksichtigt hat (vgl. LG Köln Urt. vom 29.3.2016 - 36 O 65/15 – Rn.22). Denn der erforderliche Herstellungsaufwand wird nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die er zur Instandsetzung Unfallfahrzeugs heranziehen muss. In diesem Sinne ist der Schaden nicht normativ zu bestimmen, sondern subjektbezogen (BGH Urt. vom 29.10.1974 – VI ZR 42/73 – Rn. 9). Insofern ist dem Kläger Recht zu geben, dass die nachträgliche Überprüfung der jeweiligen Reparaturkosten durch den Schädiger oder die Haftpflichtversicherung bezüglich der einzelnen Reparaturschritte oder der Höhe der jeweiligen Rechnungspositionen nicht für die Erforderlichkeit der Kosten nach § 249 BGB maßgeblich ist. Nach Einholung des Sachverständigengutachtens konnte sich der Kläger darauf verlassen, dass die sodann von der von ihm beauftragten Fachwerkstatt vorgenommene Reparatur auf der Grundlage des Gutachtens auch erforderlich war. Damit war der Klage in vollem Umfang statt zu geben.

Fazit und Praxishinweis: Bei den Reparaturkosten hat der BGH bereits mit der Entscheidung BGHZ 63, 182 ff. entschieden, dass die Werkstatt der Erfüllungsgehilfe des Schädigers bei der Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes ist. Fehler des Erfüllungsgehilfen gehen zu Lasten des Schädigers. Daher sind die in Rechnung gestellten Reparaturkosten als unmittelbar mit dem Schaden verbundene Vermögensnachteile, die nach § 249 I BGB zu ersetzen sind. Dies ergibt sich auch daraus, dass der Schaden eben nicht normativ, sondern subjektbezogen zu betrachten ist (BGH VI ZR 42/73 Rn. 9). Aus der subjektiven Sicht des Geschädigten sind grundsätzlich die im Schadensgutachten aufgeführten Wiederherstellungskosten als erforderlich anzusehen. In der Regel ist nämlich der Geschädigte nicht in der Lage an den technischen Angaben im Gutachten zu zweifeln. Vielmehr kann und muss er von der Erforderlichkeit der beschriebenen Ersatzteile, Arbeitslöhne und Reparaturwege ausgehen. Ohne es expressis verbis zu benennen, hat das erkennende Amtsgericht Darmstadt daher zu Recht das Prognose- und Werkstattrisiko dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer auferlegt.
Quellen
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