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AG Otterndorf spricht Mietwagenkosten nach dem Mittelwert von Schwacke und Fraunhofer zu
Amtsgericht Otterndorf Urteil vom 6.2.2017 – 2 C 423/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Auch bei den Kosten für die notwendige Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall kommt es immer wieder zu Streitigkeiten mit der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung. Diese favorisieren die Preise aus der Fraunhofer-Erhebung, während die Autovermieter regelmäßig die Preise nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel ihrer Rechnung zugrunde legen. Im Prozess legen die Versicherer häufig dann auch noch sogenannte screen-shot aus dem Internet vor, die ohnehin nicht zu beachten sind. So geschah es auch im Schadensersatzprozess vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Otterndorf.
Am 27.7.2016 gegen 13.00 Uhr ereignete sich in Hemmoor auf einem Parkplatz ein Verkehrsunfall, den der Fahrer des bei der r+v Direktversicherung haftpflichtversicherten Fahrzeugs verursacht hatte. Der Geschädigte hatte nach dem Verkehrsunfall, bei dem sein Fahrzeug beschädigt wurde, einen Ersatzwagen für das beschädigte Fahrzeug angemietet. Die Mietwagenfirma berechnete 1.169,96 €. Darauf zahlte die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung nur einen Betrag von 994,84 €. Der Restbetrag von 175,12 € ist Gegenstand der Klage vor dem Amtsgericht Otterndorf. Das angerufene Gericht sprach den vollen Restbetrag dem Kläger zu.

Die zulässige Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht ein weiterer Schadensersatzanspruch von 175,12 € zu. Nach § 249 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Er hat hierzu den Finanzierungsbedarf des Geschädigten in Form des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags zu befriedigen (BGH, DS 2007, 144 Rn. 13 m. Anm. Wortmann). Zur Wiederherstellung des Zustandes vor dem Unfallgeschehen hat die Beklagte der Klägerin weitere Mietwagenkosten in Höhe von 175,12 € zu ersetzen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Geschädigte eines Verkehrsunfalls vom Schädiger und seiner Haftpflichtversicherung gemäß § 249 BGB Ersatz derjenigen Mietwagenkosten als erforderlichen Herstellungsaufwand verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten darf, wobei er nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit gehalten ist, im Rahmen des ihm zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichen Weg zur Schadensbehebung zu wählen (BGH VersR 2011, 769). Dabei war die Anmietung des Ersatzfahrzeugs gerechtfertigt. Der Kläger hat insoweit schlüssig vorgetragen. Das einfache Bestreiten der Erforderlichkeit des Anmietens durch die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung war mithin nicht ausreichend. Auch die berechneten Mietwagenkosten halten einer gerichtlichen Überprüfung stand. Der BGH hat entschieden, dass der besonders freigestellte Tatrichter geeignete Schätzgrundlagen seiner Entscheidung zugrunde legen darf. Danach sind sowohl die Schwacke-Liste als auch die Fraunhofer-erhebung geeignete Schätzgrundlagen.

Die Kombination aus beiden Schätzgrundlagen erachtet das erkennende Gericht in Anlehnung an die obergerichtliche Rechtsprechung des OLG Celle aus seinem Urteil vom 29.2.2012 – 14 U 49/11, Rz. 14ff. als adäquate Schätzgrundlage. Sofern die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung die Kritik an der Schwacke-Liste auf von ihr beigebrachte Angebote stützt und damit die Ungeeignetheit dieser Liste zu begründen versucht, sind diese nicht berücksichtigungsfähig. Bei dem vorgelegten Angebot der Firma Europcar handelt es sich um ein Angebot, das als sogenannter „screen-shot“ dem Internet entnommen wurde. Dem Geschädigten kann aber nicht zugemutet werden, im Internet nach einem besonders günstigen Anbieter zu forschen. Auch ist nicht erkennbar, dass diese Angebote dem Geschädigten zum tatsächlichen Anmietzeitraum zur Verfügung gestanden hätten und unter welchen besonderen Bedingungen diese Angebote bestanden. An der Vergleichbarkeit der von der Beklagten vorgelegten Internetangebote mangelt es schon deshalb, da sich aus diesen Angeboten mangels konkreter Angaben zum Fahrzeugmodell kein Vergleich mit einer bestimmten Fahrzeuggruppe der Schwacke-Liste bzw. Fraunhofer-Tabelle ziehen lässt. Das Gericht legt daher das Mittel der Preise aus der Schwacke-Liste und der Fraunhofer-erhebung zugrunde. Danach ergeben sich auf dieser Basis folgende Mietwagenkosten in Höhe von 1.000,52 € zuzüglich Nebenkosten in Höhe von 840,33 €, was insgesamt 1.840,85 € ausmacht. Die berechneten Nebenkosten waren ebenfalls erforderlich, weil auch das verunfallte Fahrzeug von mehreren Fahrern benutzt wurde. Ebenso waren die Vollkaskokosten zu berücksichtigen. Dieser Betrag übersteigt mithin die in Rechnung gestellten 1.169,96 €. Hierauf hat die Beklagte 994,84 € geleistet, so dass ein Restbetrag von 175,12 € verbleibt, der von der Beklagten noch zu erstatten ist.

Fazit und Praxishinweis: Das erkennende Gericht hat zu Beginn der Urteilsgründe zu Recht darauf hingewiesen, dass der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Zustand vor dem Unfall wiederherzustellen hat, § 249 I BGB. Denn vor dem Unfallschaden besaß der Geschädigte die volle Nutzungsfähigkeit seines Fahrzeugs. Diese ist mit dem Unfall entzogen worden. Da der Schadensersatzanspruch auf Wiederherstellung des vorigen Zustands sofort fällig ist (vgl. BGH ZfS 2009, 79), konnte der Geschädigte sofort ein Ersatzfahrzeug anmieten, um die Nutzungsmöglichkeit eines Fahrzeugs wiederherzustellen. Bei der Anmietung eines notwendig gewordenen Ersatzfahrzeugs handelt es sich mithin um Kosten der Wiederherstellung, die über § 249 I BGB auszugleichen sind. Zur Wiederherstellung des Zustandes vor dem Unfallgeschehen waren daher die gesamten von der Mietwagenfirma berechneten Mietwagenkosten zu ersetzen.
Quellen
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