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BGH urteilt über Abtretung und Weiterabtretung von Schadensersatzansprüchen auf Ersatz der Gutachterkosten
BGH – VI. Zivilsenat – Urteil vom 24.10.2017 – VI ZR 504/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Nachdem der VI. Zivilsenat bereits mit Revisionsurteil vom 31.1.2012 – VI ZR 143/11 – entschieden hatte, dass die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung des Unfallopfers auf Erstattung der berechneten Mietwagenkosten grundsätzlich erlaubt ist, wenn nur noch die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist, hat er mit dem jüngsten Urteil diese Grundsätze nunmehr auch auf Abtretungen von Schadensersatzforderungen auf Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten erweitert.
Ob sich der vom Geschädigten eingeschaltete Sachverständige ständig die Schadensersatzansprüche auf Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten abtreten lässt, ist für die Frage der Anwendung des Rechtsdienstleistungsgesetzes unerheblich. Wenn nur noch die Höhe der abgetretenen Sachverständigenkosten streitig ist, so ist die Geltendmachung durch den Sachverständigen nach § 5 I RDG erlaubt. Wird allerdings der abgetretene Schadensersatzanspruch an eine Einziehungsstelle weiter abgetreten, ist die genaue Formulierung der Weiterabtretungsvereinbarung wichtig. Formuliert die Einziehungsstelle die Abtretung, gehen Unklarheiten zu deren Lasten.

Ende August 2015 wurde im Bereich Wermelskirchen des Kraftfahrzeugs des Geschädigten beschädigt. Für die durch den Unfall eingetretenen Schäden war unstreitig die hinter dem Schädiger stehende Kfz- Haftpflichtversicherung einstandspflichtig. Noch am Tage des Verkehrsunfalls beauftragte der Geschädigte des Kfz-Sachverständigen G.W. mit der Erstellung des beweissichernden Schadensgutachtens. Mit dem Sachverständigen wurde eine Honorarvereinbarung getroffen, die sich an der Höhe des Schadens und den Berechnungen der BVSK-Honorartabelle V orientiert. Gleichzeitig wurde auch eine Abtretungsvereinbarung getroffen, wonach der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars in Höhe des Honoraranspruchs einschließlich Umsatzsteuer an den Sachverständigen abtritt. Der Sachverständige trat den ihm abgetretenen Schadensersatzanspruch an die Verrechnungsstelle ab, wobei es in der Weiterabtretung heißt, dass die vorbezeichnete Forderung inklusive aller Nebenrechte und Surrogate an die Verrechnungsstelle abgetreten werden.

Der vom Sachverständigen ermittelte Schaden belief sich auf brutto 2.163,86 €. Für das Gutachten berechnete der Sachverständige entsprechend der Honorarvereinbarung insgesamt 600,95 € brutto. Die Verrechnungsstelle zahlte den berechneten Betrag und forderte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung aufgrund der überreichten Abtretungserklärungen zur Erstattung der berechneten und bezahlten Kosten auf. Die einstandspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zahlte allerdings nur 479,19 €. Der Differenzbetrag von 121,76 € ist Gegenstand des Rechtsstreits. Das zunächst örtlich zuständige Amtsgericht Wermelskirchen hat mit Urteil vom 17.3.2016 – 25 C 252/15 – die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht Köln das erstinstanzliche Urteil mit Berufungsurteil vom 26.10.2016 – 9 S 107/16 – abgeändert und der Klage vollumfänglich stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Revision führte zur Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung zur Auslegung der Abtretungsklausel.

Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Landgericht Köln angenommen, dass dem Geschädigten dem Grunde nach ein Anspruch gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens zustand. Denn diese Kosten gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH DS 2007, 144 m. Anm. Wortmann; BGH NJW 2017, 1875 Rn. 6). Rechtlich unbedenklich ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass der Geschädigte die streitgegenständliche Schadensersatzforderung wirksam an den Sachverständigen abgetreten hat. Die Abtretung verstößt auch nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. In der Einziehung der dem Sachverständigen abgetretenen Schadensersatzforderung durch den Sachverständigen selbst liegt keine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 II RDG vor. Es ist anerkannt, dass ein eigenständiges Geschäft im Sinne des § 2 I RDG nicht vorliegt, wenn eine Kfz-Werkstatt die Einziehung der abgetretenen Schadensersatzansprüche auf Erstattung der Reparaturkosten übernimmt. Für Sachverständige kann daher bei den berechneten Kosten für die Erstellung des Schadensgutachtens nichts anderes gelten (vgl. Otting SVR 2011, 8 ff.).

Wie häufig der Sachverständige im Zusammenhang mit der Erstellung eines Unfallschadensgutachtens zugleich auch die Einziehung des die Sachverständigenkosten betreffenden Schadensersatzanspruchs des Geschädigten übernimmt, ist unerheblich. Denn die Einziehung bleibt bloßer Annex zur Hauptleistung, die in der Erstellung des Schadenshutachtens liegt. Ob dies auch im vorliegenden Fall so ist, kann offenbleiben, denn sie wäre über § 5 I RDG zulässig. Bei den Mietwagenkosten ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannt, dass die Einziehung einer an ein Mietwagenunternehmen abgetretenen Schadensersatzforderung auf Erstattung von Mietwagenkosten durch das Mietwagenunternehmen jedenfalls nach § 5 I RDG grundsätzlich erlaubt ist, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten im Streit steht (BGHZ 192, 270; BGH DAR 2012, 637). Für die Sachverständigenkosten kann nichts anderes gelten. Ist, wie im vorliegenden Streitfall, allein die Höhe der erstattungsfähigen Sachverständigenkosten streitig, so darf der Sachverständige den ihm vom Geschädigten erfüllungshalber abgetretenen Schadensersatzanspruch gemäß § 5 I RDG gegenüber dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer geltend machen.

Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der sachverständige habe die streitgegenständliche Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten. Der erkennende Senat sieht in der Weiterabtretungsklausel eine auszulegende Allgemeine Geschäftsbedingung. Sind mehrere Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar, kommt die Unklarheitenregel des § 305 c II BGB zur Anwendung. Bei der Auslegung der Weiterabtretungsklausel kann nicht mit der notwendigen Klarheit davon ausgegangen werden, dass der von der Verrechnungsstelle geltend gemachte Schadensersatzanspruch von der verwendeten Klausel erfasst wird. In der Honorarvereinbarung wird nämlich von dem Honorar nebst Nebenrechten gesprochen. Nicht klar geregelt ist, ob der werkvertragliche Honoraranspruch und auch der Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten von der Abtretung erfasst ist. Ist jedoch eine Klausel unklar, so kommt § 305 c II BGB zur Anwendung, was das Berufungsgericht nicht in Betracht gezogen hat. Unklarheiten der verwendeten Klausel gehen zu Lasten der Verwenderin. Das Berufungsgericht wird daher aufzuklären haben, wer Verwenderin der unklaren Vereinbarung ist.

Fazit und Praxishinweis: Mit dieser Entscheidung hat der VI. Zivilsenat zunächst klargestellt, dass ein Kfz-Sachverständiger mit der Erstellung von Schadensgutachten zugleich auch die Einziehung des vom jeweiligen Geschädigten an ihn abgetretenen Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten vornehmen kann und darf. In der Einziehung des Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der Sachverständigenkosten liegt kein eigenständiges Geschäft im Sinne des § 2 II RDG vor. Wie häufig der Sachverständige so verfährt, ist unerheblich. Auch wenn der Sachverständige ständig so verfährt, so liegt trotzdem kein eigenständiges Geschäft vor. Mit erfreulicher Klarheit hat der VI. Zivilsenat des BGH auch festgestellt, dass die Kosten für die Erstellung des Schadensgutachtens zu den mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Damit setzt der VI. Zivilsenat des BGH an seine Rechtsprechung seit BGH VI ZR 67/06 (= BGH DS 2007, 144 ff m. zust. Anm. Wortmann) an. Selbst wenn mit einer Mindermeinung die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs auf Erstattung der berechneten Sachverständigenkosten als Rechtsdienstleistung angesehen würde, so ist diese nach § 5 I RDG erlaubt, wenn allein die Höhe der Forderung im Streit steht. Somit hat der BGH nunmehr auch für die Sachverständigen entschieden, was er bereits mit Urteil vom 31.1.2012 – VI ZR 143/11 – für die Mietwagenkosten entschieden hatte. Allerdings hat der BGH insbesondere bei Weiterabtretungen an Verrechnungsstellen in dem obigen Urteil darauf hingewiesen, dass eine saubere Formulierung der Weiterabtretung unumgänglich ist, um eine wirksame Weiterabtretung darzustellen. Unklarheiten bei der Formulierung gehen zu Lasten des Klauselerstellers.
Quellen
    • Foto: Archv Unfallzeitung