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AG Neuss urteilt zu einem Unfall an einer Engstelle
AG Neuss Urteil vom 29.3.2017 – 79 C 653/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

An Engstellen, sei es durch Bauarbeiten oder durch geparkte Fahrzeuge, kommt es immer wieder zu kritischen Situationen, die hin und wieder auch zu Verkehrsunfällen führen. Grundsätzlich gilt, wer das Hindernis auf seiner Seite hat, der hat dem Gegenverkehr Vorrang einzuräumen. Häufig wird dann das wartende Fahrzeug noch überholt. Dann kann es leicht zu einer Kollision der Fahrzeuge kommen. Über einen derartigen Sachverhalt hatte das Amtsgericht Neuss zu entscheiden.
Ein BMW-Fahrer befuhr mit dem von ihm gesteuerten Pkw eine Straße, auf der am rechten Fahrbahnrand geparkte Kraftfahrzeuge standen. Ihm kam ein Kraftfahrzeug entgegen, auf dessen Seite kein Hindernis vorhanden war. Um das entgegenkommende Fahrzeug vorbeifahren zu lassen, lenkte er den von ihm gesteuerten Pkw schräg hinter das am Fahrbahnrand geparkte Fahrzeug. Als das entgegenkommende Fahrzeug die Engstelle passiert hatte, fuhr er los und kollidierte prompt mit einem von hinten kommenden Suzuki-Pkw. Der Eigentümer des Suzuki verlangte daraufhin von dem Versicherer des BMW-Pkws Schadensersatz. Er war der Meinung, die Schuld am Zustandekommen des Verkehrsunfalls läge einzig und allein bei dem Fahrer des BMW. Das sag das angerufene Amtsgericht Neuss anders. Es verurteilte den Versicherer des BMW-Fahrzeugs nur zur Zahlung eine Zweidrittel Betrages.

Die Klage ist zwar zulässig, aber nur zu einem Zweidrittel Anteil begründet. Zwar hat der Fahrer des BMW, als er hinter dem geparkten Fahrzeug wieder losfuhr, gegen § 6 StVO verstoßen. Immerhin ist er losgefahren, als sich die Fahrerin des Suzuki-Pkws bereits neben ihm befand. Durch einen Schulterblick wäre für ihn leicht zu erkennen gewesen, dass sich ein Fahrzeug neben ihm befindet. Er hätte daher warten müssen, um eine Kollision zu vermeiden. Insoweit ist der BMW-Fahrer zum überwiegenden Teil für die Kollision verantwortlich. Aber auch die Fahrerin des Suzuki war am Zustandekommen des Verkehrsunfalls nicht ganz unschuldig. Gemäß § 5 StVO ist ein Überholen nur dann erlaubt, wenn die Verkehrslage klar und damit eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Im zu entscheidenden Fall war nach Ansicht des erkennenden Gerichts die Verkehrslage jedoch unübersichtlich. Der Fahrer des BMW-Pkw stand auf dem Bremspedal. Die Bremslichter leuchteten auf. Auch stand der BMW leicht versetzt hinter dem geparkten Pkw. Die Suzuki-Fahrerin hätte daher leicht erkennen können, dass der BMW nur wegen des entgegenkommenden Verkehrs angehalten hatte und nach dem Passieren des Gegenverkehrs seine Fahrt fortsetzen würde. Der Fahrerin des Suzuki ist daher vorzuwerfen, unaufmerksam gefahren zu sein. Sie hat durch ihr Verhalten den Unfall mitverursacht. Das Gericht bewertet ihr Verhalten zum Zustandekommen des Unfalls mit einem Drittel.

Fazit und Praxishinweis: Wenn ein Verkehrsteilnehmer an einer Engstelle dem entgegenkommenden Verkehr den Vorrang einräumen muss und daher hinter der Engstelle anhält, so muss er sich vergewissern, dass sich von hinten kein Fahrzeug nähert, wenn er hinter der Engstelle wieder losfährt. Auf keinen Fall darf er blindlings losfahren. Wer es dennoch tut, muss bei einer Kollision mit einem überholenden Fahrzeug haften.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung