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Rückblick auf das Jahr 1996: Erfolgreiche Premieren, vergessene Autos und dauerhafte Themen
In Kb-Ausgaben von vor zwanzig Jahren geblättert: Nützlichkeit, Verbrauch, Sicherheit und Komfort bei den Pkw werden wichtiger

RobGal

Vor zwanzig Jahren: Helmut Kohl ist seit 1982 immer noch Bundeskanzler einer CDU/CSU-FDP- Regierung, und Roman Herzog (CSU) amtiert als Bundespräsident. Der US-Demokrat Bill Clinton wird erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Traurig und damals wie heute nicht zu akzeptieren: Bei einem Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Lübeck werden zehn Menschen umgebracht.
1996 verstirbt Frankreichs ehemaliger Staatspräsident, der Sozialist François Mitterrand, außerdem der Verleger und Publizist Henri Nannen, die US-amerikanische Jazz-Legende Ella Fitzgerald und der italienische Filmschauspieler Marcello Mastroianni. Auch Toni Schmücker stirbt. Er leitete zwischen 1975 und 1982 den VW-Konzern und holte ihn aus einer tiefen Krise, indem er Stufenhecklimousinen einführte (Derby, Jetta, Santana) und Audi zur Premiummarke aufwertete. In seine Amtszeit fallen die Einführungen der erfolgreichen Modelle Passat, Scirocco, Golf und Polo sowie von Audi 80 und Audi 50.

Mal wieder Privatisierung
Das Autojahr 1996 fing für die Verbraucher nicht gut an: Weil schon damals die öffentlichen Kassen leer waren, liebäugelte mancher Politiker mit der Privatisierung der Straßen, der Autobahnen wie der Bundes- und Landstraßen. Vorgesehen war die vollständige Herauslösung der Straßeninfrastrukturfinanzierung aus den öffentlichen Haushalten und die Einführung nutzungsabhängiger Entgelte für alle Nutzer. Die Regierenden waren so begeistert, dass "Road Pricing" schnell im Verkehrswegeplan verankert wurde. Doch der damalige Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU), heute Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), stoppte die Straßenbenutzungsgebühr. Deren Einführung wurde zwei Jahre später durch die EU ermöglicht, was auch auf Schienen-, Wasser- und Luftverkehrswege übertragen werden sollte. Mittlerweile ist bekannt, dass privat finanzierte Straßen die Verbraucher teuer zu stehen kommen, wie der Steuerzahlerbund errechnete und auch der Bundesrechnungshof in Bezug zu öffentlich-privaten Projekten (ÖPP) herausfand: Der Staat kann die Verkehrswege nämlich wesentlich günstiger bauen.

Die Pkw-Hersteller brachten 1996 eine Reihe neuer Modelle in die Schaufenster der Autohändler, die heute teils nicht mehr wegzudenken sind. Škoda überraschte mit der Weltpremiere seines neuen Flaggschiffs Octavia, dessen Preisliste bei 22.650 Mark begann, das entspricht 11.600 Euro. Opel präsentierte die Großraumlimousine Sintra, und Hyundai feierte den Marktstart seines knackigen Coupés mit 139 PS. VW stellte die fünfte Generation des Passat vor, der nun als Wettbewerber im Premiumsegment gegen BMW, Mercedes und auch Audi auftrat. Jaguar ließ die Herzen der Liebhaber starker Motoren höher schlagen, als die Briten den ersten Achtzylindermotor ihrer Geschichte präsentierten. Im XK8 hatte das Vierliter-Aggregat (284 PS) seine Premiere. Der an den legendären E-Type erinnernde Sportwagen sorgte mit dafür, dass Jaguar erstmals unter der Regie von Ford Gewinn machte.

Citroën stellte den Saxo vor, einen schlichten Kleinwagen. Der Nachfolger des AX hatte partiell die gleichen Bauteile wie der Peugeot 106. Kia brachte 1996 mit dem Clarus seine erste Mittelklasselimousine nach Deutschland, die sich vom südkoreanischen Vorbild kaum unterschied. Audi feierte die Premiere des A3. Die erste Kompaktreihe der Ingolstädter Premiummarke basierte auf dem VW Golf IV.

Lancia beeindruckte modisch orientierte Autokäufer mit dem neuen Kleinwagen Y, der vor allem in Italien reüssierte und mit einer erstaunlichen Farbpalette von 112 verschiedenen Lacktönen und 134 unterschiedlichen Accessoires auftrat – es gab sogar ein Weidenkörbchen für die Ablage. Konzernmutter Fiat ließ 1996 seine Sportwagenmarke Abarth, die seit 1971 zum Turiner Unternehmen gehört, wieder aufleben. Zunächst allerdings nur für sportliches Zubehör. Erst elf Jahre später, 2007, wurde das erste eigene Fahrzeug aus der Taufe gehoben, der dreitürige Punto Abarth – seitdem ist Abarth die Tuningmarke von Fiat.

Ein Blick zurück in die Gegenwart
Ein technologisches Highlight des Jahres war das Konzeptauto F 200 Imagination von Mercedes auf dem Pariser Autosalon. Die Stuttgarter Autoingenieure hatten im F 200 ihre Vision vom Auto der Zukunft verwirklicht. Das Fahrzeug basierte auf der C-Klasse, hatte weder Pedale noch Lenkrad, stattdessen einen Steuerknüppel (Sidesticks). Auch Innen- und Außenspiegel fehlten, deren Aufgaben übernahmen Kameras in den Dachsäulen. Weitere Innovationen des F 200: Windows-Airbags, Kurvenlicht, Fahrdynamikregelung und Spracherkennung fürs Mobiltelefon, zudem Assistenzsysteme, wie man sie heute in Serienmodellen kennt.

Aber auch die Nützlichkeit stand 1996 auf der automobilen Agenda: Mercedes präsentiert den Großtransporter Vario, den ersten Europäer in der Gewichtsklasse zwischen 4,6 und 7,5 Tonnen. Neu war sein Topaggregat, der 4,3 Liter große Direkteinspritzermotor mit Ladeluftkühlung, Turbolader und 136 PS. Der Einstiegspreis für den Vario begann bei umgerechnet 28.500 Euro, ABS gab es für sage und schreibe 2.250 Euro zusätzlich. Einen Fahrerairbag stellte Mercedes für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht. Beim Start der Hochdachkombis Peugeot Partner und Citroën Berlingo setzte PSA auf Funktionalität, hohe Sitzposition und neuartig großes Stauvolumen. Fiat brachte im gleichen Jahr den Kleintransporter Scudo nach Deutschland. Der vielseitige City-Transporter fand damals kaum Konkurrenten vor. Toyota begann mit dem Picnic sein Angebot an Vans.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: julien tromeur - Fotolia.com

Aktualisierungen zur News 1

  • Teil 2 – Rückblick auf das Jahr 1996: Elektroautos, Brennstoffzellenautos, Drei-Liter-Auto

    Susann Achnitz

    15 Jahre vor der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima: Der letzte französische Atombombentest auf dem Moruroa-Atoll löst 1996 weltweite Proteste gegen den konservativen Präsidenten Jacques Chirac aus. In England gelingt, begleitet von protestierenden Umweltschützern, zum ersten Mal das Klonen eines Säugetiers, des Schafes Dolly. Fokker meldet 1996 Insolvenz an, das Mutterunternehmen Daimler-Benz hatte sich zuvor von dem niederländischen Flugzeughersteller getrennt.

    Umweltschutz wird 1996 großgeschrieben. Die Automobilwirtschaft wirbt mit gedrosseltem Kraft-stoffverbrauch, es gibt bereits etliche Elektroautos. Als erster europäischer Autovermieter nimmt Europcar, 1996 noch eine VW-Tochter, mit dem Golf City-Stromer ein Elektroauto ins Angebot. Der Elektro-VW konnte jedoch ausschließlich am Frankfurter Hauptbahnhof gemietet werden. Da war die Schweiz schon weiter. Sie war 1996 das Elektroauto-Land Nummer eins in Europa: Es gab 14 Anbieter und 21 Elektromodelle mit Reichweiten von bis zu 250 Kilometern. Frankreich subventionierte bereits 1996 den Kauf eines Elektroautos.

    Vom VW Golf City-Stromer wurden in einem Jahr nur hundert Stück abgesetzt. Er kostete 1996 über 40.000 Mark (etwa 20.500 Euro). Aber auch Citroën wurde elektrisch und präsentierte den AX Electrique Anfang des Jahres beim Genfer Salon. Fiat wartete mit der Elektrostudie Zic auf, einem futuristisch gezeichneten Kleinstwagen, und mit dem Panda Elettra, der hierzu-lande nur dreißig Käufer fand. Renault hatte den Elektro-Clio als Rallyeversion in Genf dabei (Reichweite: 40 Kilometer), VW den City-Stromer als Stadtlieferwagen. Das erste Hybridauto aus dem Hause Renault wurde als Prototyp vorgestellt. Basis des Hymne war der Kleintransporter Rapid, er wurde wechselweise durch den 1,1-Liter-Motor des Clio (65 PS) oder durch einen 20 PS starken E-Motor angetrieben. Die Energie stellte eine Nickel-Kadmium-Batterie bereit.

    Auf dem Genfer Autosalon im Frühjahr waren die Stromer insgesamt jedoch kaum ein Thema. Die Hürden waren damals die gleichen wie heute: mangelhafte Ladeinfrastruktur, geringe Reichweiten, Batterieproblemen und sehr hohe Kaufpreise. Doch anders als heute wurden die meisten Projekte vor zwanzig Jahren nicht weiter verfolgt – immerhin wurden sie später wieder aus den Schubladen geholt.

    Eine von Automobilkonzernen und dem Bundesforschungsministerium durchgeführte Untersuchung zur Alltagstauglichkeit von Elektroautos auf Rügen fand 1996 ihren Abschluss. Die Versuchsstromer hatten zwischen 1992 und 1996 im Schnitt 25.000 Kilometer zurückgelegt, einige kamen auf 40.000 Kilometer. Im selben Jahr entwickelte Sony Lithium-Ionen-Akkus für Elektroautos, die ursprünglich für Videokameras und Mobiltelefone entwickelt worden waren.

    Woran das Umweltbundesamt heute bestimmt nicht mehr gern erinnert wird: Einer seiner Abteilungsleiter sagte 1996 auf einer VW-Veranstaltung, dass Elektroautos "heute keinen Sinn" mach-ten. Wegen der künftigen geringen Abgasgrenzwerte für konventionelle Motoren trügen die Stromer nicht zur Entlastung der Luft in den Innenstädten bei. Es sei unsinnig, die schweren Batterien mitzuschleppen und dadurch den Verbrauch zu erhöhen, meinte der Umweltexperte damals.

    1996 gab der Wasserstoffantrieb seinen Einstand. Mercedes und Toyota stellten Prototypen von Brennstoffzellenautos vor: Basis für den Toyota FCHV war das SUV RAV4, bei Mercedes war es die A-Klasse mit langem Radstand. Der Antriebsstrang des Mercedes F-Cell wurde im Sandwichboden des Wagens untergebracht.

    Greenpeace macht bei der IAA mit
    Sinnfälliger Ausdruck für das wachsende Umweltbewusstsein war auch, dass die Tankstellen ab Oktober 1996 kein verbleites Superbenzin mehr anboten. Das Blei sollte die Klopfeigenschaften des Motors senken, schädigt aber die Umwelt. Ab den siebziger Jahren wurde der Bleigehalt im Benzin nach und nach reduziert, bleifreies Benzin wurde billiger und die Motoren vom Blei unabhängig gemacht. Die Automobillobby hatte in den siebziger Jahren noch den "Tod von Millionen Motoren" durch bleifreies Benzin vorausgesagt. Bis 1996 war der Marktanteil des bleifreien Kraftstoffs auf über 96 Prozent gestiegen.

    Etwas Besonderes war auch der Auftritt von Greenpeace bei der Pkw-IAA 1996. Die Umweltaktivisten protestierten nicht wie sonst mit einer spektakulären Aktion vor den Messetoren, vielmehr präsentierten sie sich in der Messe – und zwar mit einem Auto: dem ersten Drei-Liter-Auto der Welt. Den umgebauten Renault Twingo nannte Greenpeace Twingo Smile.

    Als Meilenstein im Motorbau stellte Opel 1996 den ersten direkteinspritzenden Dieselmotor mit vier Ventilen für den Serieneinsatz vor, eine Eigenentwicklung. Die Hochdruckeinspritzpumpe steuerte Bosch bei. Der neue Motor verbrauchte 17 Prozent weniger Sprit und wurde als 2,0- und 2,2-Liter-Aggregat mit 80, 100 und 120 PS angeboten. Volkswagen hatte vor 20 Jahren von Polo über Golf bis Passat Variant bereits 17 Modelle im Programm, die im Normdurchschnitt rund fünf Litern verbrauchten, ausnahmslos Dieselmodelle mit Direkteinspritzung. Volvo begann im Sommer 1996 als weltweit erster Hersteller, Pkw mit geregelten Dreiwegekatalysatoren in die USA zu exportieren, davor waren nur ungeregelte Kats im Einsatz. In Deutschland waren1996 bereits 75 Prozent aller zugelassenen Fahrzeuge mit einem Katalysator ausgestattet.

    Aral eröffnete 1996 in Kassel die erste öffentliche Erdgastankstelle, heute gibt es bundesweit rund 900 CNG-Stationen. Als eine der ersten Autoproduktionsstätten in Europa hatte das damals noch bestehende Opel-Werk in Bochum 1996 das Öko-Audit-Zertifikat erhalten. Mercedes wollte als erster Produzent das bis zu 20 Kilogramm schwere Ersatzrad loswerden, um Gewicht und damit Kraftstoff zu sparen. Weil jedoch leichte Noträder bei den Kunden nicht gut ankamen, versuchten es die Stuttgarter mit einem Faltrad, danach mit dem Reparaturset "Tirefit"; das sich bis heute im Einsatz befindet.

    Sicherheit: Aktive Kopfstütze gegen Schleudertrauma
    Auch auf die Sicherheit wurde 1996 geachtet. Saab entwickelte zusammen mit dem Zulieferer Delphi die aktive Kopfstütze "Pro-Tech" gegen das gefürchtete Schleudertrauma. Der schwedische Autobauer, der zur Zeit von dem japanisch-chinesischen Konsortium NEVS als Elektroautohersteller wiederzubeleben versucht wird, führt 1996 zudem das Fellow-me-Home genannte Lichtsystem ein, welches das Abblendlicht nach dem Abschalten des Motors eine Minute lang anlässt, damit man im Dunkeln den Weg zur Haustür oder Einfahrt findet. Das EU-Parlament verabschiedet eine neue Norm für Seitenaufprallcrashtests. Neuentwickelte Modelle müssen ab Oktober 1998 dieser Norm entsprechen. Ford startet mit dem Ka, er ist einer der ersten Kleinstwagen und kommt besonders bei den Autofahrerinnen überaus gut an.

    Der ADAC führt im Frühjahr 1996 das Staumeldersystem ein, bei dem Autofahrer einen Stau via Mobiltelefon melden, was dem Klub ermöglicht, besonders aktuell über Wartezeiten auf den Autobahnen zu informieren. Vor allem Geschäftsreisende machten mit, bis zum Sommer hatten sich 15.000 Autofahrer als Staumelder registriert – die ADAC-Staumelder gibt es bis heute. Diskutiert wurde 1996 über ein flächendeckendes Tempolimit von 30 km/h für den Innerortsbereich. Der damalige Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU), heute Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), war jedoch dagegen, weil solch ein Limit eine Scheinsicherheit erzeuge.

    Das Bundesverwaltungsgericht lehnt 1996 eine Regel-MPU (medizinisch-psychologische Untersuchung) für Berufskraftfahrer ab. An Autobahnraststätten entstehen bundesweit die ersten Frauenparkplätze. An der A 9/A 99 zwischen Nürnberg und München wird Deutschlands erstes Autobahnparkhaus für Pkw und Busse eröffnet. Damit soll die Münchener Innenstadt vom Autoverkehr entlastet werden. In Düsseldorf plant man das erste Parkhaus für Fahrräder. Es wird erst 13 Jahre später im September 2009 mit 500 Stellplätzen eröffnet.