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LKW-Kartell: MAN zu Schadenersatz gegenüber Kunden verurteilt
Ein Grundsatzurteil, das Auswirkungen auf die vielen anhängigen Verfahren haben wird

RobGal

Die für Kartellsachen zuständige Kammer des Landgerichts Hannover hat im Zusammenhang mit Vorwürfen von Preisabsprachen zwischen großen Lkw-Herstellern kurz vor Weihnachten ein Grundsatzurteil gefällt. Die Stadt Göttingen hatte MAN verklagt. Ähnlich wie viele andere Kommunen hatte die niedersächsische Stadt bei dem in München ansässigen Lkw-Produzenten mehrere Nutzfahrzeuge gekauft. Zwischen 2001 und 2010 erstand die Stadt Lastwagen für die Müllabfuhr und die Feuerwehr sowie Fahrgestelle im Verkaufswert von insgesamt 2,3 Millionen Euro.
Durch Preisabsprachen zwischendiversen Lkw-Herstellern sind der Stadt unrechtmäßig erhöhte Kosten entstanden,wie die Kläger vor Gericht ausführten. Sie forderten 335.000 Euro von MAN. DieRichter gaben der Stadt nun in Teilen Recht, und zwar bezogen auf Müllwagen,die zwischen 2004 und 2009 für 1,7 Millionen Euro gekauft worden waren. Einegenaue Schadenssumme, die bei Kartellverfahren immer schwer zu taxieren ist, mussallerdings noch festgelegt werden, und zwar in einem gesonderten underfahrungsgemäß sehr langwierigen Verfahren. Dazu hat der niedersächsischeStädte- und Gemeindebund inzwischen ein Gutachten in Auftrag gegeben, dasermitteln soll, wie hoch der Schaden für andere Kommunen zu veranschlagen ist.Allerdings ist das Urteil aus Hannover noch nicht rechtskräftig, MAN kann nochBerufung einlegen.

Den Hintergrund bildenVorwürfe, dass mehrere Hersteller in den Jahren von 1997 bis 2011 geheimePreisabsprachen getätigt hätten. Mit DAF, Daimler, Iveco, MAN, Scania undVolvo/Renault sind so gut wie alle europäischen Großproduzenten involviert. DenVorgang hatte MAN mit einer Selbstanzeige gegenüber der EU-Kommissioninitiiert. Diese beendete daraufhin ihre Ermittlungen im Sommer 2016 undbelegte die betroffenen Unternehmen mit dem enormen Kartellbußgeld voninsgesamt vier Milliarden Euro. Einzig MAN blieb wegen seiner Kronzeugenrolleverschont. Gleichwohl schützt die Entscheidung des Landgerichts in Hannovernicht vor Zivilklagen.

Gericht lässt Hauptargumenteder Verteidigung nicht gelten

Der Rechtsstreit zwischenGöttingen und MAN ist zwar ein vergleichsweise kleines Verfahren, allerdingstraf das Landgericht Hannover ein Grundsatzurteil, bei dem es sich mitzentralen Fragen auseinandersetzen musste, die auch andere Verfahren betreffen.Die Richter zeigten sich von ihrer Entscheidung sehr überzeugt und ließen auchnicht das Hauptargument der Verteidigung gelten, wonach die Stadt dievorgeblich erhöhten Preise an die Nutzer der städtischen Dienstleistungenweitergegeben habe. Das Gericht sah die Voraussetzung für dieses„Pass-on“-Argument als nicht gegeben an, weil die Abnehmer der städtischenDienste nicht in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Schließlich gebees weder für die Feuerwehr noch für die Müllabfuhr eine Wettbewerbssituation,wie das Gericht erklärte, nicht im Verhältnis zu anderen Kommunen und auchnicht zwischen den Bürgern als Kunden.

Ein weiteres zentrales Argumentder Verteidigung erkannten die Hannoveraner Richter nicht an: MAN verwies aufdie EU-Kommission, die Absprachen nur bezogen auf die Listenpreise festgestellthatte. Göttingen habe aber nicht den Listenpreis gezahlt. Das mache nichts,reagierte das Gericht, denn der (überhöhte) Listenpreis sei der Ausgangspunktfür die konkreten Preisverhandlungen gewesen.

Überdies sind noch weitereKlagen anhängig, in den Medien ist von mehr als hundert die Rede, Tendenzsteigend. So haben sich 3.200 Speditionen aus neun Ländern gemeinsam an das Gerichtin München gewandt, um mehr als 500 Millionen Euro Schadensersatz von mehrerenLkw-Herstellern zu fordern, zusammen mit den Zinsen könnte daraus leicht eineMilliarde Euro werden. Zum anderen haben sich mindestens 40 Unternehmen und dieBundeswehr unter dem Dach der Deutschen Bahn versammelt, um ihre Forderungenwegen 35.000 angeblich zu teuer gekaufter Lkw mit einer Erwerbssumme von mehrals zwei Milliarden Euro gerichtlich geltend zu machen, auch hier geht es umeinen dreistelligen Millionenbetrag. Allerdings ist offen, ob diese Klage vorGericht zugelassen wird, denn das deutsche Recht sieht Sammelklagen nicht vor.Das versuchen die betroffenen Firmen dadurch zu umgehen, dass sie ihreAnsprüche abtreten, beispielsweise an die Deutsche Bahn – ein Schritt, der inder Vergangenheit auch schon mal abgewiesen wurde.
Dennoch: Die Lawine ist insRollen gekommen.
Quellen
    • Text: Olaf Walther/Kristian Glaser (kb)
    • Foto: © Zerbor - Fotolia.com