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AG Cuxhaven sieht Werkstattrisiko beim Schädiger und verurteilt zur Zahlung weiterer Standkosten
AG Cuxhaven Urteil vom 4.1.2018 – 5 C 538716 -

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Nach einem Verkehrsunfall gibt der Geschädigte regelmäßig ein Schadensgutachten in Auftrag, um seinen voraussichtlichen Schaden beziffern und beweisen zu können. In dem Schadensgutachten kalkuliert der Sachverständige die Höhe der Schäden und die voraussichtlichen Reparaturkosten und die voraussichtliche Dauer der Reparatur. Sobald der Geschädigte das verunfallte Fahrzeug zur Reparatur gegeben hat, ist es seiner Einflusssphäre entzogen. Daher hat die Rechtsprechung zu Recht das Werkstattrisiko dem Schädiger angelastet.
Mithin trägt der Schädiger das Werkstattrisiko. Wenn es dadurch zu längeren Standzeiten kommt, gehen diese ebenfalls zu Lasten des Schädigers. Das gilt nach Ansicht des AG Cuxhaven auch, wenn es zu Verzögerungen bei der Leasinggeberin kommt. Über die Erstattung weiterer Standkosten musste nunmehr das AG Cuxhaven entscheiden, nachdem die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung die von der Werkstatt berechneten Standkosten nicht in voller Höhe vorgerichtlich ersetzt hatte. Das AG Cuxhaven gab dem Geschädigten in vollem Umfang Recht.

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall hatte der Geschädigte bei einem Kfz-Sachverständigen ein Schadensgutachten in Auftrag gegeben, nachdem die Leasinggeberin damit einverstanden war, denn das verunfallte Fahrzeug war geleast. Da nachdem Sachverständigengutachten das Fahrzeug total beschädigt war, kam nur noch eine Verschrottung des Fahrzeugwracks in Betracht. Dafür war allerdings die Vorlage der Zulassungsbescheinigung II erforderlich. Die Leasinggeberin übersandte die zur Realisierung des Restwertes erforderliche Zulassungsbescheinigung allerdings erst zum 19.9.2016 übersenden. Das Fahrzeug stand daher in der Zeit vom 13.8. bis 19.9.2016 auf dem Hof der Werkstatt, die für diese 38 Tage Standkosten berechnete. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung zahlte jedoch nur einen Teil der Standkosten. Der Differenzbetrag von 330,-- € ist Gegenstand der Klage vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Cuxhaven. Die Klage hatte Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Geschädigte hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus den §§ 115 Abs. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG i.V.m. §§ 7, 17, 18 StVG auf Zahlung weiterer Standkosten von 330,-- €. Gemäß § 249 Abs. 2 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich, denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist zwar nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Zu diesen Kosten gehören bei Verkehrsunfällen grundsätzlich auch die Standkosten.

Erstattungsfähig sind jedoch nur die Kosten für jenen Zeitraum, der für die Prüfung der Art der zu wählenden Schadensbeseitigung erforderlich ist (OLG Celle NJW-RR 2016, 1497,1499). Hier war aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten ein Zeitraum von 38 Tagen vom 13.8.2016 bis 19.9.2016 für diese Prüfung erforderlich, weil die Leasinggeberin vorher die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht herausgegeben hat, die erforderlich war, um das totalbeschädigte Fahrzeug verschrotten zu lassen. Dass es möglicherweise auf Seiten der Leasinggeberin zu Verzögerungen bei der Schadensbearbeitung gekommen ist, kann wiederum nicht dem geschädigten angelastet werden. Der Geschädigte hat es als Leasingnehmer nicht in der Hand, die internen Abläufe bei der Leasinggeberin zu beschleunigen.

Es widerspräche dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 1 BGB, wenn der Geschädigte im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen sind, weil die Schadensabwicklung in einer fremden, weder vom Geschädigten noch vom Schädiger kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Das Werkstatt- und Prognoserisiko liegt eindeutig bei dem Schädiger (vgl. auch zum Werkstattrisiko: LG Bad Kreuznach NJW-RR 2015, 227, 229).

Fazit und Praxishinweis: Unstreitig trägt der Schädiger das Werkstatt- und Prognoserisiko. Verzögerungen in dem Wiederherstellungsablauf gehen daher zu Lasten des Schädigers und dessen Kfz-Haftpflichtversicherer. Das gilt insbesondere für Verzögerungen im Reparaturablauf, weil Ersatzteile fehlen und besorgt werden müssen. Das gilt aber auch, wenn die Zulassungspapiere bei der Leasinggeberin angefordert werden müssen und es dort zu Verzögerungen kommt, denn sowohl der Reparaturablauf und auch der Wiederherstellungsablauf sind der Einflusssphäre des Geschädigten entzogen. Er kann keinen Einfluss auf die Geschehensabläufe nehmen.
Quellen
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