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Kürzung der Kosten für 2. Fotosatz durch Haftpflichtversicherung ist rechtswidrig
AG Bitterfeld-Wolfen Urteil vom 12.1.2018 – 7 C 800/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Immer wieder kürzen die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall die vom Kfz-Sachverständigen berechneten Kosten, den der Geschädigte zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe hinzugezogen hatte. In jüngster Zeit werden dabei besonders die Kosten für einen zweiten Fotosatz gekürzt oder gar ganz gestrichen.
Die einstandspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer sind dabei der Ansicht, diese Kosten seien nicht erforderlich zur Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes. Hierauf hat der Geschädigte aber gemäß § 249 I BGB Anspruch. Auch der BGH hat bereits mehrfach höchstrichterlich entschieden, dass die berechneten Sachverständigenkosten zu den mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist. Zu der Begutachtung gehört auch, dass der Geschädigte als Auftraggeber ein Originalgutachten mit Lichtbildern erhält. Da auch der ersatzverpflichtete Versicherer ein Gutachten mit Lichtbildern erhalten möchte, sind mindestens 2 Fotosätze erforderlich, aber auch zweckmäßig. In dem jüngst vom Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen entschiedenen Rechtsstreit hatte die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG aus der Rechnung des vom Geschädigten beauftragten Kfz-Sachverständigen die Kosten für den 2. Fotosatz nicht erstattet. Das angerufene Gericht gab der beklagten Versicherung nicht Recht und verurteilte zur Zahlung der gekürzten Sachverständigenkosten.

Im Juni 2016 ereignete sich im Amtsgerichtsbezirk Bitterfeld-Wolfen ein Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug Opel-Astra-Caravan der Geschädigten, amtliches Kennzeichen SK-H …, durch das bei der beklagten HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG versicherte Fahrzeug beschädigt wurde. Die Geschädigte beauftragte einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Der Gutachter berechnete mit Rechnung vom 11.6.2013 seine Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 812,69 €. Darin enthalten waren auch Kosten für einen zweiten Fotosatz sowie weitere Schreibkosten. Diese Schadenspositionen in Höhe von insgesamt 185,37 € kürzte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung. Da sich die Geschädigte mit der Kürzung nicht einverstanden erklären konnte, wurde die restliche Schadensersatzforderung bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen rechtshängig gemacht. Sie Klage hatte Erfolg. Die HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG wurde zur Zahlung von 185,37 € nebst Zinsen und Mahnkosten verurteilt.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Geschädigte kann von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung Ersatz der berechneten Sachverständigenkosten gemäß der Rechnung vom 11.6.2013 verlangen. Soweit die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung von der Rechnung des Sachverständigen teilweise Abzüge vorgenommen hat, so im Hinblick auf die Kopierkosten – 2. Fotosatz und Schreibkostenkopie -, ferner dargelegt hat, dass die Lichtbilder zu hoch berechnet worden seien, ebenso das Porto und die Schreibkosten, greifen diese Einwendungen im Ergebnis nicht durch. Die Erforderlichkeit und vor allem die Angemessenheit der von dem Sachverständigen in seiner Rechnung vom 11.6.2013 eingestellten Positionen begegnen keinen durchgreifenden Bedenken. Die sogenannte VKS-BVK-Honorarumfrage für das Jahr 2015 stellt dabei auf die Ermittlung der üblichen Vergütung auch für das Jahr 2013 eine taugliche Schätzgrundlage gemäß § 287 ZPO für das Gericht dar (vgl. AG Leipzig Urt. v. 9.8.2017 – 103 C 9163/16). Daraus ist ersichtlich, dass sich die von dem Sachverständigen berechneten Positionen innerhalb der Bandbreite der Honorarrahmen hält. Auch wenn die Geschädigte die Rechnung noch nicht voll bezahlt hat, bestehen hinsichtlich der Berechtigung zur Geltendmachung der restlichen Schadensbeträge keine Bedenken. Die Geschädigte vermag daher weitergehende Zahlung zu verlangen.

Fazit und Praxishinweis: Zu Recht hat das erkennende Gericht die beklagte HUK-COBURG Allgemeine Versicherungs AG zur Zahlung weiteren Schadensersatzes verurteilt. Der der Geschädigten entstandene Schaden liegt bereits in der Sachverständigenkostenrechnung, denn diese bildet gegenüber der Geschädigten eine Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung, unabhängig davon, ob die Rechnung bereits bezahlt ist oder noch nicht. Unabhängig davon, ob die berechneten Positionen der Rechnung angemessen sind oder nicht, ist die Geschädigte um den Rechnungsbetrag in ihrem Vermögen geschmälert. Wenn die Rechnung bereits bezahlt ist, ist der Vermögensnachteil bereits eingetreten. Ist sie noch nicht bezahlt, tritt der Vermögensnachteil später durch die Verpflichtung zur Ausgleichung der Rechnung ein. Wenn der Schädiger bzw. dessen Versicherer der Ansicht ist, die berechneten Kosten seien werkvertraglich überhöht, so ändert das schadensersatzrechtlich zunächst nichts an der Pflicht zum vollständigen Schadensausgleich, allerdings kann der Schädiger nach Abtretung vermeintlicher Bereicherungsansprüche durch den Geschädigten an ihn, den Vorteilsausgleich gegenüber dem Sachverständigen suchen (vgl. Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.).
Quellen
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