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Einfach gelagerte Verkehrsunfälle gibt es heute nicht mehr – Anwaltskosten sind zu ersetzen
Amtsgericht Hamburg Urteil vom 31.1.2018 – 20 a C 451/17 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Nicht nur bei den Sachverständigenkosten, sondern auch bei den notwendigen Anwaltskosten versuchen die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer nach einem von ihnen zu regulierenden Verkehrsunfall immer wieder zu kürzen. Die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer argumentieren häufig, dass ein einfach gelagerter Verkehrsunfall vorliege, der keine Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes benötigt.
So musste sich das örtlich zuständige Amtsgericht Hamburg die Frage entscheiden, ob die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung nach der Beschädigung eines Mietfahrzeuges durch ihren Versicherungsnehmer verpflichtet ist, die angefallenen Rechtsanwaltskosten des Mietwagenunternehmens zu ersetzen. Das Amtsgericht Hamburg ging davon aus, dass es einfach gelagerte Verkehrsunfälle nicht mehr gibt und verurteilte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten in voller Höhe.

Durch einen von dem Fahrer des bei der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versicherten Kraftfahrzeuges wurde der Mietwagen des klagenden Mietwagenunternehmens beschädigt. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung ersetzte allerdings nicht die Kosten des vorgerichtlich beauftragten Rechtsanwaltes der Klägerin. Die vorgerichtlichen rechtsanwaltskosten sind daher Gegenstand des Rechtsstreites vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Hamburg. Die Klägerin beantragte, sie von den vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 169,50 € freizustellen. Die Klage hatte Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet. Die Haftung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall ist dem Grunde nach unstreitig. Der Klägerin steht auch der Schadensersatzanspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung der berechtigten Schadensersatzforderungen gehört heute zu den erforderlichen Kosten der Schadensbeseitigung. Der Einwand der beklagten Kfz-Versicherung, es handele sich um einen einfach gelagerten Verkehrsunfall und die Klägerin verfüge über besondere Sachkompetenz, so dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich gewesen wäre, greift nicht durch (so auch AG Hamburg- St. Georg Urt. v. 27.4.2016 – 917 C 121715). Den einfach gelagerten Verkehrsunfall, wie ihn der BGH in der Entscheidung vor 23 Jahren angenommen hat, den gibt es heute nicht mehr. Selbst wenn die Haftung dem Grunde nach vergleichsweise einfach erscheint, so ist heute die Schadensabwicklung zur Höhe in jedem Fall so vielschichtig geworden, dass die Einschaltung eines Rechtsanwaltes regelmäßig erforderlich und zweckmäßig erscheint.

Allenfalls bei Geschädigten, die ihrerseits über vergleichbare Kenntnisse verfügen wie Fachanwälte für Verkehrsrecht, erscheint die sofortige Beauftragung eines Rechtsanwaltes nicht zwingend erforderlich und damit dann auch dessen vorgerichtliche Kosten nicht erstattungsfähig. Derart juristisch spezialisiert ist die Klägerin, die ein Fahrzeugvermietungsgeschäft betreibt, nicht. Zumindest hat die Beklagte dies nicht vorgetragen. Jenseits dessen liegt aber auch nach den Kriterien der früheren BGH-Rechtsprechung kein einfach gelagerter Fall vor. In dem vom BGH entschiedenen Fall war ein Pkw in eine Leitplanke gefahren. Im streitgegenständlichen Unfall waren zwei Kraftfahrzeuge beteiligt. Auch wusste die Klägerin als Autovermieterin von dem Verkehrsunfall zunächst nichts. Auch aus diesem Grunde scheidet ein einfach gelagerter Fall aus.

Fazit und Praxishinweis: Wie das erkennende Amtsgericht Hamburg bereits zutreffend festgestellt hat, gibt es regelmäßig keine einfach gelagerten Verkehrsunfälle mit anschließender Schadensregulierung mehr. Die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer kürzen die berechtigten Schadensersatzpositionen an allen Ecken und Kanten. Mittlerweile ist auch die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung so unübersichtlich geworden, dass es bereits der Einschaltung von Fachanwälten für Verkehrsrecht bedarf, um seine berechtigten Schadensersatzansprüche nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall durchzusetzen. Daher ist grundsätzlich zur Schadensregulierung die Einschaltung eines qualifizierten Rechtsanwalts zweckmäßig, aber auch erforderlich. Die dadurch entstehenden Anwaltskosten sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, die von dem eintrittspflichtigen Schädiger bzw. dessen Kfz-Haftpflichtversicherer zu ersetzen sind. Ähnlich hat jüngst auch das Amtsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 24.1.2018 – 50 C 208/17 – entschieden (die Unfallzeitung berichtete am 27.2.2018 darüber!).
Quellen
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