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Nach Schadenskürzungen durch Versicherer sind Kosten der sachverständigen Stellungnahme zu erstatten
Amtsgericht Fürth Urteil vom 28.3.2018 – 320 C 2204/17 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Die einstandspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer versuchen doch mit allen Mitteln – ob rechtlich zulässig oder nicht –, ihre Schadensregulierungspflicht zu minimieren, wo es nur geht. So werden wahllos Schadenspositionen gekürzt, obwohl zur Kürzung objektiv kein Grund besteht. In dem Rechtsstreit, der dem Amtsgericht Fürth zur Entscheidung vorlag, hatte die Allianz Versicherung AG als eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung den Schadensersatzanspruch des Geschädigten um – sage und schreibe – 2.141,36 € gekürzt.
Wegen der Schadenskürzungen holte der Geschädigte eine schriftliche sachverständige Stellungnahme ein. Diese schriftliche Stellungnahme berechnete der Sachverständige mit insgesamt 418,29 €. Da die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung nicht bereit war, diese durch die ihre Kürzungen verursachten Kosten der Stellungnahme zu erstatten, musste der Geschädigte zur Durchsetzung seiner Rechte gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen. Die Klage vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Fürth (Bayern) war überwiegend erfolgreich.

Nach einem Verkehrsunfall hatte der Geschädigte zur Beweissicherung und zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe an seinem Kraftfahrzeug einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen beauftragt. Aufgrund des Schadensgutachtens hatte der Geschädigte seinen Schaden bei der eintrittspflichtigen Allianz Versicherung AG zur Regulierung angemeldet. Die Allianz Versicherung AG kürzte den Schadensersatzanspruch des Geschädigten um insgesamt 2.141,36 €. Die von der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung vorgenommenen Schadenskürzungen ließ der Geschädigte durch den von ihm hinzugezogenen Kfz-Sachverständigen überprüfen und bat um eine schriftliche, sachverständige Stellungnahme. Diese erstellte der Sachverständige und berechnete dem Geschädigten dafür 418,29 €. Diesen Betrag wollte die Allianz Versicherung AG ebenfalls nicht zahlen. Der Geschädigte klagte daher vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Fürth die berechneten Kosten der Stellungnahme ein. Die Klage hatte bis auf einen geringen Betrag von 15,40 € Erfolg.

Die zulässige Klage ist größten Teils begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung von 402,89 €. Der Geschädigte hat das Recht, einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten PKW zu beauftragen und kann von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verlangen. Das Gutachten war erforderlich, um die Höhe des Schadensersatzes zu ermitteln. Dabei sind diejenigen Aufwendungen als erforderlich anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Das Gebot zur wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung verlangt jedoch vom Geschädigten nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er selbst Schaden zu tragen hätte (vgl. BGH VI ZR 225713).

Auch ist die erneute Begutachtung durch den vom Geschädigten hinzugezogenen Sachverständigen A. C. auf Grund der Kürzung der beklagten Haftpflichtversicherung im Hinblick auf die Reparaturkosten erforderlich. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die beklagte eintrittspflichtige Kfz-Versicherung, die ihrerseits die Rechnung des Geschädigten gutachterlich überprüfen lässt, damit rechnen muss, dass auch der Geschädigte diese gekürzte Rechnung wiederum an den Gutachter zur Stellungnahme vorlegt. Da die Beklagte die vom Sachverständigen berechnete Schadensersatzforderung um 2.141,36 € kürzte, handelt es sich hier um eine nicht nur geringfügige Abweichung. Wenn die Versicherungen Kürzungen in diesem erheblichen Ausmaß vornehmen, müssen Sie ebenfalls damit rechnen, dass der Geschädigte, sich weitere fachliche Hilfe holt, um seine Ansprüche zu begründen. Andernfalls könnten Versicherungen jederzeit Kürzungen vornehmen, ohne ein Risiko, weitere Kosten für sich zu verursachen und somit den Streit der Begründetheit der Ansprüche auf den Rücken der Geschädigten austragen.

Für die Einholung dieses Ergänzungsgutachtens ergab sich auf Grund der Kürzungen ein rechtfertigender Anlass, somit war das Gutachten zur Rechtsverfolgung notwendig (vgl. auch OLG Hamm, Urteil vom 14.7.1986 – 13 U 283/85 -). Es handelt sich hier auch nicht um rein rechtliche Ausführungen, sondern um u.a. technische Begründung für die Berechnung des merkantilen Minderwertes. Der hierfür angesetzte Betrag von 418,29 € erscheint im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO mit einer geringen Kürzung von 15,40 € angemessen. Die Reduzierung der Nebenkosten erfolgt nach Ansicht des erkennenden Gerichts aus der Kürzung der Sachverständigenkostenrechnung bei Schreibkosten und Kopien. Zu dieser Reduzierung ist das erkennende Gericht aus § 287 ZPO berechtigt. Die übrigen Rechnungsposten sind nicht zu beanstanden.

Fazit und Praxishinweis: Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das erkennende Gericht zu Recht dem Geschädigten die von dem Kfz-Sachverständigen berechneten Kosten der sachverständigen Stellungnahme zugesprochen hat. Wenn die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung ihrerseits das vom Geschädigten eingereichte Schadensgutachten überprüfen lässt, so ist aus dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit dem Geschädigten zuzugestehen, die von der Versicherung vorgenommenen Kürzungen sachverständig überprüfen zu lassen. Bei diesen Überprüfungskosten handelt es sich um Vermögensnachteile des Geschädigten, die über § 249 Abs. 1 BGB von dem Schädiger auszugleichen sind, weil diese Kosten der Stellungnahme unmittelbar mit dem Verkehrsunfall zusammengehören und zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig sind (vgl. BGH VI ZR 67/06 Rn. 11). Der Streit um Sachverständigenkosten darf nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden. Der vom Geschädigten hinzugezogene Sachverständige ist nämlich der Erfüllungsgehilfe des Schädigers (vgl. OLG Naumburg DS 2006, 283 ff.). Fehler des Sachverständigen – auch bei der Rechnungsstellung – gehen daher grundsätzlich zu Lasten des Schädigers. Daher war die vom Gericht vorgenommene Kürzung des Rechnungsbetrages nicht rechtens. Der vom Gericht erwähnte § 287 ZPO gibt dem Gericht keine Möglichkeit, eine Preiskontrolle durchzuführen. Vielmehr sind der Schädiger oder dessen Versicherer und das Gericht im Schadensersatzprozess nicht berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen (BGH VI ZR 211/03; BGH VI ZR 67/06 Rn. 13).
Quellen
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