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AG Frankenthal widerspricht eintrittspflichtigem Kfz-Versicherer und spricht Anwaltskosten dem Geschädigten zu
AG Frankenthal Urteil vom 30.5.2018 – 3c C 49/18 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

In jüngster Zeit verweigern die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer nach einem für den Geschädigten unverschuldeten Verkehrsunfall nicht nur die berechtigten Schadensbeträge, sondern auch die Erstattung der notwendigen Anwaltskosten. Sie sind der Ansicht, bei einfach gelagerten Schadensfällen sei die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich. Sie vergessen bewusst dabei, dass es nach der herrschenden Rechtsprechung der Untergerichte keine einfach gelagerten Fälle mehr gibt. Denn die Rechtsprechung ist selbst für Verkehrsrechtsanwälte durch die Unzahl von Urteilen mittlerweile so unübersichtlich geworden, dass ein Normalbürger seinen eigenen Unfallschaden gegen die übermächtigen, mit Rechtsabteilungen versehenen Kfz-Haftpflichtversicherer nicht mehr alleine durchsetzen kann.
Zu Recht hat daher auch das angerufene Amtsgericht Frankenthal den zu entscheidenden Rechtsfall nicht als einfach gelagert angesehen und die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung auferlegt. Zudem muss die beklagte Kfz-Versicherung auch die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Am 11.9.2015 wurde das Kraftfahrzeug des Geschädigten durch den Fahrer des bei der später beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versicherten Fahrzeugs beschädigt. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung haftet zu einhundert Prozent. Gleichwohl erstattete sie dem Geschädigten nicht den vollen Schadensbetrag. Zunächst leistete sie unter Bezugnahme auf einen Prüfbericht auf die geltend gemachten Reparaturkosten nur einen Teilbetrag von 1.256,93 €. Nachdem der Geschädigte einen Rechtsanwalt seiner Wahl eingeschaltet hatte, zahlte die beklagte Kfz-Versicherung den Restbetrag, verweigerte allerdings die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten . Sie war der Ansicht, dass es sich im vorliegenden Fall um einen einfach gelagerten Fall gehandelt habe und der Geschädigte die Schadensregulierung hätte alleine durchführen können. Der Geschädigte sei in geschäftlichen Dingen erfahren. Der Geschädigte klagte die vorgerichtlichen Anwaltskosten bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Frankenthal ein. Die Klage hatte Erfolg.

Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung schuldet dem Kläger auch die im Rahmen der Rechtsverfolgung angefallenen Rechtsanwaltskosten . Zutreffend gehen beide Parteien bezüglich der Erstattungsfähigkeit vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten im Rahmen eines bestehenden Schadensersatzanspruchs von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus, wonach die Einschaltung eines Rechtsanwaltes in nicht einfach gelagerten Fällen stets, ansonsten aber nur dann erforderlich ist, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregulierung verzögert wird (BGH NJW 2015, 3450 Rn. 55; BGH NJW 1995, 446; Palandt-Grüneberg BGB 77. A. § 249 Rn. 57). Die Frage, ob ein einfach gelagerter Fall vorliegt, ist dabei auf der Grundlage des gegebenen Sachverhalts zu beurteilen. Es ist eine Einzelfallbeurteilung anzustellen, weshalb sich eine schematische Betrachtungsweise verbietet und das erkennende Gericht sich nicht der verbreiteten, vom Kläger zitierten Auffassung anschließt, dass es einen einfach gelagerten Fall bei Verkehrsunfällen grundsätzlich nicht gebe. Hier lag aber offensichtlich ein einfach gelagerter Fall nicht vor. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hatte, trotz einhundertprozentiger Haftung, nur einen Teilbetrag als Schadensersatz gezahlt. Erst mit dem Anwalt6sschreiben vom 20.10.2015 erfolgte durch die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung die Nachzahlung. Daher war die abschließende Schadensregulierung nur auf das Nachhaken des Rechtsanwalts des Klägers zurückzuführen. Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe stellt sich daher als erforderlich dar, weil der Fall sich gerade aus der Sicht der Beklagten eben nicht einfach gelagert war, sondern bezüglich der Höhe der angemeldeten Schadensersatzforderungen einer Prüfung bedurfte. Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten sind entstanden. Der Höhe nach sind dem geschädigten regelmäßig die sich aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ergebenden gesetzlichen Gebühren und Kosten zu erstatten (BGH NJW 2015, 3447, 3451 Rn. 57). Die vom Kläger beanspruchten vorgerichtlichen Anwaltskosten entsprechen den gesetzlichen Gebühren und Kosten. Sie sind daher von der Beklagten an den Kläger zu erstatten.

Fazit und Praxishinweis: Anders als das erkennende Gericht in seinen Urteilsgründen aufgeführt hat, nämlich dass es bei Verkehrsunfällen nicht regelmäßig um nicht einfach gelagerte Fälle handele, vertritt die Unfallzeitung die Ansicht, dass mit der herrschenden Ansicht der Rechtsprechung es sich bei der Schadensregulierung von Verkehrsunfallschäden grundsätzlich um nicht einfach gelagerte Fälle handelt. Aufgrund der vielzähligen Entscheidungen ist der Normalbürger überfordert, seinen eigenen Unfallschaden ohne anwaltliche Hilfe erfolgreich ersetz zu erhalten. Schon allein zu den Kosten eines Sachverständigen, der beweissichernd den Schadensumfang und die Schadenshöhe feststellt, sind vom BGH mehr als zehn Entscheidungen getroffen worden. Im vorliegenden Fall ging es auch um Ausfallzeiten und Vorhaltekosten. Der Normalbürger kann mit derartigen Begriffen kaum etwas anfangen. Bezeichnend ist auch, dass die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung aufgrund des Anwaltsschreibens die Nachzahlung veranlasst. Insoweit war die Einschaltung eines Rechtsanwalts auch schon im vorgerichtlichen Zeitraum erforderlich. Bei Verkehrsunfällen gibt es in jüngster Zeit aufgrund des Regulierungsverhaltens der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer keine einfach gelagerten Fälle mehr.
Quellen
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