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Reformen: Der Straßenverkehr in Europa soll sicherer werden
Das EU-Parlament macht fünfzig Vorschläge für mehr Verkehrssicherheit. Die Vorschläge liegen nun bei der EU-Kommission und den einzelnen Staaten

RobGal

„Vision Zero“ bezeichnet das große Ziel aller Unfallforscher, die Sicherheit im Straßenverkehr so zu verbessern, dass die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten auf Null sinkt. Bis zum Jahr 2050 soll die Vision Wirklichkeit geworden sein. 1997 von der schwedischen Regierung ins Leben gerufen, hat sich der Slogan „Jeder kommt an, keiner kommt um“ inzwischen weltweit Aufmerksamkeit verschafft. Für diese anspruchsvolle Aufgabe muss alles verbessert werden: die Fahrzeuge, die Infrastruktur, und auch die Autofahrer müssen besser geschult und sensibilisiert werden, damit ein faires, rücksichtsvolles und kompetentes Verkehrsverhalten Schule macht.
Vor diesem Hintergrund haben die für Verkehr und Verbraucherschutz zuständigen EU-Parlamentsausschüsse einen umfangreichen Initiativbericht erarbeitet. Er wurde bereits im November vergangenen Jahres vom Parlament mehrheitlich angenommen und nun der EU-Kommission und den Parlamenten der Mitgliedsstaaten zur Expertise vorgelegt.

Bei den insgesamt 50 Forderungen fällt auf, dass weniger die schöne neue Welt der autonom fahrenden Autos beschworen wird, in der es angeblich fast keine Verkehrsunfälle mehr geben wird. Vielmehr wird mehr Sicherheit für alle heutigen Verkehrsteilnehmer gefordert. So steht auf Platz eins des Initiativberichts ein Appell an die Mitgliedsstaaten für „effiziente und regelmäßige Kontrollen der Fahrer“. Grund dafür sind die Hauptunfallursachen, die in überhöhter Geschwindigkeit, Ablenkung, Alkohol beziehungsweise Drogen am Steuer sowie Übermüdung bestünden, wie der stellvertretende Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Dieter Koch (CDU), hervorhebt. Unter anderem werden „strengere Kontrollen“ zur Einhaltung der maximal zulässigen Arbeitszeit und zur Gewährleistung der Ruhezeiten für Berufskraftfahrer gefordert. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Lkw-Fahrer im Fernverkehr unter dem Zeitdruck von Arbeitgebern und Auftraggebern kaum in der Lage sind, die vorgegebenen Ruhezeiten einzuhalten. Was noch dadurch verschärft wird, dass die Zahl der Lkw-Parkplätze an den deutschen Autobahnen seit Jahren schon erheblich zu gering ist. Mit der Folge, dass die Lkw-Fahrer entweder wild an der Autobahn parken, was gefährlich ist, oder über Gebühr lange einen Rastplatz suchen müssen. Schärfere Strafen sollen hier nach Auffassung der EU-Politiker eine abschreckende Wirkung entfalten. Dabei sollte allerdings berücksichtigt werden, dass der Fahrer als das letzte Glied in der Kette oft von Polizei und Gerichten zur Verantwortung gezogen wird, Arbeitgeber und Auftraggeber in der Regel aber ungeschoren davonkommen.

Die Parlamentarier schlagen ferner die Einführung einer EU-weiten 0,0-Promillegrenze für Fahranfänger in den ersten zwei Jahren nach Erhalt der Fahrerlaubnis vor. Auch für Berufskraftfahrer soll ein absolutes Alkoholverbot gelten. Hintergrund ist die erschreckende Tatsache, dass ein Viertel aller Verkehrstoten in Europa dem Alkohol zuzuschreiben ist. Einige EU-Staaten, darunter Rumänien, Tschechien und Ungarn, haben die Null-Promille-Grenze am Steuer bereits eingeführt.

Die Infrastruktur muss verbessert werden
Folgt man den Aussagen des Initiativberichts, sind Europas Straßen in keinem guten Zustand. Denn die EU-Parlamentarier wenden sich mit einer eindringlichen Aufforderung an die EU-Staaten, „ihre Straßeninfrastruktur durch regelmäßige und wirksame Instandhaltung – einschließlich der Verkehrsschilder und Fahrsignalanlagen – maßgeblich zu verbessern“. Die Leitplanken sollten so gestaltet werden, dass gestürzte Motorradfahrer durch einen Anprall nicht noch zusätzliche Verletzungen erleiden.

Die Hälfte der in der EU tödlich verunglückten Verkehrsteilnehmer sind Fußgänger und Radfahrer, die älter als 65 Jahre sind. Damit nicht genug: Straßenverkehrsunfälle gehören zu den häufigsten Todesursachen junger Menschen. Daher wollen die EU-Parlamentarier den „älteren Menschen und jungen Fahrern eine sichere Teilnahme am Verkehr ermöglichen“ und sollen die Städte altersspezifische Programme entwickeln, um Gefahren vorzubeugen. Überhaupt sollen die schwächeren Verkehrsteilnehmer stärker berücksichtigt werden, indem die Städte „kritische Unfallschwerpunkte in Angriff“ nehmen und die Fußgänger- und Fahrradinfrastruktur ausbauen.

Die EU-Politiker haben außerdem festgestellt, dass es Radfahrer gibt, die die Verkehrsregeln nicht kennen oder missachten, wodurch es „manchmal zu Situationen kommt, in denen die Sicherheit des Radfahrers selbst und der anderen Nutzer öffentlicher Straßen gefährdet sein kann“. Die EU-Kommission soll sich deshalb Gedanken machen, wie sich das Fahrradfahren „harmonisch mit den anderen städtischen Verkehrsteilnehmern verknüpfen lässt“. Ein ausgesprochen erfolgreiches Beispiel dafür gibt es in Kopenhagen. In der dänischen Hauptstadt wurde ein vom restlichen Verkehr weitgehend eigenständiges Radwegenetz errichtet, das großen Zuspruch erfährt und gleichzeitig zur Verbesserung der Sicherheit beiträgt. Generell schlagen die EU-Parlamentarier vor, die Autodichte in den Städten aus Gründen der Sicherheit zu reduzieren, etwa durch die Förderung von „kollektiver und geteilter Mobilität“.

Der Initiativbericht befasst sich auch mit den Fahrerassistenzsystemen in Autos. So sollen Spur- oder Notbremsassistenten obligatorisch mit Fußgänger- und Radfahrererkennung in Personenwagen und Transportern vorgeschrieben werden. Die Front der Lkw soll für eine bessere Sicht umgestaltet werden, wie überhaupt weniger tote Winkel entstehen sollen, damit Fußgänger und Radfahrer besser erkannt und Zusammenstöße vermieden werden. Für die Vordersitze aller Autos und für die Rücksitze von Pkw und leichten Transportern wünschen sich die Autoren des Initiativberichts die verbindliche Ausrüstung mit Gurtanpassungssystemen. Diese verhindern die sogenannte Gurtlose nach dem Anschnallen, damit der Sicherheitsgurt von Anbeginn an eng anliegt. Gleichzeitig möchte man verhindern, dass die Autos durch den Einbau neuer technischer Systeme für die Kunden unerschwinglich werden. Die elektronischen Helferlein sollen ferner regelmäßig überprüft werden und in der Fahrausbildung behandelt werden.
Quellen
    • Foto: © benqook – fotolia.com | Text: Beate M. Glaser (kb)