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Lkw: Abbiegeunfälle mit Radfahrern verhindern
Abbiegeassistent: Nötig, aber nicht nachgefragt - Beratungen in der EU zur Einbaupflicht ziehen sich hin - Forderungen nach nationalem Alleingang und Maßnahmen zur Förderung

RobGal

Diese Unfälle ereignen sich meist im Stadtverkehr, ihre Folgen sind gravierend: Fahrer von schweren Lkw mit bis zu 40 Tonnen Gewicht übersehen beim Rechtsabbiegen kreuzende Fahrradfahrer, der ungeschützte Mensch gerät unter die Räder. Solch ein Unfall endet oft tödlich. Nach Aussage des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) waren es in diesem Jahr bundesweit bereits 23 Fahrradfahrer, die bei solchen Zusammenstößen ums Leben kamen.
Auch wenn in Lastwagen spezielle Spiegel vorgesehen sind, um die Seitensicht gegen den toten Winkel abzudecken, ereignen sich diese furchtbaren Unfälle immer wieder, oft, weil der Fahrer im quirligen und komplexen Stadtverkehr überfordert ist und unter Zeitdruck steht. Sicherheitsexperten weisen schon seit längerem auf dieses Problem hin.

Mitte Juli initiierte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die „Aktion Abbiegeassistent“. Dazu waren Vertreter der Lkw-Hersteller, der Speditionsbranche, der Prüforganisationen, von Auto- und Radfahrverbänden sowie Experten für Verkehrssicherheit eingeladen. Es wurde die Frage erörtert, wie sich Lastwagen möglichst schnell und verbindlich mit einem Abbiegeassistenten ausrüsten lassen. Diese Warnvorrichtung ist mit einem Radarsensor vor der Hinterachse des Zugfahrzeuges verbunden und blinkt bei einer möglichen Kollision in der Fahrerkabine auf, damit der Fahrer zügig reagiert, zudem ertönt ein akustisches Signal.

Mercedes-Benz ist zur Zeit der einzige Lkw-Hersteller, der ein solches System anbietet. Es kostet bis zu 2.500 Euro und wird von den Käufern aus der – stark unter Konkurrenzdruck stehenden – Speditions-, Logistik- und Transportbranche kaum bestellt, obwohl die zusätzlichen Kosten im Vergleich zum Anschaffungspreis eines neuen Lastwagens mit in der Regel deutlich über 100.000 Euro gering sind. Das mag auch der Grund sein, weshalb sich andere Lkw-Bauer mit dem Angebot für ein solches System zurückhalten und die Weiterentwicklung zu einem automatisch abbremsenden Assistenten auf sich warten lässt.

Fordern und fördern
„Zukünftig sollte kein Lkw mehr unterwegs sein, der nicht mit einem Abbiegeassistenten ausgerüstet ist“, sagte Minister Scheuer. Er kündigte an, dass die neuen Fahrzeuge, die für seinen Zuständigkeitsbereich angeschafft werden, beispielsweise für die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen, mit dem Warnsystem ausgestattet sein werden. Vorhandene Lastwagen sollen sukzessive nachgerüstet werden. Das Vorhaben bezieht sich auf leichte Lkw ab 3,5 Tonnen bis hin zu den Schwer-Lkw. Mehrere Unternehmen aus dem Einzelhandel, der Logistik und der Entsorgungsbranche unterstützen die Aktion des Bundesverkehrsministers und haben zugesagt, den Abbiegeassistenten in ihrer Flotte einzuführen. Der Minister kündigte zudem an, mit einem staatlichen Subventionsprogramm weitere Firmen zum Einbau anzuregen.

Dem ging voraus, dass der Bundesrat Anfang Juni auf Antrag Berlins die Bundesregierung aufgefordert hatte, den Einbau von Abbiegeassistenten zu fördern und sich bei den Versicherungen für entsprechenden Prämienrabatte einzusetzen. Zudem soll sich der Bund in der Europäischen Union für die schnelle Einführung von Abbiegeassistenten in Lkw ab 7,5 Tonnen Gesamtgewicht stark machen.

In der EU wird zwar über die Abbiegeassistenten verhandelt, jedoch ziehen sich die Beratungen hin, weil es Schwierigkeiten bei der Harmonisierung gibt. Außerdem möchten manche Länder auch die leichteren Transporter einbeziehen. Die EU plant nun, die Bestimmung erst 2022 fertig zu haben. Beobachter befürchten, dass es weitere Jahre dauern würde, bis die Fahrzeuge dann auch ausgestattet wären.

Der ADFC drängt daher auf ein schnelleres Verfahren in der EU, um die Einführung des Abbiegeassistenten bis spätestens 2019 zu erreichen. Der Speditionsverband DSLV hält einen bundesdeutschen Alleingang für möglich. Die Grünen vertreten die Auffassung, dass das bereits über eine Änderung der Straßenverkehrsordnung zu bewerkstelligen ist.

Die Bewegung für mehr Sicherheit speziell für die ungeschützten Verkehrsteilnehmer ist groß. Sicherheitsexperten haben berechnet, dass durch die Einführung des Abbiegeassistenten pro Jahr 200 Unfälle mit schwerverletzten oder getöteten Radfahrern verhindert werden könnten. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass auch durch eine verbesserte Infrastruktur die Verkehrssicherheit erhöhen würde und dass Stress und Überforderung im Arbeitsalltag der Berufskraftfahrer, auch durch gesetzliche Maßnahmen, gemindert werden muss.
Quellen
    • Foto: © sogmiller - Fotolia.com | Text: Olaf Walther/Kristian Glaser (kb)