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Verkaufsstau: Neue Autos auf Halde
Der neue, schärfere Prüfzyklus WLTP führt zu Verkaufsstaus bei den Autoherstellern | Kam er für die Autohersteller überraschend? | Partikelfilter für Benzinmotoren

RobGal

Ab kommenden September gilt die strengere europäische Abgasnorm Euro 6c für Pkw-Erstzulassungen. Die Autos müssen dann dem realitätsnäheren Prüfzyklus WLTP (Weltweit einheitliches Testverfahren für Leichtfahrzeuge) unterzogen werden, bevor sie auf die Straße dürfen. Nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) steigen die im WLTP ermittelten Normverbrauchswerte der Autos um durchschnittlich 20 Prozent. Also müssen die Hersteller etwas tun, um die Grenzwerte einzuhalten.
Der VDA kritisiert, dass die Europäische Union die Vorlaufzeit zur WLPT-Einführung zu kurz gewählt habe. Zudem erfordere die neue Prüfprozedur eine stärkere Segmentierung der Produktpalette. Insgesamt vervielfache sich der Aufwand gegenüber dem bisherigen Testverfahren. Der VDA wirft der EU-Kommission eine „überhastete Regulierung“ vor, welche die Hersteller „in große Schwierigkeiten“ bringe.

Weil alle neuen Pkw-Modelle in Europa den neuen Prüfzyklus zu durchlaufen haben, kommen Hersteller, technische Dienste und Behörden nicht hinterher. Die Folge ist, dass die Käufer nun auf ihre gewünschten Fahrzeuge warten. Audi und Porsche geben erst gar keine Liefertermine an, und Volkswagen vertröstet seine Kunden recht ungenau auf das Jahresende. Die Wolfsburger haben sich laut ihrem Chef Herbert Diess zwar früh auf die Umstellung vorbereitet, doch die Techniker des Konzerns seien durch die Aufarbeitung des Dieselskandals stark eingebunden gewesen. Bis zu 250.000 VW-Fahrzeuge werden nun auf Halde produziert und müssen irgendwo geparkt werden, zum Beispiel auf dem Gelände des noch nicht fertiggestellten Berliner Flughafens. Das Ganze soll dem Unternehmen Kosten in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro bereiten.

Anderen Herstellern geht es ähnlich. Daimler hat wegen der Verzögerung im Absatz bereits eine Gewinnwarnung für das laufende Jahr ausgegeben. BMW kommt mit der Umstellung zwar etwas besser zurecht, der 7er mit Benzinmotor wird aber erst im übernächsten Jahr wieder bestellbar sein. Immerhin ist er das Oberklasseflaggschiff des Münchener Autobauers.

Ganz so überraschend, wie der VDA angibt, kam die Umstellung jedoch nicht, schließlich sind die neuen EU-Grenzwerte seit 2011 bekannt. Auch wenn zu dieser Zeit von realitätsnäheren Testzyklen noch nicht dezidiert die Rede war, ist schon länger klar, dass strengere Verfahren kommen würden; spätestens seit dem ersten Bekanntwerden von Dieselmanipulationen durch dieselben Hersteller, die sich nun beklagen.

Die Rußpartikel der Benziner
Es geht vor allem um die Rußpartikel im Abgas von Benzinmotoren. Bereits Ende der 2000er Jahre wies das Umweltbundesamt darauf hin, dass die Partikelemissionen moderner Benziner genauso gefährlich sind wie die von Dieselautos, und verlangte von der Autoindustrie Gegenmaßnahmen. Denn im Zuge der Bemühungen um Verbrauchs- und CO2-Minderung durch Downsizing werden immer kleinere Motoren auf eine immer höhere Leistung gebracht. Bei der dafür notwendigen Direkteinspritzung mit hohem Druck wird Kraftstoff nicht ganz verbrannt, dadurch entstehen feinste Rußpartikel. Die können als Mikrofeinstaub in die menschliche Lunge gelangen, sich dort ansammeln und Krebs hervorrufen. Die Zahl der Benzinmotoren mit Direkteinspritzung nimmt seit Jahren deutlich zu und damit auch die Gefährdung. Dieses Problem, so meint auch der ADAC, hätte früher erkannt und gelöst werden können.

Die von der EU-Kommission ab September 2019 verlangten Testverfahren im realen Straßenbetrieb (Real Driving Emissions, RDE) schreiben zudem vor, dass der Grenzwert bei den Partikelemissionen mit jedem in der EU angebotenen Kraftstoff, auch minderer Qualität, eingehalten wird. Diese Vorgaben sind aber nur mit einem Ottopartikelfilter (OPF) realisierbar, darin sind sich die Experten einig. Bei Dieselmotoren sind solche Partikelfilter längst üblich. Warum nicht auch bei den Benzinern?

Der „Spiegel“ deckte kürzlich in einer Titelgeschichte auf, dass sich führende deutsche Autohersteller bereits 2009 darauf verständigten, die Einführung eines Ottopartikelfilters zu verschleppen, und zwar aus Kostengründen. Darüber hinaus vereinbarten sie, politischen Druck auf die EU-Kommission auszuüben, um die Einführung schärferer Grenzwerte für Ottomotoren zu verzögern. Dann wurde aber der Dieselskandal aufgedeckt und brachte einiges ins Rollen.
Quellen
    • Foto: © fotohansel - Fotolia.com | Text: Olaf Walther (kb)