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Asphalt: Maßgeschneidert für jede Straße
Schweizer Wissenschaftler forschen am Rezept für den idealen Asphalt

RobGal

Sie sind zum Sinnbild für eine vernachlässigte Infrastruktur geworden: die Schlaglöcher. Sie gefährden Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer, beschädigen die Fahrzeuge und lassen den Verkehr ins Stocken geraten. Auch die berüchtigten „Aufplatzer“ (Blow-ups) an heißen Tagen auf der Autobahn zählen in diese Kategorie; nur weil beim Straßenbau nicht selten am Material gespart oder bei der Herstellung gepfuscht wurde, müssen die Auto- und noch mehr die Motorradfahrer diese schlecht erkennbaren Auswölbungen der Fahrbahnoberfläche fürchten.
Und dann sind da noch der zunehmende Verkehr, die schier endlosen Lkw-Kolonnen, tropische Temperaturen im Sommer und Frost im Winter – das alles belastet die Fahrbahn und sorgt mit der Zeit für Spurrillen und Schlaglöcher. „Das Ziel der Asphaltforschung ist es daher, Straßenbeläge zu entwickeln, die den Belastungen möglichst lange standhalten“, erklärt Martins Zaumanis, seines Zeichens Asphaltforscher an der Eidgenössischen Material- und Prüfungsanstalt (Empa) der Schweizer Regierung.
Für eine stark befahrene Straße in einer gemäßigten Klimazone stehen andere Anforderungen im Vordergrund als für eine eher selten frequentierte Bergstraße, die im Winter tiefen Minustemperaturen ausgesetzt ist. „Mit modernen Technologien ist es möglich, die Eigenschaften des Asphalts so einzustellen, dass er zum Beispiel widerstandsfähiger gegen Risse und rutschfester oder leiser wird – oder dass das Wasser besser ablaufen kann“, betont Zaumanis. So soll der Straßenbelag „möglichst lange den Belastungen standhalten“.

Gestein und Bitumen

Asphalt besteht in der Hauptsache aus nur zwei Komponenten: aus Gestein von unterschiedlicher Korngröße, das eine Stützfunktion übernimmt, und aus Bitumen, das ist eine aus Erdöl gewonnene klebrige Masse, die als Bindemittel dient und die Masse zur besseren Verarbeitung zähflüssig macht. Das Mischverhältnis dieser beiden Materialien hat Auswirkungen auf die Eigenschaften des Endprodukts Asphalt. Weitere Faktoren sind die Größe der Poren, die Zusatzstoffe und moderne Technologien wie etwa tiefe Produktionstemperaturen. Auf diese Weise ergeben sich unzählige Mischvarianten. Doch welche ist für welchen Anwendungsfall die geeignetste?

Zu diesem Zweck entwickelten die Schweizer Materialforscher eine Methode, die sie „leistungsbasiertes Mischdesignprinzip“ nennen. Dabei wird vorab festgelegt, welche Eigenschaften er braucht. Danach werden die entsprechenden „Zutaten“ in ihrer Qualität und Quantität ausgewählt. Die so erzeugte Asphaltmischung lässt man künstlich altern, um sie dann auf ihre Eigenschaften zu überprüfen. Entspricht das Resultat nicht den Erwartungen, wird die Mischung Schritt für Schritt und so lange verändert, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist. Was sich theoretisch einfach anhört, ist in der Praxis hochkomplex, denn es spielen Zielkonflikte und zig Faktoren mit nahezu unendlich vielen Variationsmöglichkeiten eine Rolle.

Materialforscher Martins Zaumanis hat auf Basis bisherigen Forschungsergebnisse eine Matrix erstellt, die den Einfluss des jeweiligen Bestandteils auf die Eigenschaften des Endprodukts genau beschreibt, beispielsweise ein hohes Maß an Widerstandsfähigkeit gegen Spurrinnen oder gegen Feuchtigkeit, gegen Rissbildung bei hoher Temperatur oder bei schwerer Belastung durch Lastwagen. Zu den Zielgrößen gehört aber auch eine gute Verarbeitbarkeit, denn die optimale Mischung ist zwecklos, wenn sie sich nicht handhaben lässt. „Diese Matrix soll künftigen Asphalt designern helfen, die Eigenschaften des Straßenbelags mit möglichst wenigen Schritten feinzujustieren“, erklärt der Zaumanis.

Ein hoher Anteil an Bitumen im Asphalt schützt gegen Risse durch starken Lkw-Verkehr, was etwa für rechte Autobahnspuren oder Zufahrten geeignet ist, denn der Asphalt wird dadurch weicher. Gleichzeitig erleichtert das aber die Bildung von Spurrillen. Dieser Zielkonflikt lässt sich durch die Beimischung von Zusatzstoffen beheben, von Kunstgummi etwa. Dann müssen die Forscher sich jedoch damit auseinandersetzen, dass sich die Masse schwerer verarbeiten lässt.

In Zukunft soll es den Asphaltproduzenten mit Hilfe der Schweizer Mischdesignmethode möglich sein, in wenigen Schritten zum gewünschten Asphalttyp kommen. Zuvor müssen die Empa-Forscher noch Kriterien und Prüfmethoden entwickeln, wie Zaumanis dem kraftfahrt-berichter gegenüber betonte. Das sei erforderlich, damit die Straßenbauämter eine zuverlässige Vorhersage für die Wirkung eines bestimmten Gemisches für eine konkrete Fahrbahn treffen und so über dessen Annahme oder Ablehnung entscheiden können.

Der Vorteil des Verfahrens liegt nicht nur darin, dass die Asphaltmischung streckenspezifisch ausgerichtet werden kann. Auch der Einsatz von Recyclingstoffen wird erleichtert. In einem aktuellen Projekt hat die Empa einen Asphalt entwickelt, „der komplett aus gefrästem Altasphalt besteht“, der sonst weggeschmissen würde, wie Zaumanis erläutert. „Das heißt, wir können Kosten sparen und gleichzeitig umweltfreundlich sein, was mit den aktuellen Asphaltdesign-Prinzipien nicht möglich ist“, sagt Zaumanis. Das Schweizer Mischdesignverfahren erlaubt es also, ökologischer und gleichzeitig kostengünstiger vorzugehen.

Davon profitieren auch die Autofahrer: Denn je länger der Straßenbelag den Belastungen des Verkehrs standhält, umso weniger muss ausgebessert oder erneuert werden und umso weniger Baustellen gibt es.
Quellen
    • Foto: News-Reporter.NET | Text: Beate M. Glaser (kb)