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Diesel-Kompromiss – fauler Kompromiss?

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Nachdem bereits in München, Düsseldorf, Stuttgart, Aachen und Frankfurt am Main Diesel-Fahrverbote für unsaubere Dieselfahrzeuge durch Gerichte verhängt wurden und in Hamburg freiwillig Dieselfahrverbote für zwei Straßen eingerichtet wurden, wurde auch die Politik rege. Das Diesel-Fahrverbot für Frankfurt am Main, die Pendlerstadt in Deutschland, war wohl der ausschlaggebende Punkt, jetzt doch eine bundeseinheitliche Regelung herbeizuführen.
Bekanntlich war bereits vor einem Jahr die Dieselkonferenz einberufen worden. Diese kam jedoch zu keinem nennenswerten Ergebnis, da sich die Automobilhersteller strikt gegen Nachrüstungen auf ihre Kosten wehrten. Die Politik knickte daraufhin ein und sprach auch von Umtauschprämien als Option. Jetzt ist seit letzter Woche ein sogenannter Diesel-Kompromiss gefunden worden. Es handelt sich aber nur um einen sogenannten Kompromiss, denn wieder einmal ist die Politik wohl von der Automobilindustrie an der Nase herumgeführt worden. Der gefundene Kompromiss ist nicht das Papier wert, auf dem er geschlossen wurde. Er ist ein fauler Kompromiss.

Zwar kam mit dem gerichtlich ausgesprochenen Diesel-Fahrverbot für Frankfurt am Main (die Unfallzeitung berichtete darüber) und den sich daraus ergebenden Folgen Bewegung in die Lösung der Diesel-Affäre. Nach dem getroffenen Dieselkompromiss sind die Automobilhersteller in Deutschland jetzt doch bereit, Kosten für den Umtausch älterer Diesel-Fahrzeuge gegen neuere, angeblich saubere Diesel-Fahrzeuge zu tragen. Die Automobilhersteller haben eine Umtauschprämie von bis zu 10.000,-- € angeboten. Dies gilt aber nicht für jeden alten Dieselwagen und auch nicht für jedes Fabrikat. So will der VW-Konzern zwischen 4.000,-- € und 10.000,-- €, abhängig vom Wert des Fahrzeugs, das der Kunde im Austausch gegen das Altfahrzeug nehme, zahlen. Daimler-Benz will eine Umtauschprämie zwischen 3.000,-- € und 10.000,-- € zahlen und BMW eine Umtauschprämie von pauschal 6.000,-- €. Die Umtauschprämien machen aber zur Lösung des Diesel-Skandals keinen Sinn. Der Käufer manipulierter Diesel-Fahrzeuge ist schlicht und ergreifend von der Automobilindustrie betrogen worden. Mithin hat der Käufer eine mangelhafte Sache erworben, als er sich für den Kauf eines angeblich sauberen Diesel-Fahrzeugs entschied. Wer betrügt, muss allerdings nach bundesdeutschem Recht haften. Der Käufer kann Wandlung des Kaufvertrages verlangen, was die Rückabwicklung des Kaufvertrags bedeutet. Der Käufer gibt das gekaufte und mangelhafte Fahrzeug zurück und erhält im Gegenzug den Kaufpreis abzüglich der Nutzungsvorteile zurück. So steht es im Bürgerlichen Gesetzbuch. So muss es auch beim Kauf von Diesel-Fahrzeugen gehen. Einige Gerichte hatten bei VW-Diesel-Fahrzeugen auch bereits so entschieden. Aber auch diesen Weg will die Automobilindustrie möglichst vermeiden. Klarheit könnte das nunmehr gesetzlich eingeführte Sammelklageverfahren bringen. Allerdings wird eine höchstrichterliche Entscheidung in einem solchen Verfahren noch einige Jahre auf sich warten lassen. Aber die Zeit drängt.

Nach dem Willen der Automobilindustrie sollen die Umtauschprämien nur in den besonders hoch belasteten Ballungsgebieten gelten. Zunächst waren 14 besonders betroffene Städte angedacht. Diese Lösung ist aber unpraktikabel. Denn was soll der außerhalb der Stadt wohnende Pendler, der jeden Morgen in die belastete Stadt herein und abends wieder herausfährt, tun? Soll der auf eigene Kosten ein angeblich sauberes Diesel-Fahrzeug kaufen, während sein Arbeitskollege, der in der belasteten Stadt wohnt, einen Kaufzuschuss von der Automobilindustrie erhält? Nein! Das kann es nicht sein. Im Übrigen dürfte auch der Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 des Bonner Grundgesetzes verletzt sein. Also muss auch das Umland der betroffenen Städte mit einbezogen werden. Aber wo soll dann die Grenze gezogen werden? Bei 20 oder 50 Kilometern? – Nein, alles das kann das Problem nicht lösen. Als besonders belastet gelten die Städte München, Hamburg, Köln, Düsseldorf, Stuttgart, Bochum, Kiel, Darmstadt, Heilbronn, Ludwigsburg, Reutlingen, Düren, Limburg und Backnang. Was passiert aber in Frankfurt am Main, wo 2019 das Diesel-Fahrverbot gelten soll? Was passiert in Essen oder Dortmund, wo Verwaltungsgerichte demnächst vielleicht Diesel-Fahrverbote verhängen werden? Was geschieht in Berlin, wo in Kürze das Verwaltungsgericht über Diesel-Fahrverbote entscheiden wird? Es wäre absurd, wenn in Berlin keine Umtauschprämien gezahlt würden, gleichwohl aber Diesel-Fahrverbote gelten werden? Zahlt der Staat für seine Diesel-Dienstfahrzeuge dann aus eigener Tasche die Umrüstungen? Wohl kaum! Also kann nur eine einheitliche, für das gesamte Bundesgebiet geltende Regelung erfolgen.

Die Lösung des Diesel-Skandals kann nur darin liegen, dass auf Kosten der Automobil-Industrie die Umrüstung durch Hardware-Austausch vorgenommen wird. Denn nur durch den Hardware-Austausch wird das Fahrzeug mangelfrei. Durch die Abgasmanipulationen war der Kunde durch die Hersteller dahingehend hinters Licht geführt worden, er würde ein sauberes Dieselfahrzeug kaufen. Dass diese ein Betrug war, kippte erst durch den VW-Betrug in den USA auf. Aufgrund des Betruges ist der Käufer in seinem Vermögen geschädigt. Er hat nicht den ihm angepriesenen sauberen Diesel erhalten, sondern einen, mit dem er jetzt noch nicht einmal ohne Behinderungen in Deutschland in jede Stadt fahren kann. Diesen Nachteil, der auch den Wert des Fahrzeugs betrifft, muss die Automobilindustrie als Verursacher ausgleichen. Dieser Ausgleich kann nur dadurch erfolgen, dass die Automobilindustrie den manipulierten Diesel wieder zurücknimmt und den Kaufpreis abzüglich der Nutzungsvorteile erstattet. An dieser eigentlich einfachen Lösung ändert auch nicht, dass die Automobilindustrie Gutscheine für die Nachrüstung von älteren Diesel-Fahrzeugen ausgibt. Mit diesen Gutscheinen sollen dann Nachrüstungen durch Zulieferer vorgenommen werden können. Allerdings will die Automobilindustrie keine Gewähr übernehmen. Auch das ist wieder ein fauler Kompromiss. Aufgrund des zwischen dem Autohändler und dem Kunden abgeschlossenen Kaufvertrages über ein angeblich sauberes Diesel-Fahrzeug hat der Kunde als Käufer Anspruch auf ein mangelfreies Dieselfahrzeug. Dass die Mangelfreiheit gegeben ist, dafür muss der Verkäufer einstehen. Mithin muss der Verkäufer bzw. der Automobilhersteller dafür sorgen, dass die zur Mangelfreiheit erforderliche Hardware-Umrüstung durch ihn bzw. seine Erfüllungsgehilfen vorgenommen wird. Somit muss er auch die Haftung für die Mangelfreiheit übernehmen und kann diese nicht auf Dritte abwälzen. Das wäre ohnehin ein Vertrag zu Lasten Dritter, der dem BGB fremd ist.

Als fauler Kompromiss kann auch nur gesehen werden, wenn die Automobilindustrie lediglich 80 Prozent der Umrüstkosten übernehmen will. Der Diesel-Fahrer, der im Vertrauen auf die Angaben der Automobilhersteller einen angeblich sauberen Diesel gekauft hat, würde dann letztlich noch mit 20 Prozent der Umrüstkosten selbst belastet werden. Das kann und darf nicht sein. Wer betrügt, der muss zahlen. Es ist nicht einzusehen, dass der Betrogene auch noch selbst Kosten übernehmen soll, um den mangelfreien Zustand des Betrugsobjektes wiederherzustellen. Aufgrund des Dieselabgasbetruges, anders kann man das nicht bezeichnen, hat die Automobilindustrie in ihren Verkaufsprospekten betrügerische Angaben gemacht, die letztlich den Käufer zum Kauf des Dieselfahrzeugs verleiteten. Er hat das Fahrzeug im Vertrauen auf die im Prospekt angegebene Sauberkeit gekauft. Damit ist der Betrug gegeben. Aufgrund dieses Betruges ist der Verkäufer bzw. der dahinterstehende Automobilhersteller gemäß § 823 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Wie der Schadensersatz zu erbringen ist, besagt § 249 BGB. Aus § 249 BGB ergibt sich allerdings nicht, dass der Geschädigte bei voller Haftung des Schädigers noch eigene Kosten zur Herstellung des sauberen Zustandes tragen soll. Also muss die Automobilindustrie voll haften und kann nicht den Fahrzeughalter noch mit Kosten belasten. Auch diese Regelung würde eine Regelung zu Lasten Dritter bedeuten.

Auch eine Belastung des Staates scheidet aus. Es ist nicht einzusehen, dass der Steuerzahler für Betrügereien der Automobilhersteller zumindest mitzahlen soll. Einzig und allein die betrügenden Automobilhersteller stehen in der vollen Haftung.

Fazit: Eine Lösung kann nur so aussehen, dass die Automobilhersteller die erforderliche Umrüstung auf ihre Kosten durchführen, und zwar jetzt zeitnah. Wenn die Zulieferer die Umstellung vornehmen können, dann müssen auch die Automobilhersteller diese Umrüstung, für die sie ja sogar bis 3.000,-- € dazuzahlen wollen, unverzüglich vornehmen. Eine Belastung des Dieselhalters darf es nicht geben. Auch der Steuerzahler darf nicht belastet werden. Notfalls muss der Kunde durch den Kauf eines Fahrzeugs einer anderen Marke den deutschen Autoherstellern zeigen, dass er kein Vertrauen mehr in die deutsche Automobilindustrie hat. Man kann auch mit seinem Kaufverhalten auf die Hersteller einwirken.
Quellen
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