1. Die Sichtweise der Unfallforschung der Versicherer ist falsch
Soweit Herr Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer davon ausgeht, dass schon heute Senioren drei Viertel aller Unfälle verursachen, an denen sie beteiligt sind, ist diese Aussage absolut gesehen, nicht stichhaltig, weil nur die Unfälle mit Beteiligung der Senioren berücksichtigt sind. Was ist mit den Unfällen, bei denen Senioren geschädigt oder sogar getötet wurden, und die von jungen Fahrern verursacht wurden? Die von Herrn Brockmann angegebenen absoluten Zahlen sind daher wenig aussagekräftig, um eine von ihm geforderte Rückmeldefahrt für Senioren am Steuer zu rechtfertigen. Zum einen sind die absoluten Unfallzahlen der Senioren noch nicht auffällig im Vergleich zu den von jüngeren Kraftfahrern verursachten Verkehrsunfällen. Nach Aussagen des Herrn Brockmann liegt dies daran, dass in der aktuellen Generation der Senioren die Zahl der Führerscheininhaber eher gering sei, da gerade viele ältere Frauen gar nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sind und daher gar kein Auto fahren. Da nach eigenen Angaben die Zahl der autofahrenden Senioren zur Zeit gering sei, ist von dem geringen Anteil der am Verkehr teilnehmenden Kraftfahrer und der von diesen verursachten Verkehrsunfälle auch nur noch ein noch geringerer Teil den Senioren anzulasten. Dieser Anteil rechtfertigt dann keineswegs die Forderung nach einer Rückmeldefahrt bei Senioren am Steuer.
2. Unfälle mit Beteiligung von Senioren sind häufig auf irreführende Verkehrsregelungen zurückzuführen
Zutreffend ist die Aussage von Herrn Brockmann, wenn er angibt, dass die Sehkraft und die Reaktionsfähigkeit der älteren Kraftfahrer mit der Zeit nachlassen. Das ist einfach das normale Leben, das auch Herr Brockmann am eigenen Leib erfahren wird. Doch der altersbedingte Rückgang verschiedener Fähigkeiten bei älteren Menschen heißt noch lange nicht, dass Kraftfahrer nicht auch im hohen Alter noch fahrtüchtig wären. So mancher ältere Kraftfahrer fährt regelgerechter als ein junger Autofahrer, dem gerade die Fahrerlaubnis erteilt wurde. Die älteren Autofahrer haben nämlich die Erfahrung, die die jungen Führerscheininhaber noch nicht haben – und auch nicht haben können -, denn die relativ wenigen Fahrstunden in der Fahrschule machen noch keinen erfahrenen Autofahrer. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass auch ältere Kraftfahrer manchmal schwere Unfälle verursachen. Das liegt zum einen daran, dass der ältere Autofahrer plötzlich auftretende gesundheitliche Probleme bekommt, während er das von ihm gesteuerte Fahrzeug durch den Verkehr fährt. Der plötzlich auftretende Herzinfarkt ist jedoch ein unabwendbares Ereignis. Aber auch wenn der Senior am Steuer gesundheitlich fit ist und es dennoch zu einem Verkehrsunfall kommt, so kann die Ursache darin liegen, dass der Senior durch die Verkehrsführung und die Verkehrsbeschilderung Irre geleitet wurde. So hat zum Beispiel ein Gericht in Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass die Auffahrt eines Seniors auf die Autobahn nur deshalb in der falschen Richtung erfolgte, weil das Verkehrszeichen 222 (Rechts vorbei) falsch aufgestellt war. Manche Baustellen sind durch gelbe Markierungen zusätzlich zu den weißen Fahrbahnmarkierungen so unübersichtlich, dass selbst jüngere Autofahrer nicht mehr wissen, wie und wo sie fahren müssen. Derartige komplexe Verkehrsführungen, die leicht zu Irritationen führen können, müssen daher im Sinne einer geordneten Verkehrssicherheit vermieden werden. Es ist daher dringendst geboten, irreführende Verkehrsführungen und -beschilderungen abzubauen und in Zukunft zu verhindern. Unerwähnt gelassen hat Herr Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer, dass gerade im Alter die Unfälle, die auf die Verletzung des Überholverbotes oder der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit zurückzuführen sind, zurückgehen. Das zeigt, dass die älteren Autofahrer sich mehr an die Verkehrsvorschriften halten als jüngere Fahrer. Das spricht wieder für die älteren Autofahrer. Diese Tatsache wird aber geflissentlich von der Unfallforschung der Versicherer verschwiegen. Es fragt sich, warum dies geschieht? Sollen ältere Kraftfahrer diskriminiert werden? Sollen wegen ihres Alters höhere Prämien zahlen und damit die Unfälle jüngerer Autofahrer mitfinanzieren?
3. Vergleiche mit dem Ausland zeigen keine Reduzierung der Verkehrsunfälle bei Senioren am Steuer
In der Schweiz und in anderen Nachbarländern der Bundesrepublik Deutschland gibt es bereits medizinische Untersuchungen bei älteren Autofahrern. Dort ist es Pflicht, dass die Senioren am Steuer medizinische Untersuchungen, wie Seh- und Hör-Teste, über sich ergehen lassen müssen. Auch andere körperliche Funktionen werden überprüft. In der Regel geschieht dies durch den Hausarzt. Allerdings hat das Beispiel der Schweiz, wo autofahrende Senioren alle zwei Jahre eine Untersuchung durch den Hausarzt machen lassen müssen, dass sich diese Untersuchungen bislang nicht positiv ausgewirkt haben. Die verpflichtende medizinische Untersuchung der kraftfahrenden Senioren auch in der Bundesrepublik Deutschland wird vermutlich nicht zu einem anderen Ergebnis als in der Schweiz führen. Das hat offenbar auch die Unfallforschung der Versicherer erkannt. Sie fordert daher eine Rückmeldefahrt der Senioren. Diese Forderung war bereits Thema eines Verkehrsgerichtages in Goslar. Die Forderung wurde jedoch – zu Recht – abgelehnt. Jetzt taucht sie wieder auf? Warum? Geht es den deutschen Versicherern so schlecht, dass sie die Unfälle älterer Autofahrer nicht mehr regulieren kann? Rückmeldefahrten unter realistischen Bedingungen sind bundesweit nicht gleich zu gestalten. Eine Rückmeldefahrt im Bayerischen Wald sieht anders aus als eine in der Stadt München. Wer soll die realistischen Bedingungen bestimmen? Der Prüfer der DEKRA oder des ADAC? Nein! Es gibt ältere Autofahrer, die fahren nur in die nächste Kreisstadt, um dort ihre Einkäufe oder ihre behördlichen Dinge zu erledigen. Es wäre daher fehl am Platze, mit diesem älteren Kraftfahrer über die Autobahn zu fahren oder zu Zeiten der Rushhour in die City von Frankfurt am Main. Was sollen daher realistische Bedingungen sein, die Herr Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer fordert?
4. Das Diskriminierungsverbot ist zu beachten
Eine Rückmeldefahrt nur für Senioren dürfte verfassungsrechtlich bedenklich sein. Der erteilte Führerschein gilt grundsätzlich lebenslang. Mit der Prüfungsfahrt bestätigt der Prüfer dem Fahrschüler, dass er an diesem Tage die geforderten Bedingungen zur Erlangung der Fahrerlaubnis erfüllt hat. Es gilt also das Gleiche wie beim Abitur. Mit der Erlangung der Hochschulreife wird dem Abiturienten bescheinigt, dass er aufgrund seines Wissens berechtigt ist, eine Hochschule zu besuchen. Ob der Abiturient im Laufe seines Lebens dann noch die Kenntnisse besitzt, die er zum Abitur hatte, spielt keine Rolle mehr. Auf den Führerschein bezogen bedeutet das, einmal Führerscheininhaber, immer Berechtigter Fahrzeuge er bescheinigten Art führen zu dürfen. Wenn die Unfallforschung der Versicherer allerdings meint, gerade bei älteren Kraftfahrern sei eine erhöhte Unfallträchtigkeit zu beobachten, so sollte sie die genaueren Ursachen dieser Unfälle mit Beteiligung älterer Autofahrer genauer untersuchen. War nicht vielleicht ein falsch aufgestelltes Verkehrszeichen Ursache für den Unfall, wie bei dem Unfall auf der BAB A 52 bei Gelsenkirchen, als der ältere Autofahrer falsch auf die Autobahn auffuhr? Die Unfallzeitung berichtete darüber. Auf keinen Fall dürfen die Senioren am Steuer diskriminiert werden. In absoluten Zahlen verursachen Senioren am Steuer nämlich weniger Unfälle als ihre jüngeren Kollegen am Lenkrad. Das erkennt sogar die Unfallforschung der Versicherer an. Ältere Autofahrer sind keineswegs schlechtere Autofahrer als junge Leute am Lenkrad, die noch nicht die Erfahrung im Straßenverkehr haben.
5. Bisherige gesetzliche Bestimmungen reichen aus
Wird bei einem schweren Verkehrsunfall gerichtlich festgestellt, dass der Unfall auf körperliche oder geistige Probleme des unfallverursachenden Seniors am Steuer zurückzuführen ist, so kann das Gericht aussprechen, dass der Senior bei einer Verurteilung zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist und die Fahrerlaubnis durch die Behörde entziehen lassen. Die Überprüfung des Seniors erfolgt in der Regel durch besonders geschulte Mediziner und Psychologen. Mitarbeiter der DEKRA oder des ADAC zur Durchführung einer Rückmeldefahrt bedarf es daher nicht.
Fazit: Die in regelmäßigen Abständen immer wieder auftauchende Forderung der Unfallforschung der Versicherer nach Rückmeldefahrten für kraftfahrende Senioren ist zurückzuweisen, da die absoluten Zahlen der von Senioren verursachten Verkehrsunfälle immer noch unter denen von jüngeren Kraftfahrern verursachten Unfällen liegt. In der Regel sind die Senioren die besseren Fahrer, weil sie regelmäßig die Verkehrsvorschriften bei Geschwindigkeitsbeschränkungen und Überholverboten einhalten. Die Unfallforschung sollte sich dafür einsetzen, dass Baustellen übersichtlicher gestaltet und beschildert werden. Irreführende Verkehrsführungen sind zu verhindern, denn diese irritieren nicht nur ältere, sondern auch jüngere Kraftfahrer. Auch Senioren haben das Recht auf Führen eines Kraftfahrzeuges nicht mit einem bestimmten Alter verloren. Die erworbene Fahrerlaubnis gilt das Leben lang. Daher gilt Hände weg vom Führerschein der Senioren.