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AG Mitte urteilt über 19-prozentige Mehrwertsteuer bei Wiederbeschaffung und Stellungnahmekosten nach Unfall
AG Mitte Urteil vom 26.9.2018 – 28 C 3089/18

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Immer wieder kommt es vor, dass eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherer nach einem Unfall versuchen, die von ihnen zu erbringenden Schadensersatzleistungen zu reduzieren. Wenn der Geschädigte einen Schaden konkret abrechnet und bei der Schadensbeseitigung Umsatzsteuer angefallen ist, so ist diese nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB zu ersetzen. Das gilt auch, wenn für das verunfallte Kraftfahrzeug ein Ersatzfahrzeug angeschafft wurde, für das Mehrwertsteuer angefallen ist.
Ebenso versuchen die Kfz-Haftpflichtversicherer immer wieder die Kostenerstattung für die sachverständige Stellungnahme durch den Kfz-Sachverständigen abzulehnen. Es handelt sich dabei aber um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, die grundsätzlich vom Schädiger und dessen Versicherer zu erstatten sind. Über diese und andere Fragen musste das Amtsgericht Mitte in Berlin aufgrund einer Klage eines Geschädigten gegen das Deutsche Büro Grüne Karte e.V. wegen eines von einem polnischen Kraftfahrzeugführer verursachten Verkehrsunfalls auf der BAB A 12 entscheiden.

Am 11.6.2017 gegen 17.30 Uhr verursachte der Fahrer des polnischen Kraftfahrzeugs einen Auffahrunfall auf der A 12 bei der Anschlussstelle Storkow/Spreehagen, bei dem der VW-Golf des Geschädigten erheblich beschädigt wurde. Der Kläger erwarb ein Neufahrzeug für 21.990,-- € brutto, nachdem er zuvor ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte. In dem Sachverständigengutachten war der Restwert mit 1.578,-- € angegeben. Zu diesem Wert veräußerte der Geschädigte das Unfallfahrzeug. Der Wiederbeschaffungswert war im Gutachten mit netto 5.126,47 € angegeben. Der Gutachter berechnete für sein Gutachten 781,59 €. Die aufgrund des Schreibens der eintrittspflichtigen Versicherung erforderliche Stellungnahme erfolgte durch den Sachverständigen, der dafür97,02 € berechnete. Die beklagte Versicherung benannte mit ihrem Abrechnungsschreiben ein Ankaufangebot über 2.307,-- €. Diesen Betrag legte sie bei der Schadensregulierung zugrunde.

Der Kläger forderte Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswertes von 5.126,47 € netto abzüglich Restwert von 1.578,-- € sowie anteilige Mehrwertsteuer in Höhe von 974,03 € sowie Nutzungsausfallentschädigung und die Kosten des Sachverständigen für die Erstellung des Gutachtens in Höhe von 781,59 € und für eine sachverständige Stellungnahme zu dem Abrechnungsschreiben der Versicherung in Höhe von 97,02 € und vorgerichtliche Anwaltskosten. Die Versicherung war der Ansicht, der Schadensersatz sei auf die Reparaturkosten in Höhe von 3.897,33 € netto gedeckelt. Umsatzsteuer stehe dem Geschädigten nicht zu, weil die Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs ausschließlich privat erfolgt .und der Restwert sei in Höhe des von ihr übersandten Angebots von 2.307,-- € zu berücksichtigen.

Die Klage hat überwiegend Erfolg. Dem Kläger steht ein Schadensersatz in Höhe von 1.062,17 € sowie Erstattung der Kosten der sachverständigen Stellungnahme nebst Zinsen zu. Der Betrag von 1.062,17 € setzt sich zusammen aus dem noch nicht erstatteten Umsatzsteueranteil hinsichtlich des Fahrzeugschadens. Auf die Behauptung der beklagten Versicherung, entsprechende Fahrzeuge seien nur im Privatmarkt ohne Mehrwertsteuer zu beschaffen kommt es nicht an. Der Kläger hat im Verfahren ein Angebot zur Wiederbeschaffung des klägerischen Fahrzeugs eingereicht, das von einem Händler stammt. Auf das nach Veräußerung zum Restwert eingegangene Restwertgebot der beklagten Versicherung kommt es nicht an. Der Geschädigte leistet dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 II 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeugs zu dem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Der Geschädigte ist weder verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Er ist auch nicht verpflichtet, dem Schädiger oder dessen Versicherung vor der Veräußerung Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Angebote abzugeben (vgl. BGH MDR 2017, 84 ff).

Der Umsatzsteueranteil der Wiederbeschaffung in Höhe von 974,03 € steht dem Kläger zu, weil sie im Sinne von § 249 II 2 BGB auch tatsächlich angefallen ist. Ob der Mehrwertsteueranteil bei der Wiederbeschaffung eines gleichwertigen oder eines teureren Fahrzeugs anfällt, ist unerheblich. Mit der Klage wird nur der Umsatzsteueranteil geltend gemacht, der bei der Wiederbeschaffung eines vergleichbaren Fahrzeugs entstünde. Dem Kläger stehen auch Ummeldekosten in Höhe von 50,-- € gemäß §§ 249 I BGB, 287 ZPO zu. Auch steht dem Kläger über die von der Beklagten gezahlten 215,-- € weitere Nutzungsausfallentschädigung zu, allerdings nur in Höhe von 387,-- € für 14 Tage. Das ergibt sich aus der folgenden Berechnung: 14 Tage x 43,-- € = 602,-- € abzüglich gezahlter 215,-- € = 387,-- €. Auch die Kosten für die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen sind durch die Beklagte zu ersetzen. Von dem Kläger kann nicht verlangt werden, sich ohne eine unterstützende Prüfung der von der Beklagtenseite durch einen Sachverständigen formulierten Einwendungen gegen das klägerische Privatgutachten in einen kostspieligen Rechtsstreit zu begeben. Er durfte daher die Angaben der Beklagten durch den Privatgutachter überprüfen lassen.

Fazit und Praxishinweis: Auch wenn der Geschädigte nicht reparieren lässt und sich für die Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs entschließt, liegt in der Ersatzbeschaffung eine konkrete Schadensbeseitigungsmaßnahme vor. Die dadurch anfallende Umsatzsteuer ist daher gemäß § 249 II 2 BGB ersatzfähig, da sie tatsächlich angefallen ist. Schafft sich der Geschädigte ein teureres Fahrzeug an, so steht ihm allerdings nur der Umsatzsteueranteil zu, der sich aus der Anschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs ergeben hätte. Dem Urteil ist auch insoweit zuzustimmen, als es die Kosten der sachverständigen Stellungnahme des Privatgutachters dem Geschädigten zugesprochen hat. Denn grundsätzlich gehören diese Kosten zur Rechtsverfolgung. Immerhin ist der Geschädigte in der Regel technischer Laie, der außer Stande ist, zu den Einwendungen der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung in der gebotenen Form Stellung zu nehmen.
Quellen
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