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WLTP-Einführung – mehr Sachlichkeit!
Was steckt hinter dem Streit um die Einführung von WLTP, RDE und Euro 6d-temp?

RobGal

Seit Wochen erhitzen sich die Gemüter an der Frage, wer schuld ist am Einbruch der Pkw-Neuzulassungen. Im September betrug das Minus satte 30 Prozent, im Oktober noch sieben Prozent, weil viele Hersteller nicht mit der Umrüstung ihrer Autos auf die neue Abgasnorm Euro 6d-temp hinterherkamen, daher konnten sie viele Bestellungen nicht erfüllen.
Über das Warum wird hart gestritten, geht es doch um viel Geld, Marktanteile und um das eh schon ramponierte Image der Autoindustrie. Die sieht die Sache so, dass die EU-Kommission Euro 6d-temp zu früh eingeführt hat, und bemüht einmal mehr das Schreckgespenst des Arbeitsplatzabbaus, übrigens ungeachtet heikler Landtagswahlen. Allerdings haben auch viele Medien nicht zur Versachlichung beigetragen; teils wurde mit widersprüchlichen, teils mit nur behaupteten Informationen gearbeitet. So musste man immer wieder lesen, dass die neue Abgasnorm aus übertriebenem Umweltschutz schärfere und völlig unrealistische Grenzwerte beinhalte. Das stimmt nicht. Fakt ist: Euro 6d-temp beinhaltet eine einzige Neuerung, und die bezieht sich auf die Art, wie die Abgaswerte eines Autos ermittelt werden: durch das neue Prüfverfahren WLTP.

Euro 6d-temp gilt laut Beschluss der EU-Kommission für Pkw-Typgenehmigungen seit September 2017 und für Pkw-Neuzulassungen seit September 2018 – ein Jahr früher, als ursprünglich geplant. Es ist unzweifelhaft richtig, dass die Hersteller nach Beschlussfassung durch die EU-Kommission nur etwas mehr als ein Jahr Zeit hatten, um ihre Fahrzeuge umzurüsten.

Dabei müssen die Autos aber, wie erwähnt, keine schärferen Grenzwerte für Stickoxid-, Feinstaub- oder andere Emissionen erfüllen. Es ist vielmehr schwieriger geworden, die bestehenden Normen zu erfüllen, denn die Prüfprozedur ist näher am Alltagsbetrieb der Autos im Straßenverkehr orientiert (WLTP), und es wird auch schon im realen Verkehrsgeschehen gemessen (Real Drive Emission, RDE). Daher bestücken viele Hersteller ihre Dieselmodelle nun mit SCR-Katalysatoren gegen Stickoxidemissionen und ihre Benziner mit Partikelfiltern.

Außerdem wurden die Genehmigungsverfahren langwieriger. Zu spüren hat das vornehmlich Volkswagen bekommen, weil die Wolfsburger, wie der Vorstand inzwischen einräumt, ein sehr umfangreiches Modellangebot haben.

Das alles auf spinnerte Umweltvorgaben zu schieben ist so unredlich, wie es nicht weiterführt. Dem Beschluss der EU-Kommission waren nämlich jahrelange Verhandlungen vorausgegangen, in denen die Wirtschaftslobby versuchte, die neuen Bestimmungen zu entschärfen. Die EU-Kommission entschied sich dann doch relativ schnell, das war aber, im Sommer 2017, vor allem dem Druck der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit dem Dieselskandal geschuldet, an dem die Autoindustrie bekanntermaßen nicht ganz unbeteiligt ist.

Außerdem müssen die Hersteller lange gewusst haben, was auf sie zukommt, sonst wären sie nicht dagegen vorgegangen. Insofern überzeugt der Vorwurf der kurzen Einführungsfrist zumindest nicht in der Drastik, in der er mitunter vorgetragen wird.

Nüchtern betrachtet bedeutet Euro 6d-temp nur, dass seit Jahren geltende Abgasgrenzwerte verbindlicher eingehalten werden müssen als bislang. Ob die vorherigen Vorgaben zu lasch waren und die heutigen Probleme mit der Luftqualität mitverursacht haben, sei dahingestellt. Wichtiger ist: Jegliche Aufregung sollte einer gründlichen Debatte über die Mobilität von heute, morgen und übermorgen weichen. Schließlich muss der Verkehr sicherer werden, er muss bezahlbar und komfortabel für jedermann werden, und er darf Mensch, Umwelt und Klima nicht länger belasten. Das sind so hehre wie nötige Ziele, die aller ernsthaften Überlegungen und Anstrengungen, seitens der Wirtschaft, der Politik wie der Öffentlichkeit, wert sind. Daher: Mehr Sachlichkeit!
Quellen
    • Foto: © fotohansel - Fotolia.com | Text: Kristian Glaser (kb)