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Nachdem jetzt ein Verwaltungsgericht auch ein Diesel-Fahrverbot für eine Autobahn verhängt hat, ist die Empörung in der Politik und bei Verbänden groß. Das aber zu Unrecht! Tatsache ist, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seiner Entscheidung vom 15.11.2018 (die Unfallzeitung berichtete am 16.11.2018 darüber!) von festgestellten Situationen ausgegangen ist. Im Stadtgebiet von Essen wurden Messwerte von 50 Mikrogramm im Jahresdurchschnitt gemessen. Das galt auch an der Bundesautobahn A 40, die direkt durch Wohngebiete führt.
Von Essen-Frohnhausen bis Essen-Kray liegen unmittelbar neben der Autobahn Wohngebiete. Diese reichen teilweise sogar bis auf einige Meter bis an die Autobahn heran. Wegen des Verkehrslärms auch in den Nachtstunden war bereits eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h angeordnet. Eine weitere Reduzierung der Geschwindigkeit war daher nicht mehr möglich. Es war daher folgerichtig, auch auf der A 40 ein Diesel-Fahrverbot anzuordnen. Denn es macht wenig Sinn, in den umgebenden Wohngebieten ein Diesel-Fahrverbot zu verhängen, nicht jedoch auf der wenige Meter daneben befindlichen Autobahn A 40. Zum Schutz der Anwohner war daher die Verhängung des Diesel-Fahrverbots auch auf der Autobahn dringend geboten. Diese Anordnung ist auch verhältnismäßig, da die Stickstoffoxidwerte erheblich über dem EU-Grenzwert liegen. Immerhin hat die Europäische Union diesen Grenzwert im Jahre 2010 festgelegt. Dieser Grenzwert wurde durch Ratifikation im Jahre 2012 in nationales Recht umgewandelt. Es ist damit bindendes Bundesrecht. Da die Gerichte als dritte Gewalt auch an Recht und Gesetz gebunden sind, mussten sie bei Vorliegen der Grenzwertüberschreitungen zwingend Diesel-Fahrverbote erlassen. Das gilt nicht nur für das Veraltungsgericht Gelsenkirchen im Rahmen der Anordnung von Diesel-Fahrverboten für Essen und Gelsenkirchen. Das gilt auch für das Verwaltungsgericht München im Fall der Stadt München. Das gilt ebenso für die Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf für die Städte Stuttgart nd Düsseldorf. Die Urteile der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf sind zu Recht auch vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Sprungrevisionen bestätigt worden. Auch das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hat Diesel-Fahrverbote für rechtmäßig angesehen. Das gilt auch für das Verwaltungsgericht Aachen für Diesel-Fahrverbote in Aachen. Das gilt auch für das Verwaltungsgericht Wiesbaden für die Diesel-Fahrverbotsanordnung in Frankfurt am Main. Das gilt auch für das Verwaltungsgericht Berlin für Stadtbezirke in Berlin. Das gilt auch für das Verwaltungsgericht Köln für die Städte Köln und Bonn. Alle Verwaltungsgerichte richteten sich – zu Recht – nach der in deutsches Recht überführten Grenze von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Dieser Grenzwert war seit 2010 bekannt und ist seit 2012 deutsches Recht. Trotz dieser Tatsache, hat die Politik nichts unternommen, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Es hat vielmehr den Anschein, als ob die Politik zugunsten der Automobilindustrie das Thema aussitzen wollte. Irgendwann einmal wird der Grenzwert unterschritten werden, weil ältere Diesel nach und nach gegen modernere ausgetauscht werden. Aber die neueren Diesel-Fahrzeuge waren nur auf dem Prüfstand sauber. Im Straßenverkehr lagen die Abgaswerte über dem Zulässigen, weil die Motoren manipuliert wurden. Man könnte auch sagen: Die Automobilhersteller haben wegen der Abgaswerte betrogen. Tatsache ist, dass bis zum Euro-Diesel-6 alle Diesel-Fahrzeuge unsauber sind. Vor dieser Tatsache kann und darf auch nicht die Politik die Augen verschließen. Unsaubere Diesel-Fahrzeuge, soweit sie eine Betrugssoftware eingebaut haben, müssen auf Kosten der Automobilhersteller umgerüstet werden.

Die Empörung der Politik über das durch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ausgesprochene Diesel-Fahrverbot auch auf einer Autobahn ist unverständlich. Der Politik – und den Automobilherstellern - war seit acht Jahren bekannt, dass die Grenzwerte auf 40 Mikrogramm festgesetzt waren. Dieser Grenzwert wurde 2012 Bundesrecht. Spätestens seit sechs Jahren hätte daher die Bundespolitik sowie auch die Landesregierungen dafür sorgen müssen, dass auf Ausfallstraßen die Grenzwerte eingehalten werden. Für jeden Betrugsdiesel hätte die Verwaltung Bußgelder in Höhe von 5.000,- € beanspruchen können. Mit diesem Geld hätte der öffentliche Personennahverkehr verbessert werden können. Statt Prämien für den Erwerb von Neufahrzeugen zu gewähren, müsste die Automobilindustrie diese Prämien an den Staat zahlen, damit diese als Wechselprämie vom Diesel hin zum sauberen öffentlichen Personennahverkehr verwandt erden kann. Wechselprämien zur Gewährung von Rabatten für Neufahrzuge bringen nur neue Gewinne der Automobilhersteller. Es sind aber gerade diese, die in der Pflicht stehen, für saubere Diesel-Fahrzeuge zu sorgen, geschweige denn, die Betrugsdiesel aus dem Verkehr zu nehmen und kostengünstigen Ersatz zu schaffen auf ihre Kosten. Sind nämlich die unsauberen Betrugsdiesel-Fahrzeuge einmal von den Straßen, so wird auch die Luftqualität besser.

Wenn einzelne Ministerpräsidenten erklären, dass es in ihren Bundesländern keine Diesel-Fahrverbote gäbe, so zeigen diese Aussagen, dass sie kein Verständnis von Demokratie haben. Bekanntlich ist die Gewaltenteilung ein Zeichen der Demokratie. Die Legislative und die Exekutive werden durch die Judikative kontrolliert. Gerichtsurteile sind daher auch für die Legislative und auch die Exekutive bindend. Wenn der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen erklärt, dass es in seinem Bundesland keine Diesel-Fahrverbote gäbe, so ist er spätestens mit dem Sprungrevisionsurteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig widerlegt worden, denn das Bundesverwaltungsgericht hat das für Düsseldorf verhängte Diesel-Fahrverbot rechtskräftig für zulässig erachtet. Auch für Stuttgart liegt ein rechtskräftiges Urteil vor. Das Gleiche gilt für München. Für Nordrhein-Westfalen bedeutet das, dass bereits rechtskräftig für eine Großstadt in Nordrhein-Westfalen ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Sollte der Luftreinhalteplan für Düsseldorf nicht rechtzeitig nachgebessert werden, droht die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil. Das bedeutet, dass zugunsten der Gesundheit der Bevölkerung gegen das Land Nordrhein-Westfalen Zwangsgeld oder sogar Zwangshaft im Wege der Vollstreckung angeordnet werden kann. Auch verwaltungsgerichtliche Urteile können vollstreckt werden, auch gegen ein Bundesland. Erste Vollstreckungsmaßnahmen sind bereits durch das Verwaltungsgericht München gegen den Freistaat Bayern durchgeführt worden. Es war ein Zwangsgeld von 4.000,-- gegen den Freistaat festgesetzt und vollstreckt worden. Effektiver wäre allerdings die Verhängung von Zwangshaft.

Die Empörung der Politik über das ausgeurteilte Fahrverbot für Dieselfahrzeuge auch auf einer Bundesautobahn ist nicht verständlich und auch heuchlerisch, da die Politik seit acht Jahren die Situation kennt. Ebenso kennen das Speditionsgewerbe und auch die Diesel-Fahrzeughersteller diese Situation. Sie kommt nicht überraschend. Die Deutsche Post und ihre Paketposttochter DHL haben das Problem erkannt und bereits rechtzeitig auf Elektro-Fahrzeuge umgestellt. Heute wird im Ruhrgebiet kaum noch ein Paket mit einem Diesel-Lkw zum Empfänger gebracht. Die Pakete werden mit einem selbst entwickelten Transporter auf Elektrobasis zugestellt. Was die Post kann, hätte die Automobilindustrie längst schaffen können. Auch die Speditionen hätten sich seit dem Jahr 2010 auf die veränderte Situation einstellen können. Dass das auch möglich ist, beweist der in Essen ansässige Industriekonzern Thyssen-Krupp. In dieser Firma ist der Großteil der Lkw-Flotte bereits auf Lkws mit Diesel-6-Motoren ausgestattet. Warum andere Firmen im Ruhrgebiet nicht so verfahren haben, bleibt daher deren Geheimnis. Soweit das Umwelt- und Verkehrsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen darauf hinweist, dass die jetzt mit dem Urteilsspruch geschaffene Situation neu sei, so ist das nur die halbe Wahrheit. Die Überschreitung der Grenzwerte in einigen Regionen, durch die auch Autobahnen führen, war seit Langem bekannt. Die Politik hätte sich daher rechtzeitig darauf einstellen können. Neu ist allerdings, dass ein Gericht ein Diesel-Fahrverbot auf einer Autobahn anordnet. Aber auch hier hat das Verwaltungsgericht die Verhältnismäßigkeit beachtet. Durch die Sperrzonen in Essen führt nicht nur die A 40 (Venlo-Dortmund). In den Sperrzonen liegen auch die A 42 (Duisburg-Dortmund) und die A 52 (Essen-Düsseldorf). Diese Autobahnabschnitte sind zunächst aus den Sperrbereichen ausgenommen worden, obwohl in den angrenzenden Gebieten ebenfalls die Grenzwerte überschritten wurden. Daher zeigt das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, dass die Verhältnismäßigkeit in dieser dem Urteil zugrundeliegenden speziellen Situation sehr wohl beachtet wurde.

Aus diesem Grunde scheitert auch der Gesetzesentwurf der Bundesregierun bei Grenzwertüberschreitungen bis 50 Mikrogramm eine Unverhältnismäßigkeit generell zu verneinen, denn die vom Bundesverwaltungsgericht erwähnte Verhältnismäßigkeit muss individuell bei jeder Stadt neu und anders bewertet werden. Eine generelle Verhältnismäßigkeit gibt es nicht. Die Verhältnismäßigkeit ist zum Beispiel in Dortmund anders zu berücksichtigen als in Bochum und wieder anders als in Essen. Schon von daher zeigt sich, dass der neuerliche Gesetzesvorstoß der Bundesregierung nur den Sinn haben kann, der Automobilindustrie Zeit zu gewinnen, bis diese in der Lage ist, die entsprechenden Umrüstungen auf ihre Kosten vorzunehmen. Offenbar liegt der Bundesregierung mehr am Wohle der Automobilindustrie als an der Gesundheit ihrer Bürger. Die Gesundheit der Bürger sollte das höherwertige Gut sein, das der Staat z schützen hat. Wirtschaftliche Interessen müssen dahinter zurücktreten.

Soweit seitens der Politik bestritten wird, dass ein Verwaltungsgericht auch Diesel-Fahrverbote auf Bundesautobahnen verhängen könnte, so ist das Bestreiten der Politik irrelevant. Wenn ein Verwaltungsgericht örtlich auch für den Bereich der Autobahn zuständig ist, kann ein Verwaltungsgericht auch auf der Autobahn Diesel-Fahrverbote verhängen. Diese zutreffende Ansicht wird sogar vom nordrhein-westfälischen Justizministerium bestätigt. Allerdings könnte sich diese Rechtslage ändern, denn im Jahr 2017 wurde das Gesetz geändert und die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts begründet. Diese Prüfung erfolgt speziell bei Diesel-Fahrverbotsverfahren betreffend die Städte Dortmund und Bochum. Daher hatte das Verwaltungsgericht auch nicht die Städte Bochum und Dortmund mit in die Verhandlungen zu den Diesel-Fahrverboten im Ruhrgebiet miteinbezogen und nur über die Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in Essen und Gelsenkirchen entschieden.

Dass gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen, wie vom Land Nordrhein-Westfalen angekündigt, Berufung eingelegt wird, ist das gute Recht des Unterlegenen. Urteile können auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit durch Rechtsmittel überprüft werden. Dann überprüft die nächsthöhere Instanz im Berufungsverfahren die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten erneut. Das wäre im Fall der Städte Essen und Gelsenkirchen das Oberverwaltungsgericht Münster. Gegen das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts ist dann noch die Revision möglich. Dann entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in letzter Instanz. Allerdings liegen bereits zwei Revisionsentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vor. Dieses hatte bekanntlich im Sprungrevisionsverfahren betreffend die Städte Stuttgart und Düsseldorf Diesel-Fahrverbote für zulässig erachtet. Es hat auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden muss. Bei den Diesel-Fahrverboten in Stuttgart und Düsseldorf hat es aber die Verhältnismäßigkeit bejaht. Sollte gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen tatsächlich Rechtmittel eingelegt werden, so sind die ausgeurteilten Diesel-Fahrverbote für Essen und Düsseldorf zunächst einmal nicht rechtskräftig. Es bleibt dann die Entscheidung des OVG Münster abzuwarten.

Gerade im dichtbesiedelten Ruhrgebiet mit seinen mehr als fünf Millionen Einwohnern ist es besonders wichtig, dass die Luft reingehalten wird. Nicht umsonst wurden hier zuerst Smog-Fahrverbote angeordnet. Bei austauscharmer Wetterlage waren für bestimmte Stadtbereiche von Duisburg über Oberhausen, Mülheim, Essen, Gelsenkirchen, Wattenscheid, Wanne-Eickel, Herne, Bochum und Dortmund Fahrverbote für Fahrzeuge aller Art angeordnet. Es hat geholfen. Die Luft über dem Revier wurde sauberer. Um die Gesundheit der Bevölkerung im Ballungsraum Ruhr zu schützen ist ein Dieselfahrverbot in besonders belasteten Stadtbezirken dringend geboten. Klinische Untersuchungen haben eindeutig gezeigt, dass Stickstoffdioxid Erkrankungen der Atemwege verursachen. Nicht umsonst wurde daher von der Europäischen Union der Grenzwert bei 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft festgelegt. Eine Heraufsetzung durch die Bundesregierung auf 50 Mikrogramm ist daher eine bewusste Verschlechterung der Gesetzeslage zu Lasten der Bundesbürger. Die Bundesminister und auch die Kanzlerin hatten geschworen das Wohl des Staates und ihrer Bürger schützen zu wollen. Davon ist nicht mehr viel übriggeblieben, wenn zugunsten der Wirtschaft für die Gesundheit der Bürger erlassene Grenzwerte durch die Bundesregierung erhöht werden, um Diesel-Fahrverbote zu vermeiden. Durch die bisherigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen hat sich gezeigt, dass die Politik das Thema offenbar aussitzen wollte. Ersthafte Maßnahmen gegen die Automobilindustrie wurden nicht ergriffen. Selbst wenn Einigungen mit den Diesel-Fahrzeugherstellern erzielt werden, so begünstigen diese nur die Automobilhersteller. Der an der belasteten Straße wohnende Bürger bleibt auf der Strecke.
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