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Nachdem das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, das auch für das Gebiet der Stadt Essen örtlich zuständig ist, für Gelsenkirchen und Essen Diesel-Fahrverbote angeordnet hat und dabei auch erstmals eine Bundesautobahn in den Essener Sperrbezirk miteinbezogen hat, war die Empörung in der Politik und bei den Wirtschaftsverbänden groß. Die Unfallzeitung berichtete am 19.11.2018 darüber.
Es sind aber nicht die Verwaltungsgerichte in der Bundesrepublik Deutschland schuld, dass Diesel-Fahrverbote ausgesprochen werden mussten, sondern einzig und allein die Politik und die Automobilhersteller, die Betrugs-Diesel-Fahrzeuge auf den Markt brachten. Die Politik hat es einfach verschlafen, seit dem Jahr 2010, als die EU-Grenzwerte festgesetzt wurden, durch fördernde Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Luftqualität in besonders belasteten Städten verbessert wird. Der öffentliche Personennahverkehr hätte seit dieser Zeit bereits attraktiver gemacht werden müssen. In der jetzigen Form bieten Bus und Bahn keine Alternative zum eigenen (Diesel-)Pkw. Die Automobilindustrie hat durch manipulierte Motoren das Kraftfahrtbundesamt bei der Beantragung der allgemeinen Betriebserlaubnis und den späteren Kunden an der Nase herumgeführt, indem saubere Abgase vorgegaukelt wurden, obwohl diese nur auf dem Prüfstand erreicht wurden. Sobald das Diesel-Fahrzeug im normalen Straßenverkehr unterwegs war, wurde die Schadstoffreduzierung abgeschaltet. Das nennt der Jurist in der Regel Betrug.

Für jedes manipulierte Diesel-Fahrzeug hätte der Staat ein Bußgeld von 5.000,-- € verhängen können. Nichts dergleichen ist geschehen. Statt den Schienenverkehr stärker zu fördern, attraktive Halte bei Bahnen zu schaffen und die bestehenden Bahnhöfe umsteigefreundlich umzubauen, wurde immer mehr Verkehr auf die Straße verlagert. Die Bußgelder von 5.000,-- € je Betrugsdiesel hätten bereits ein Grundstock für den Umbau des öffentlichen Personennahverkehrs sein können. Dafür erhielten Automobilhersteller millionenschwere Fördergelder. Statt immer mehr Güter auf die Schiene zu bringen, wurde das Schienennetz der Deutschen Bahn AG immer mehr vernachlässigt. Dabei zeigen die Nachbarländer Österreich und Schweiz, dass es geht, den Lastverkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen, ohne dass die Staaten untergehen. Alles das hat die deutsche Politik zu Gunsten der Automobilindustrie verschlafen. Die Empörung der Politik über die Diesel-Fahrverbote und die Sperrung der Autobahn A 40 im Stadtgebiet Essen für unsaubere Diesel ist daher nicht gerechtfertigt. Die Politik hatte genügend Zeit, damit derartige Diesel-Fahrverbote vermieden werden konnten. Die Verwaltungsgerichte haben nur geltendes Recht angewandt.

Die Schelte der Politik, insbesondere aus den Reihen der CDU und CSU, ist durch nichts gerechtfertigt. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Die Empörung der Unions-Politiker zeigt, welches Verständnis sie von der Demokratie und der Gewaltenteilung haben. Zu Recht hat daher die Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) darauf hingewiesen, dass die Verwaltungsgerichte sich zu Recht an die gesetzlichen Vorgaben gerichtet haben. Urteile dürfen nicht nach dem Empfinden der Bürger gesprochen werden, sondern nach Recht und Gesetz. Auch die sich jetzt empörenden Unions-Politiker haben sich an Recht und Gesetz zu richten, denn nach Art. 20 des Bonner Grundgesetzes ist die Bundesrepublik ein demokratischer Rechtsstaat.

Unverständlich sind daher die Äußerungen des Verkehrsministers Scheuer (CSU) zu dem vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ausgeurteilten Diesel-Fahrverbots für die A 40 im Stadtgebiet Essen. Er meint, das Urteil sei unverhältnismäßig. Da irrt er ganz gewaltig. Das erkennende Verwaltungsgericht hat sehr wohl die Verhältnismäßigkeit bei der Verhängung des Diesel-Fahrverbots auf der A 40 geprüft. Drei Autobahnen führen durch das Stadtgebiet in Essen. Das ist einmal die A 40 (Venlo-Dortmund), dann die A 42 (Duisburg-Dortmund) und die A 52 (Essen-Düsseldorf). An alle drei Autobahnen grenzen Wohngebiete. Während an der A 40 verlässliche Werte vorlagen, war dies bei den Autobahnen A 42 und A 52 nicht der Fall. Auf Verdacht hat das Gericht daher mögliche Diesel-Fahrverbote auf den Autobahnen A 42 und A 52 nicht verhängt. Bei der A 40 waren jedoch unmittelbar an die Autobahn angrenzend im Wohngebiet Essen-Frohnhausen Messstellen eingerichtet, so dass für die A 40 verlässliche Werte vorlagen. Diese lagen erheblich über dem EU-Grenzwert, der durch Ratifikation im Jahre 2012 bundesdeutsches Recht wurde. Weil der Grenzwert überschritten war, musste das erkennende Verwaltungsgericht nach Recht und Gesetz auch auf der A 40 ein Diesel-Fahrverbot verhängen. Der Bundesverkehrsminister hat daher Unrecht. Gleiches gilt für dessen Parlamentarischen Staatssekretär Steffen Bilger (CDU). Dieser hatte sich über das weltfremde Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen geäußert. Dabei hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen – zu Recht – nur die Gesundheit der Bevölkerung als schützenswertes Recht im Sinn und nicht irgendwelche politischen Ziele.

Wenn Wirtschaftsverbände darauf hinweisen, dass mit dem Diesel-Fahrverbot auf der A 40 für Lastfahrzeuge große Umwege gefahren werden müssten, so haben die Verantwortlichen der Verbände immer noch nicht verstanden, worum es geht. Zum einen war ihnen seit dem Jahr 2010 bekannt, dass der Stickstoffdioxid-Grenzwert bei 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft festgelegt wurde und dass in rund 75 Städten in der Bundesrepublik Deutschland dieser Grenzwert überschritten wird. Seit dem Jahr 2010 hätten sie daher ihre Mitgliedsunternehmen auffordern müssen, ihren Fuhrpark auf saubere Diesel-Lastkraftfahrzeuge umzustellen. Diese Zeit wurde aber - ebenso wie in der Politik – verschlafen. Zum anderen haben wirtschaftliche Interessen der Unternehmen hinter der Gesundheit der Bevölkerung zurückzutreten. Die Gesundheit der Bevölkerung ist das schützenswerte Rechtsgut. Die Deutsche Post und ihre Tochter DHL haben es vorgemacht. Der Fuhrpark kann durchaus auf Elektro-Antrieb umgestellt werden. Heute wird im Ruhrgebiet fast jedes Paket mit einem Elektrofahrzeug der Post AG ausgeliefert. Die Post tut eben was für die Gesundheit ihrer Kunden.

Wenn seitens der Union rege Kritik an der Deutschen Umwelthilfe geübt wird, so ist darin nur ein Ablenkungsmanöver bezüglich der eigenen Fehler zu sehen. Zu Recht hat die Deutsche Umwelthilfe durch ihre Klagen auf Einhaltung der Grenzwerte darauf hingewirkt, dass endlich einmal dem Normalbürger die Augen geöffnet werden über die inhumane Politik der Regierenden. Bis zu den ersten Urteilen, die sogar durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurden, war die Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte doch kein Thema. Auch der Diesel-Betrug durch die Automobilhersteller wurde weitestgehend unter den Teppich gekehrt. Es ist daher löblich, dass die Deutsche Umwelthilfe den Finger in die Wunde gelegt hat. Die durch die Verwaltungsgerichte München, Stuttgart, Düsseldorf, Aachen, Berlin, Wiesbaden, Köln, Mainz und Gelsenkirchen ergangenen Urteile bestätigen die Rechtsauffassung der Kläger und zeigen, dass die Politik nichts oder zu wenig getan hat, um die Grenzwerte einzuhalten, obwohl diese nationales Recht darstellen. Es ist daher in einem Rechtsstatt traurig, wenn unabhängige Gerichte dem Staat erklären müssen, wie zu verfahren ist, obwohl auch die Exekutive an Recht und Gesetz gebunden ist.

Auch die Kritik des Deutschen Städte- und Gemeindebundes an der Deutschen Umwelthilfe ist nicht berechtigt. Der Hauptgeschäftsführer sprach sich gegen Diesel-Fahrverbote aus, weil durch die Klagen und die entsprechenden Urteile der Diesel-Verkehr nicht abnehme, sondern sich nur auf Seitenstraßen verteile. Dass die Städte und Gemeinden von sich aus aber ab dem Jahr 2010 hätten dafür sorgen müssen, dass die Grenzwerte eingehalten werden, wird geflissentlich verschwiegen. Die Städte hätten bereits seit acht Jahren ihren Fuhrpark auf saubere Motoren umstellen können, haben es aber nicht getan. Behördenfahrzeuge hätten längst auf saubere Motoren umgestellt werden können. Der öffentliche Nahverkehr hätte längst verbessert werden können, damit Anreize geschaffen werden, auf Busse und Bahnen umzusteigen. Nichts dergleichen ist geschehen. Es ist ja auch einfacher auf die Organisation zu zeigen, die auf die Missstände hingewiesen hat, als selbst etwas zu tun. Die jetzigen Aktivitäten der Städte, die teilweise mehr als hilflos aussehen, kommen zu spät, um Diesel-Fahrverbote zu verhindern. Hecken auf den Mittelstreifen der Straßen und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 km/h auf Ausfallstraßen helfen nicht wirklich weiter, um die Grenzwerte zu reduzieren. Die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit wird vermutlich noch mehr Stickstoffdioxid verursachen, weil die Kraftfahrzeuge häufiger anhalten und anfahren müssen. Die Ampelschaltungen sind nämlich häufig auf die innerstädtisch zulässige Höchstgeschwindigkeit eingestellt.

Die Kritik an den Urteilen der Verwaltungsgerichte ist unberechtigt. Selbst in Düsseldorf und Stuttgart ist bisher noch kein Diesel-Fahrverbot eingerichtet worden, obwohl durch die Sprungrevisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (die Unfallzeitung berichtete darüber!) die Urteile der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf rechtskräftig geworden sind. In Stuttgart soll wenigstens bereits im Jahr 2019 e zu eingerichteten Diesel-Fahrverboten am Neckartor kommen. In Düsseldorf versucht der Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) – obwohl eine rechtskräftige Entscheidung zum Diesel-Fahrverbot in Düsseldorf vorliegt – diese zu verhindern. Daher sind seine Äußerungen, dass es in seinem Bundesland keine Fahrverbote gäbe, mehr als befremdlich, zeigen sie doch ein mangelndes demokratisches Verständnis. Auch Ministerpräsidenten sind an Recht und Gesetz gebunden. Sie haben auch einen Amtseid auf die Verfassung abgelegt. Zu Recht wird die Deutsche Umwelthilfe auch weiterhin Städte auf Einhaltung der Grenzwerte verklagen. Das nächste Diesel-Fahrverbots-Urteil wird für Darmstadt erwartet. Weitere Städte werden folgen. Die Stadtkämmerer sollten daher überlegen, ob sie für weitere Prozesse vor den Verwaltungsgerichten noch weiter Steuergelder der Bürger vergeuden. Hamburg hat es vorgemacht und freiwillig Diesel-Fahrverbote verhängt. Die Steuergelder, die für die Kosten der verlorenen Prozesse ausgegeben werden müssen, könnten sinnvoller investiert werden.

Nicht vergessen werden sollte der Aspekt, dass bei den Betrugs-Dieselfahrzeugen die Automobilhersteller in der Verantwortung stehen. Diese sollten freiwillig je Betrugsfahrzeug das gesetzlich angedrohte Bußgeld zahlen, damit der öffentliche Personennahverkehr gestärkt werden kann und der Umstieg auf die umweltfreundlichere Schiene ermöglicht werden kann. Wer betrügt, der muss auch zahlen. Neue saubere Dieselfahrzeuge verkaufen zu wollen, ist eine Sache. Die mit Betrugssoftware versehenen Dieselfahrzeuge auf ihre Kosten umzurüsten, ist die andere Sache, die auch von der Automobilindustrie – ohne Kostenbeteiligung der Kunden – zu erfüllen ist.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung