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Autonomes Fahren: Wer soll gerettet werden – und wer nicht?
Welche Ethik soll das Roboterauto leiten? Ergebnisse einer weltweiten Untersuchung

RobGal

Ein Dilemma ist eine Zwangslage oder die schwierige Konstellation und Entscheidung zwischen zwei Übeln, in der Alltagssprache auch als „Zwickmühle“ bezeichnet. Derartige Szenarien werden theoretisch konstruiert, um beispielsweise ethische Kriterien zu reflektieren und zu entwickeln, nach denen die computergelenkten Autos von morgen gesteuert werden.
In den USA haben Wissenschaftler des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) eine großangelegte Untersuchung in Form eines spielerischen Experiments unternommen. Auf einer Internetseite konnten die Teilnehmer entscheiden, wie sie sich in einem Dilemma verhalten würden. Wer soll bei einem unvermeidbaren Unfall gerettet werden: die Fahrzeuginsassen oder die Fußgänger? Menschen oder Tiere? Viele oder wenige? Junge oder Alte? Gesunde oder Kranke? Männer oder Frauen?

In der weltweiten Studie, die zwar nicht repräsentativ, aber aufschlussreich ist, wurden insgesamt 40 Millionen Entscheidungen gesammelt. Dabei ergaben sich im Wesentlichen drei Prioritäten: Menschen sollten eher geschützt werden als Tiere, viele eher als wenige und junge Menschen eher als alte.

Gleichwohl ergaben sich Unterschiede je nach kultureller Tradition: In den westlichen Ländern (USA und Europa) wird jungen Menschen der Vorzug gegeben, in den östlichen (Japan, Taiwan, arabische Staaten) den Alten. In der südlichen Hemisphäre (Süd- und Lateinamerika) ist der Vorrang von Menschen gegenüber Tieren weniger stark ausgeprägt. Außerdem sollen Frauen gegenüber den Männern Priorität erhalten und Gesunde gegenüber Erkrankten.

Große Herausforderungen verlangen breite Diskussionen

Diese Präferenzen, so meinen die Wissenschaftler des MIT, die ihre Ergebnisse in der US-amerikanischen Wissenschaftszeitschrift „Nature“ veröffentlichten, stellen die politischen Entscheidungsträger vor große Herausforderungen. Wer soll, im Zweifel, Opfer sein? Ein Kind oder ein alter Mensch? Das bundesdeutsche Grundgesetz verbietet dem Staat allerdings, zwischen Menschenleben abzuwägen, wie das Bundesverfassungsgericht in einem vielbeachteten Grundsatzurteil 2005 entschied. Dabei wurde ein Gesetz als verfassungswidrig eingestuft, das den Abschuss eines von Terroristen entführten und als Waffe benutzten zivilen Flugzeugs zuließ. Die Richter leiteten ihre Entscheidung aus dem Schutz der Menschenwürde ab, weshalb Menschenleben nicht gegeneinander aufgerechnet werden dürften.

Das autonome Fahren wird von der Automobilwirtschaft und der IT-Branche mit Nachdruck vorangetrieben. Wahrscheinlich wird es in nicht allzuferner Zukunft gestattet sein, dass Maschinen wie Roboterautos ethische Entscheidungen treffen, denen die Fahrzeuginsassen und andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt sein werden. Deshalb fordern die MIT-Wissenschaftler eine weltweite Diskussion zu den ethischen Leitlinien, nach denen die Fahrzeuge automatisiert gesteuert werden.

Offen bleiben allerdings einige Fragen. Etwa wie es gelingen kann, Unfälle, zumal mit tödlicher Konsequenz, gänzlich zu vermeiden. Ungeklärt ist auch, wie die Maschinen mit anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren. Ist bei wachsender Verkehrsdichte und -komplexität das Roboterauto möglicherweise überfordert? In welchem Verhältnis wird das autonome Fahren zum öffentlichen Nah- und Fernverkehr entwickelt? Wie sind psychische Erkrankungen von Insassen eines autonomen Fahrzeugs zu heilen, das einen tödlichen Unfall verursachte?
Quellen
    • Foto: © julien tromeur - Fotolia.com | Text: Olaf Walther (kb)