Reifen: Alter schützt bei Nässe schlechtMit zunehmender Nutzungsdauer eines Reifens verschlechtert sich vor allem die Bremsleistung bei Nässe | Verbindliche Produkttests über die gesamte Nutzungsdauer gefordert
„Die Aquaplaning-Gefahr ist real, vor allem bei Spurrillen auf der Fahrbahn“, warnt Welf Stanko-witz eindringlich. Er ist Referatsleiter für Fahrzeugtechnik beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) und betonte gegenüber dem kraftfahrt-berichter: „Der Grip nimmt bereits bei normal feuchter Straße ab.“ Deshalb solle man ökologische Aspekte keinesfalls gegen Sicherheitsaspekte ausspielen.
Auch beim Hannoveraner Reifenbäcker Continental rät man zur Vorsicht: „Unsere Messergebnisse zeigen, dass die Bremswege auf Nässe sich verlängern“, stellt Reifenexperte Andreas Schlenke fest. Speziell Aquaplaning habe „ein sehr hohes Unfallpotential mit schweren Folgen“. Von relativierenden Zahlenspielen, wonach die Fahrbahnen in der meisten Zeit trocken seien, hält Schlenke gar nichts: „Zumindest nördlich der Alpen kennen alle Verkehrsteilnehmer Situationen, in denen ein hoher Wasserfilm von einem Millimeter und mehr auf der Straße ist“, sagte er auf Anfrage des kraftfahrt-berichters.
Michelin betont, dass die Nässeeigenschaften eines Reifens nicht unausweichlich abnähmen. „Reifenhersteller können steuern, wie sich ein Reifen mit zunehmender Laufleistung verhalten soll“, meinen die Franzosen. DVR-Fachmann Stankowitz weiß von billigen Reifen zu berichten, deren Qualität nach einigen Kilometern plötzlich und rapide abnimmt. Die Leistungsfähigkeit eines Reifens, so unterstreicht er, hängt nicht allein von der Profiltiefe ab, sondern auch vom Profildesign, ferner vom Material und der Auslegung.
Stankowitz empfiehlt den Verbrauchern, Qualitätsreifen zu kaufen. Außerdem solle man einen Sommerreifen bei weniger als drei Millimetern wegschmeißen und einen Winterreifen bei weniger als vier Millimetern – „sicherheitshalber, denn man weiß ja nicht, wie gut der Reifen dann noch ist“, so Stankowitz.
Woran erkennt man einen Qualitätsreifen?
In der Tat: Ist ein Qualitätsreifen auch nach vier gefahrenen Jahren immer noch ein Qualitätsreifen? Die EU-Kommission verständigte sich laut DVR im Frühjahr auf die Empfehlung, dass auch gebrauchte Reifen getestet werden sollen – allerdings rein aus ökologischen Motiven. Michelin ruft die Testinstitute und Verbraucherorganisationen auf, gebrauchte Pneus in ihre Vergleichstests einzubeziehen, und regt an, zulassungsrelevante Grenzwerte auch für gefahrene Reifen einzuführen. Stankowitz vom DVR begrüßt diesen Ansatz zwar, hält aber weitere Untersuchungen für erforderlich. Auch Continental gibt zu bedenken, dass noch Verfahren entwickelt werden müssten, um die mechanische Abnutzung und den Alterungsprozess für die Gebrauchtreifentests nachzubilden.
Continental-Experte Schlenke hält Verbesserungen am Reifenlabel aktuell für wichtiger. Es soll den Verbrauchern durch Noten unter anderem zum Nassbremsen bei der Kaufentscheidung helfen. Allerdings wird die Einstufung von den Reifenherstellern selbst und ohne Kontrolle vorgenommen. Daher fordert Continental, dass die Reifenlabel-Bewertungen durchgängig von unabhängigen Institutionen überprüft werden.
Reifen sollten so lange wie möglich genutzt werden können und dabei keine Einbußen bei der Sicherheitsleistung aufweisen. Dafür brauchen die Autofahrer neutrale und verbindliche Bewertungen über den gesamten Nutzungszeitraum. Auch um besser entscheiden zu können, wann man tunlichst seine Pneus auswechselt.