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Gericht wirft VW sittenwidriges Verhalten bei Fahrzeugen mit Betrugsmotor vor
Landgericht Augsburg Urteil vom 23.11.2018 – 21 O 4310/16

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

VW gerät wegen des Abgasbetruges an seinen Diesel-Fahrzeugen immer mehr unter Druck. Gerichte in Deutschland hatten bereits häufig zur Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug der Nutzungsentschädigung gegen Rückgabe des manipulierten Diesel-Fahrzeugs entschieden, aber das, was die 21. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg entschieden hat, ist bisher einzigartig. Das erkennende Gericht hat den Software-Betrug als sittenwidriges Verhalten gewertet und zur Rückzahlung des Kaufpreises von knapp 30.000,-- € gegen Rückgabe des Kraftfahrzeugs – ohne Abzug der Nutzungsentschädigung – verurteilt. Das ist eine Klatsche gegen den VW-Konzern.
Nachdem sich zunächst VW geweigert hatte, den Kaufvertrag zu wandeln, d.h. den Kaufpreis gegen Rückgabe des im Jahre 2012 gekauften VW Golf Plus 1.6 TDI zu zahlen, hat der Kunde vor dem örtlich zuständigen Landgericht Augsburg geklagt und vor Gericht einen vollen Erfolg erzielt. Das Urteil des LG Augsburg ist eine herbe Schlappe für VW.

Die Klage ist zulässig und mehr als begründet. Nachdem sich vor etwa drei Jahren herausgestellt hat, dass VW manipulierte Dieselmotoren eingebaut hat, war auch das vom Kläger im Jahre 2012 gekaufte Dieselkraftfahrzeug mangelbehaftet. Bei dem Software-Schummel handelt es sich um einen gravierenden Fehler am verkauften Fahrzeug. Dieser Mangel bestand auch bereits bei Übergabe des Fahrzeugs. Dieser Mangel, der nunmehr dazu führt, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug nicht mehr überall in Deutschland in die Städte fahren kann, weil sein Fahrzeug auch unter das Diesel-Fahrverbot fällt, ist erheblich im Sinne des Gewährleistungsrechts. Da dieser Fehler auch beim Kauf verschwiegen wurde, um den Käufer über die wahren Abgase zu täuschen, sieht das erkennende Gericht in dem Einbau der Schummel-Software ein sittenwidriges Verhalten. Bei einer Schädigung wegen sittenwidrigem Verhalten hat der Vertragspartner einen Schadensersatzanspruch, der auch eine Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit der Nutzung ausschließt. Es würde dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung widersprechen, wenn der Getäuschte auch noch Nutzungsentschädigung zahlen müsste. Der VW-Konzern hat Gewinn erzielen wollen, indem er den Kläger als Kunden getäuscht hat und eine manipulierte Software in das zu kaufende Dieselfahrzeug eingebaut hat. Deshalb ist das Unternehmen zu vollem Schadensersatz verpflichtet. Der Kläger braucht daher keine Entschädigung für die von ihm gefahrenen Kilometer zahlen.

Fazit und Praxishinweis: Um es vorweg zu sagen: Die Entscheidung der 21. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg ist zu begrüßen. Endlich hat ein deutsches Gericht den Mut, in einem Urteil auszusprechen, was Tatsache ist. Der VW-Konzern hat mit dem Einbau der Betrugssoftware die potentiellen Kunden über wichtige Vertragspunkte, nämlich die Abgaswerte, getäuscht. Der Kunde ging von einem sauberen Diesel-Fahrzeug aus. Der Einbau des Betrugsmotors kann tatsächlich als sittenwidrige Schädigung des Vertragspartners angesehen werden. Denn dem VW-Konzern ging es nur um Gewinne. Notfalls mussten die Gewinne durch betrügerische Manipulationen am Motor erzielt werden. Das ist eindeutig ein sittenwidriges Verhalten. Daraus ergibt sich der weitere Schluss des erkennenden Gerichts, nämlich dass der sittenwidrige Schädiger keinen Anspruch auf Entschädigung wegen der gefahrenen Kilometer gegen den Kunden hat. Das ist allerdings in der Geschichte der Prozesse um manipulierte Diesel-Fahrzeuge das erste Mal, dass ein Gericht auf die Nutzungsentschädigung verzichtet. Bisher haben rund 70 Prozent aller Gerichtsentscheidungen dazu geführt, dass die Hersteller ihre manipulierten Fahrzeuge zurücknahmen mussten gegen Zahlung des Kaufpreises, allerdings unter Berücksichtigung der Nutzungsentschädigung. Das ist mit dieser Entscheidung des Landgerichts Augsburg nun anders. Es ist nur zu hoffen, dass die Berufung und eventuell die Revision zu gleichem Ergebnis führen wird. Es ist nämlich nicht damit zu rechnen, dass VW diese Schlappe widerspruchslos so hinnehmen wird. Vielmehr versucht VW, sich in die Verjährung zu flüchten. Aber auch hierin zeigt sich, dass VW nicht ihrem betrügerischen Verhalten steht. Lieber die Sachen in der Verjährung erledigen lassen, als freiwillig mit ihren Kunden eine vernünftige Erledigung zu suchen.
Quellen
    • Foto: Volkswagen