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Zur Haftung bei einem Kreuzungsunfall, wenn auf Abbiegespur geradeaus gefahren wird
LG Essen Urteil vom 20.9.2018 – 3 O 75/17

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Unfälle auf Kreuzungen passieren häufiger. Was aber auf der beampelten Kreuzung im Landgerichtsbezirk Essen im Dezember 2015 sich ereignete, geschieht nicht alltäglich. Auf der Kreuzung der E-Straße mit der N-Straße kam es zur Kollision des Kraftfahrzeugs der Klägerin, gesteuert von dem Zeugen L. mit dem Pkw der Beklagten. Die Zeugin wollte über die Kreuzung geradeausfahren, wechselte kurz vor er Kreuzung aber auf die Abbiegespur, weil auf der Geradeausspur ein Lkw bei Gelblicht bremste. Statt abzubiegen, fuhr der Zeuge geradeaus weiter und kollidierte mit dem aus der Gegenrichtung kommenden, links abbiegenden Pkw der Beklagten. Die Klägerin verlangt die Hälfte des ihr entstandenen Schadens von den Beklagten ersetzt. Die darauf gerichtete Klage vor dem örtlich zuständigen Landgericht scheiterte.
Im Dezember 2015 ereignete sich in H. im Landgerichtsbezirk Essen auf der Kreuzung der E- und der N-Straße ein Verkehrsunfall zwischen dem Pkw der Klägerin, gesteuert von dem Zeugen L und dem Pkw der Beklagten. Unstreitig befuhr der Zeuge L die N-Straße und wechselte vor der Lichtzeichenanlage am Kreuzungsbereich von der Geradeausspur auf die Linksabbiegespur, da auf der Geradeausspur ein Lkw bei Gelblicht abbremste. Der Zeuge beabsichtigte aber nicht nach links abzubiegen, sondern fuhr auf der Linksabbiegespur geradeaus weiter. Zur gleichen Zeit bog die beklagte Fahrerein des auf der entgegengesetzten Fahrbahn fahrenden Pkws der beklagten Halterin, der bei der ebenfalls beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versichert ist, nach links in die E-Straße ab. Hierbei kam es zur Kollision mit dem Pkw der Klägerin. Die Klägerin erlitt einen Schaden an ihrem Fahrzeug einschließlich Abschleppkosten , Sachverständigenkosten , Wertminderung und Kostenpauschale von rund 14.900,-- €. Sie begehrt die Hälfte des ihr entstandenen Schadens. Die beklagte Kfz-Versicherung lehnte eine Regulierung ab. Die Klägerin klagte vor dem örtlich zuständigen Landgericht den hälftigen Schaden von rund 7.450,-- € ein. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Der Klägerin stehen keine Schadensersatzansprüche aus den §§ 7 I, 18 I StVG, 823 I, 115 VVG gegenüber den Beklagten zu. Das Unfallereignis war weder für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs noch für die beklagte Fahrerin unvermeidbar im Sinne des § 17 III StVG. Anknüpfungspunkt ist der Idealfahrer. Hierbei kommt es nicht nur darauf an, wie ein Idealfahrer in der konkreten Gefahrensituation reagiert hätte, sondern auch darauf, ob ein Idealfahrer überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre (vgl. BGH NJW 1992, 1684; OLG Koblenz NZV 2006, 201). Gemäß dieser Maßstäbe wäre der Unfall für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs vermeidbar gewesen, wenn er nicht zu einem unzulässigen Überholvorgang über die Linksabbiegespur angesetzt hätte, um sodann im Kreuzungsbereich die Fahrt in Geradeausrichtung fortzusetzen. Im Gegenzug hätte aber auch die gegnerische Fahrerin den Unfall aus der Sicht eines Idealfahrers vermeiden können, indem sie vor dem Abbiegen das Verhalten des entgegenkommenden Fahrzeugs abgewartet hätte. Im Wege der Haftungsverteilung nach § 17 StVG ist der Klägerseite ein weit überwiegenderes Verschulden anzulasten. Ihr stehen daher keine Schadensersatzansprüche zu. Denn der Klägerin ist ein schwerer Verstoß gegen § 1 StVO vorzuwerfen. Das Fahrmanöver des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs war grob rücksichtslos. Es ist im Übrigen unzulässig, von der lediglich für den Linksabbiegeverkehr gewidmete und nur dafür freigegebene Fahrspur dann doch geradeaus zu fahren. Der Verstoß ist derart schwerwiegend, dass ein denkbarer Verstoß der Beklagten zurücktritt. Die beklagte Fahrerin des abbiegenden Pkw konnte davon ausgehen, dass ein ihre abbiegende Fahrspur kreuzender Verkehr nicht mehr drohte, da bereits der Lkw auf der Geradeausspur angehalten hatte. In Abwägung der Umstände, die zu dem Verkehrsunfall führten, ist die Verantwortung für den Verkehrsunfall allein bei der Klägerseite zu sehe.

Fazit und Praxishinweis: Das Benutzen der Linksabbiegespur, um dann doch geradeaus über eine Kreuzung zu fahren ist unzulässig. Kommt es infolge einer solchen Fahrweise zu einer Kollision mir einem entgegenkommenden, linksabbiegenden Kraftfahrzeug, so trifft den Geradeausfahrer grundsätzlich die alleine Schuld am Zustandekommen des Verkehrsunfalls. Die auf die Fahrbahn aufgemalten Richtungspfeile gebieten bereits die Richtung. Sind zwischen den mit Pfeilen versehenen Richtungsfahrbahnen durchgezogene Linien, so verbieten diese Linien bereits ein Überfahren. Der auf der Linksabbiegespur befindliche Fahrer ist gehalten der angeordneten Pfeilrichtung zu folgen.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung