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Zur Haftung bei Parkplatzunfall, wenn Fahrzeugtür geöffnet wird
LG Saarbrücken Berufungsurteil vom 2.11.2018 – 13 S 70/18

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Parkplatzunfälle sind nicht so selten. Aber dieser Verkehrsunfall, über den das Landgericht Saarbrücken in der Berufung zu entscheiden hatte, ist doch nicht alltäglich. Der Unfall ereignete sich nämlich dadurch, dass der einparkende Kraftfahrer gegen eine plötzlich geöffnete Tür eines geparkten Fahrzeugs fuhr. Das Amtsgericht Lebach hatte mit Urteil vom 25.4.2018 bis auf die hälftige Unkostenpauschale die Klage abgewiesen, nachdem die Kfz-Haftpflichtversicherung des geparkten Fahrzeugs die Hälfte des Schadens am einparkenden Fahrzeug vorgerichtlich ersetzt hatte. Die Berufung des Klägers führte zur Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und zur Verurteilung zur Zahlung weiterer 1.276,59 €.
Im Amtsgerichtsbezirk Lebach ereignete sich am 4.8.2016 im Bereich von zwei schräg angeordneten Parkbuchten vor einer Metzgerei bzw. Postagentur ein Verkehrsunfall. Zu dem Unfall kam es, als die Fahrerin des BMW M 315i des Klägers in eine freie Parkfläche einfuhr und dabei mit der geöffneten Fahrertür des Skoda Rapid der beklagten Fahrerin und Halterin, der bei der ebenfalls beklagten Kfz-Versicherung haftpflichtversichert war, kollidierte. Auf den Gesamtschaden von 5.057,34 € am BMW zahlte die Kfz-Haftpflichtversicherung des Skoda die Sachverständigenkosten in Höhe von 518,34 € direkt an den Sachverständigen sowie auf den Fahrzeugschaden 1.997,33 € an den Kläger. Den Restschaden in Höhe von 2.541,67 € nebst Zinsen und Anwaltskosten macht der Kläger mit seiner Klage vor dem Amtsgericht Lebach geltend. Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 25.4.2018 – 13 C 419/16 (71) - die Klage nach Beweisaufnahme bis auf 12,50 € hälftige Unkostenpauschale abgewiesen. Die wesentliche Begründung ist, dass nach Ansicht des erkennenden Richters der Unfall nicht aufklärbar sei, weshalb eine hälftige Teilung vorzunehmen sei. Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Berufung hat zum Teil Erfolg.

Zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagten grundsätzlich für die Folgen des Verkehrsunfalls gemäß § 7 I StVG i.V.m. § 115 VVG einzustehen haben. Der Unfallschaden ist nämlich beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges eingetreten, der Unfall ist nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen und stellt für keinen der unfallbeteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 III StVG dar. Auch der Fahrerin des klägerischen BMW-Fahrzeugs muss der Vorwurf gemacht werden, nicht wie ein Idealfahrer in die Parkfläche eingefahren zu sein. Unabwendbar ist ein Unfallereignis nämlich nur dann, wenn es auch durch äußerste Sorgfalt, gemessen an den Anforderungen eines Idealfahrers, nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinaus (BGHZ 113, 164, 165; BGHZ 117, 337; BGH VersR 1987, 158 ff.). Dass die Fahrerin des Klägers diesen Anforderungen genügt hätte, konnte der Kläger nicht nachweisen. Im Rahmen der gemäß § 17 StVG gebotenen Haftungsabwägung rügt allerdings die Berufung zu Recht, dass das angefochtene Urteil keinen Verstoß der beklagten Fahrerin des Skoda beim Öffnen der Fahrertür berücksichtigt hat. Zwar findet § 14 I StVO auf Parkplätzen grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung, denn diese Vorschrift schützt den fließenden Verkehr (OLG Frankfurt OLGR 2009, 850 ff; Hentschel/König/Dauer StrVerkR. 44. A. § 14 Rn. 5; LG Saarbrücken NZV 2013, 594). Allerdings trifft auch den Aussteigenden auf Parkplätzen im Rahmen der allgemeinen Rücksichtnahme im Sinn des § 1 II StVO die Pflicht, sich vor dem Türöffnen zu vergewissern, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt wird. Dabei können auch auf öffentlichen Parkplätzen die strengen Sorgfaltsmaßstäbe des fließenden Verkehrs zumindest sinngemäß angewendet werden (vgl. LG Saarbrücken SVR 2018, 341; Hentschel/König/Dauer aaO Rn. 9; Freymann DAR 242, 246). Ob zu Lasten des Türöffnenden auf dem Parkplatz auch – wie bei § 14 StVO – ein Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden eingreift, kann hier offengelassen werden. Aufgrund der vorgelegten Lichtbilder und des Sachverständigengutachtens ergibt sich, dass die Tür etwa im 45-Grad-Winkel geöffnet war und in die daneben liegende Parkfläche hineinragte. Ein unfallursächlicher Sorgfaltsverstoß der Fahrerin des klägerischen BMW lässt sich nicht nachweisen. Zwar hat auch der Einparkende nach § 1 II StVO auf den neben seiner Parklücke befindlichen Verkehrsteilnehmern Rücksicht zu nehmen. Zu Recht hat das Amtsgericht jedoch nicht feststellen können, dass die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs gegen die Pflicht aus § 1 StVO verstoßen hat. Sie ist nach dem Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht zu schnell gefahren. Die Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile führt zu einer Quotelung von 75 % zu 25 % zu Lasten der Beklagten.

Fazit und Praxishinweis: Dieses Urteil zeigt, dass auch auf öffentlichen Parkplätzen mit größter Sorgfalt gefahren werden muss. Auch der Aussteigende hat auf öffentlichen Parkplätzen besondere Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten. Etwas anderes kann auf privaten Parkplätzen gelten, auf denen kein besonderer Fahrverkehr zu erwarten ist. Auf öffentlichen Parkplätzen gilt auf jeden Fall die Sorgfaltspflicht des § 14 StVO zumindest sinngemäß. Vom Aussteigenden wird ein Höchstmaß an Sorgfalt erwartet. Allerdings hat auch der in eine freie Parklücke hineinfahrende Fahrer Sorgfaltspflichten zu beachten. Er hat mit angepasster, langsamer Geschwindigkeit in die Parklücke zu fahren und muss die rechts und links neben ihm befindlichen Fahrzeuge beachten. Mit einem Öffnen der Fahrzeugtüren muss gerechnet werden, so dass er immer sofort bremsen kann.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung