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Amtsgericht Fürth spricht Unfallgeschädigtem Ausgleich der gesamten Sachverständigenkosten zu
AG Fürth Urteil vom 25.3.2019 – 390 C 1786/18

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Die von dem vom Geschädigten eingeschalteten Sachverständigen berechneten Kosten sind nach wie vor Gegenstand von Kürzungen durch die einstandspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers. Auch wenn zwischen dem Geschädigten und dem von ihm beauftragten Kfz-Schadensgutachter eine Honorarvereinbarung getroffen wurde, und damit der vereinbarte Honorarbetrag mit den vereinbarten Nebenkosten und Mehrwertsteuer darauf als vom Geschädigten auszugleichender Betrag feststeht, weil der Geschädigte insoweit mit einer Zahlungsverpflichtung belastet wird, die ihren Grund in dem Unfallereignis hat, kürzen die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer die so berechneten Sachverständigenkosten.
Immer mehr Geschädigte lassen sich die unberechtigten Kürzungen durch die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherer nicht mehr gefallen und klagen die gekürzten Beträge ein. Die Gerichte sprechen überwiegend den Geschädigten die gekürzten Schadensbeträge zu. So war es auch am Amtsgericht Fürth, als dieses das nachfolgend dargestellte Urteil am 25.3.2019 verkündete.

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall im November 2015 beauftragte der Geschädigte einen anerkannten Kfz-Sachverständigen aus Z. mit der Erstellung eines Gutachtens, damit der Umfang und die Höhe des Fahrzeugschadens beweissichernd festgestellt wird. Zwischen dem Geschädigten und dem Kfz-Sachverständigen wurde eine Honorarvereinbarung am 16.11.2015 abgeschlossen. Entsprechend der getroffenen Vereinbarung berechnete er Sachverständige nach Erstellung des Schadensgutachtens seine Rechnung. Diese Rechnung sandte der Sachverständige aufgrund der ebenfalls getroffenen Abtretungsvereinbarung an die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers. Diese regulierte allerdings nur einen Teil der berechneten Sachverständigenkosten. Der von der Kfz-Versicherung nicht beglichene Teil wurde rückabgetreten an den Geschädigten, damit dieser seinen aus dem Unfall resultierenden Restschaden gegenüber dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung gerichtlich geltend machen kann. Auch gegenüber dem Geschädigten blieb die VHV Allgemeine Versicherung AG aus Hannover bei ihrer ablehnenden Haltung. Daraufhin klagte der Geschädigte den nicht regulierten Restbetrag von 258,55 € bei dem zuständigen Amtsgericht Fürth ein. Nach einer Beweisaufnahme verurteilte das erkennende Gericht den Schädiger und dessen Versicherer als Gesamtschuldner zur Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten.

Die zulässige Klage ist begründet. Die Beweisaufnahme, bei der der Kfz-Sachverständige als Zeuge gehört wurde, hat ergeben, dass zwischen dem Geschädigten als Kläger und dem Sachverständigen eine wirksame Honorarvereinbarung getroffen worden ist. Der Kläger schuldet daher dem Sachverständigen die Bezahlung des vereinbarten Honorars nach § 632 II BGB. Auf die von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung angesprochene Üblichkeit des Honorars kommt es daher nicht an. Die Rechnung des Sachverständigen steht mit der Honorarvereinbarung in Einklang, so dass der Werklohn auch der Höhe nach begründet ist. Der Werklohnanspruch, dem der Geschädigte ausgesetzt ist, stellt den erstattungsfähigen Schaden nach § 249 BGB dar. Anhaltspunkte, anhand derer der Kläger hätte erkennen können, dass er sich auf die Vereinbarung eines womöglich überhöhten Honorars einlässt, sind nicht ersichtlich. Ein Geschädigter ist weder zur Markterforschung nach dem preisgünstigsten Sachverständigen verpflichtet, noch können von einem Geschädigten Kenntnisse des JVEG, dessen Sätze von Teilen der Rechtsprechung als Maßstab für die Angemessenheit der Höhe von Nebenkosten herangezogen wird, erwartet werden. Der Geschädigte ist vor überhöhten Sachverständigenkosten in ausreichendem Ausmaß dadurch geschützt, dass der Geschädigte verpflichtet ist, auf Verlangen Rückforderungsansprüche an den von im beauftragten Sachverständigen abzutreten. Die Beklagten schulden daher dem Geschädigten als Kläger auch die Erstattung der restlichen geltend gemachten Sachverständigenkosten.

Fazit und Praxishinweis: Der Entscheidung des Amtsgerichts Fürth ist zuzustimmen. Trifft der Geschädigte mit dem von ihm beauftragten Kfz-Sachverständigen eine Honorarvereinbarung und rechnet der Sachverständige seine Kosten entsprechend dieser Honorarvereinbarung ab, so ist der Geschädigte um den Rechnungsbetrag mit einer Zahlungsverpflichtung belastet. Diese Zahlungsverpflichtung in Höhe des Rechnungsbetrages stellt nach herrschender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung einen erstattungsfähigen Schaden dar. Denn der Geschädigte ist um diesen Betrag in seinem Vermögen geschmälert, wenn er den Betrag bezahlt. Aber auch wenn der Rechnungsbetrag noch nicht bezahlt ist, ist der Geschädigte mit der Zahlungsverpflichtung belastet, weil der Geschädigte nicht verpflichtet ist, es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Sachverständigen ankommen zu lassen. Der eintrittspflichtige Schädiger ist auch bei vollständiger Ausgleichung der seiner Ansicht nach überhöhten Sachverständigenkosten dadurch geschützt, dass er sich den vermeintlichen Rückforderungsanspruch des Geschädigten gegen den Sachverständigen abtreten lässt. Dann kann der Schädiger oder sein Haftpflichtversicherer aufgrund er abgetretenen Forderung gegen den Sachverständigen vorgehen. Die Rechnung des Sachverständigen aufgrund der getroffenen Honorarvereinbarung ist – ob bezahlt oder noch nicht – ist ein erstattungsfähiger Schaden im Sinne des § 249 I BGB. Der vom Geschädigten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall zur Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe hinzugezogene Kfz-Sachverständige ist nämlich der Erfüllungsgehilfe des Schädigers bei der Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustandes. Zu Recht hat daher der BGH bereits Anfang 2007 entschieden, dass die Kosten des Sachverständigengutachtens zu dem mit dem Unfallschaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören, wenn die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann). Da der Geschädigte in der Regel technischer Laie sein wird, ist er zur Feststellung der Schadenshöhe und des Schadensumfangs auf sachverständige Hilfe angewiesen. Er ist daher grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen zur Ermittlung der Schadenshöhe und des Schadensumfangs hinzuzuziehen. Dabei ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preiswerten Sachverständigen ausfindig zu machen (BGH DS 2007, 144 ff.).

Zu Recht hat das erkennende Gericht auch eine Übertragung der Grundsätze des JVEG auf die Vergütung und die Nebenkosten des vom Geschädigten hinzugezogenen Sachverständigen verneint und damit – zu Recht – gegen die Rechtsprechung des LG Saarbrücken und des BGH gestellt. Die Rechtsprechung des LG Saarbrücken und des BGH sind abzulehnen, weil der Anwendungsbereich des JVEG auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt ist. Danach gelten die Regelungen des JVEG nur für gerichtlich bestellte Sachverständige. Einer Übertragung des JVEG auf Privatgutachter steht schon der Umstand entgegen, dass Privatgutachter im Unterschied zu gerichtlich bestellten Sachverständigen, die zu den Streitparteien nicht in einem Vertragsverhältnis stehen, dem Auftraggeber – der Vertrag zwischen Sachverständigem und Geschädigtem ist nämlich ein Werkvertrag (BGH VersR 2006, 1131) – nach allgemeinen Regeln sowohl vertragsrechtlich als auch deliktisch haften, während die Haftung gerichtlich bestellter Sachverständiger der Sonderregelung des § 839 a BGB unterliegt, die die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt hat, damit der gerichtlich bestellte Sachverständige seine gutachterliche Tätigkeit ohne den Druck eines möglichen Rückgriffs der Parteien ausüben kann (BGH VersR 2006, 1131 ff. Rn. 19; BGH DS 2007, 144 ff Rn. 21). Diese zutreffenden Überlegungen hat das erkennende Amtsgericht in seine oben dargestellte Entscheidung einfließen lassen. Es wäre sinnvoll und wünschenswert, wenn die Untergerichte entgegen der – nicht überzeugenden – Rechtsprechung des BGH die Rechnung des Privatsachverständigen als erstattungsfähigen Schaden anerkennen würden, wobei es auch entgegen der Rechtsprechung des BGH gleichgültig ist, ob die Rechnung beglichen ist oder nicht, da auch im Falle der Nichtausgleichung eine Belastung mit einer Zahlungsverpflichtung vorliegt, die ebenfalls als erstattungsfähiger Schaden anerkannt ist. Dem Schädiger entsteht auch kein Schaden, da er sich den eventuellen Rückforderungsanspruch des Geschädigten an den Sachverständigen abtreten lassen kann. Er kann dann, wenn er tatsächlich der Ansicht ist, die Sachverständigenkosten seien überhöht, aus der abgetretenen Forderung gegen den Sachverständigen vorgehen. Das erscheint auch zutreffend zu sein, denn der on den Kfz-Haftpflichtversicherern entfachte Streit über die Höhe der Sachverständigenkosten darf nicht auf dem Rücken der Geschädigten ausgetragen werden.
Quellen
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