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Ungewisse Zukunft: Was wird aus Opel?
Betriebsräte dringen auf Investitionen | Gespräche zwischen Management und Arbeitnehmervertretern

RobGal

Opels Zukunft ist unklar. In der Belegschaft fragt man sich wohl inzwischen, ob der Eigentümerwechsel von General Motors zu PSA (Peugeot, Citroën, DS) vor eindreiviertel Jahren überhaupt eine Verbesserung für das Unternehmen und die Sicherheit der Arbeitsplätze bedeutet. 2018, unter dem neuen Eigner, konnte Opel zwar erstmals seit achtzehn Jahren wieder schwarze Zahlen schreiben, jedoch nicht in Folge eines erhöhten Absatzes, sondern durch den Verkauf teurerer Automodelle und vor allem durch Kostenreduzierung und Arbeitsplatzabbau. PSA-Chef Carlos Tavares eilt ein Ruf als harter Sanierer voraus.
Spätestens nachdem das Opel-Management Ende März angekündigt hatte, ein Drittel der 1.200 Stellen im Wiener Getriebewerk zu streichen, weil externe Aufträge ausliefen, ist auch die Belegschaft im Rüsselsheimer Stammwerk und in den beiden anderen deutschen Fabriken in Eisenach und Kaiserslautern verunsichert bis empört. Gerüchte um Kapazitäts- und Stellenabbau sowie um Produktionsverlagerung zu PSA nach Frankreich machen die Runde. Bereits jetzt kommt es immer wieder zu Unterauslastungen in Opel-Werken.

Vor dem Beginn neuer Gespräche zwischen der Geschäftsführung, dem Betriebsrat und der IG Metall Mitte April wandte sich die Arbeitnehmerseite gegen angebliche Pläne, ein Drittel der 3.000 Arbeitsplätze in Rüsselsheim abzubauen, und kündigte gegen diese „Schrumpfungsstrategie“ Proteste an. Dabei beruft sich die Gewerkschaft auf einen im vergangenen Jahr vereinbarten Sanierungstarifvertrag, der eine Beschäftigungsgarantie bis Mitte 2023 und strategisch relevante Investitionen in alle deutschen Standorte vorsieht, um auch für die Mobilität der Zukunft vorbereitet zu sein. Auf das in Aussicht gestellte Engagement in Milliardenhöhe, das die Arbeitsplätze und die Zukunft des Unternehmens sichern soll, warten die Beschäftigten bislang weitgehend vergebens.

Auf die Kritik der Arbeitnehmerseite reagierte ein Opel-Sprecher mit einem Dementi zu etwaigen Plänen zum Jobabbau, und er bekräftigte die Gültigkeit des Sanierungstarifvertrags. In den aktuellen Gesprächen würden „weitere Investitionspläne“ erörtert, sagt er. Opel-Chef Michael Lohscheller kündigte gleichzeitig an, dass in Rüsselsheim künftig ein zweites Modell produziert werde. Im Stammwerk läuft in wenigen Monaten die Produktion des Van Zafira aus, und das Mittelklassemodell Insignia allein wird nicht ausreichen, die Produktionskapazitäten auszuschöpfen.

Laut Medienberichten, die sich auf anonyme Unternehmensquellen stützen, soll die neue Generation des Astra samt erstmaliger Elektrovariante in Rüsselsheim gebaut werden. Der Kompaktwagen gehört zu Opels wichtigsten Modellen und wird zurzeit in England und Polen hergestellt. Die technische Basis des Astra wird eine PSA-Plattform sein. Bis es aber soweit ist, vergehen noch gut zwei Jahre. In dieser Zeit könnten Arbeitsplätze abgebaut und durch Leiharbeiter ersetzt werden, wie die IG Metall befürchtet, die mit ihrer Forderung nach Investitionen auch Kurzarbeit verhindern möchte.

In diesem Zusammenhang gewinnt auch der Konflikt um die Aufteilung des ebenfalls in Rüsselsheim angesiedelten Opel-Entwicklungszentrums an Bedeutung. Es ist für die Technologie des Unternehmens und damit für seine Zukunft von entscheidender Bedeutung. Aus Kostengründen will PSA das Entwicklungszentrum teilweise an den international agierenden französischen Ingenieurdienstleister Segula veräußern. 2.000 der 6.400 Beschäftigten sollten ursprünglich mitgehen, was aber am Widerstand der IG Metall scheiterte. Die Gewerkschaft hegt Zweifel an Segulas geschäftlichem Erfolg, weil sie konkrete Projekte und sichere Kunden vermisst. Deshalb forderte die IG Metall Kündigungsschutz und Rückkehrrecht für die Wechsler.

Dabei kam eine Einigung in Form eines Abfindungsprogramms heraus, das wahlweise aus einer Barzahlung, Vorruhestand oder Altersteilzeit besteht. Unklar ist, wie viele Beschäftigte es in Anspruch nehmen werden. Es wurden bereits Befürchtungen laut, dass Opel durch das Abfindungsprogramm an Fachwissen in der Entwicklung verlieren könnte.

Droht Opel eine technologische Entkernung?
Nun bietet Segula den Wechslern ähnliche Konditionen an, wie sie diejenigen haben, die bei Opel bleiben. Das verbleibende, reduzierte Entwicklungszentrum soll nicht nur für Opel zuständig sein, sondern auch Aufgaben innerhalb des PSA-Konzerns übernehmen. Segula arbeitet für externe Kunden, unter anderem auch für PSA.

Die Auseinandersetzungen um das Stammwerk und das Entwicklungszentrum lassen Befürchtungen aufkommen, dass PSA es auf die technologische Entkernung von Opel abgesehen haben könnte. Dann wäre nicht ausgeschlossen, dass Opel zur Hülle für PSA-Autos und zu einem bloßen Standbein für den umkämpften deutschen Automarkt verkommt, ähnlich wie es der britischen Schwestermarke Vauxhall widerfahren ist. Gleichzeitig könnte sich PSA die Rüsselsheimer Ingenieurskunst zunutze machen. Opels Geschäftsführung verwies zuletzt immer wieder darauf, das Opel-Design zu behalten und im PSA-Konzern für die leichten Nutzfahrzeuge und die Brennstoffzellentechnologie zuständig zu sein.

Eine strategische Gewissheit oder planerische Sicherheit ist bei Opel und PSA noch nicht auszumachen.
Quellen
    • Foto: Opel | Text: Olaf Walther/Kristian Glaser (kb)