Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

Prognose für 2040: Die Tankstelle wird zum Mobilitätszentrum
Im Zuge der Verkehrswende wandelt sich auch die Tankstelle | Knotenpunkt im integrierten Verkehrssystem

RobGal

Der Umbruch des Verkehrssystems wird nicht nur neue Mobilitätskonzepte entstehen lassen, es wird auch zu einer zunehmenden Vernetzung der Verkehrsmittel miteinander kommen. Reisende werden beispielsweise vom Fernzug auf ein Sammeltaxi in der Stadt umsteigen und für die letzten Meter ein (Elektro-)Mietfahrrad nutzen – im Idealfall alles optimal aufeinander abgestimmt.
Erste Ansätze für solch ein integriertes Verkehrssystem gibt es bereits, etwa wenn Carsharing- und Fahrradleihstationen an Bahnhöfen entstehen oder Projekte mit Sammeltaxis durchgeführt werden, die Fahrgäste von der Haustür zur nächsten ÖPNV-Haltestelle und zurück bringen. Dabei stellt sich eine bislang wenig beachtete Frage: Wo sollen die vielen Menschen eigentlich umsteigen? Wie wäre es, schlägt Aral vor, man nähme die Tankstellen und baut sie zu Knotenpunkten aus?

Aral wollte es genauer wissen und beauftragte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit einer Studie über die Verkehrsentwicklung in der Zukunft und was sie für das Tankstellengeschäft bedeuten mag. Das DLR-Institut für Verkehrsforschung sprach daraufhin mit Experten und rechnete mit Modellen die jetzigen Verkehrsdaten hoch. Daraus entstand ein Szenario für das Jahr 2040. Mögliche Veränderungen in Politik oder Wirtschaft, etwa die Einführung staatlicher Quoten für E-Autos, wurden ausdrücklich nicht einbezogen. Vielmehr wurde der heutige Ist-Zustand in die Zukunft verlängert, wie die Leiterin des Instituts, Professorin Barbara Lenz, bei der Vorstellung der Studie vor Journalisten Mitte Mai in Berlin betonte.

Erheblich mehr Verkehr trotz sinkender Bevölkerungszahl

Die Studie ergab, dass die Personen- und Lastwagen in der Bundesrepublik 2040 trotz sinkender Bevölkerungszahl ein Viertel mehr Kilometer zurücklegen werden als noch 2010, vor allem wegen des wachsenden Online-Handels und weil neue, nicht zuletzt autonome Mobilitätsangebote immer mehr Menschen von A nach B bringen. Allein die Nutzfahrzeuge werden ihre Kilometerzahl verdoppeln. Damit droht das Problem der überlasteten Infrastruktur sich weiter zuzuspitzen.

Auch wenn in zwanzig Jahren drei von vier Pkw elektrifiziert sein werden, tanken immer noch zwei Drittel konventionellen Kraftstoff, denn es werden vor allem die Hybridautos mit kombiniertem Verbrennungs- und Elektromotor sein, die boomen. Auf dem Land wird man am meisten auf den privaten Pkw angewiesen sein, weil die Infrastruktur weiter ausgedünnt wird – immer vorausgesetzt, dass das vom DLR prospektierte Szenario eintritt.

Auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass diese konservative Vision des DLR im Detail Wirklichkeit wird – Staat und Unternehmen können eben nicht so weitermachen –, lassen sich daraus Tendenzen ablesen, die nicht unrealistisch zu sein scheinen. Auf dieser Grundlage haben Aral-Strategen einige grobe Vorstellungen zur Tankstelle der Zukunft entwickelt, differenziert nach Stadt, Land, Autobahn und „Speckgürtel“.

Gemeinsam ist ihnen, dass das, was eine heutige Tankstelle ausmacht, erhalten bleibt, nämlich Kraftstoffverkauf, ein kleiner Shop sowie eine Autowaschanlage. Es wird jedoch ergänzt um neue Angebote und Dienstleistungen. Dazu gehören ganz wesentlich Ladestationen und ein umfangreiches Angebot an alternativen Kraftstoffen (CNG, LNG, LPG) sowie Wasserstoff. Benzin und Diesel werden steigende synthetische und Bioanteile aufweisen. Die Tankstelle an der Autobahn könnte zum Umsteigebahnhof für Reisende und Umschlagplatz für Güter werden, die hier vom autonomen Fernverkehr zu fahrergeführten, kleineren Bussen und Transportern Richtung Stadt wechseln. Für die Fahrer stehen Übernachtungsmöglichkeiten bereit, die Nutzfahrzeuge lassen sich auf großen Parkplätzen abstellen, wie der Aral-Vorsitzende, Patrick Wendeler, skizziert. Sinnvoll wäre auch die Einrichtung einer Haltestelle für Shuttledienste oder den Fernbus. Zudem könnte man die Tankstelle der Zukunft in der Nähe eines Bahnhofes errichten, wie Barbara Lenz überlegt.

Der urban geprägte ländliche Kreis ist das Eingangstor zur Stadt, hier wird viel gependelt. Die Tankstelle wäre der ideale Ort zum Umsteigen vom eigenen Pkw auf ein kollektives Verkehrsmittel, um zum Arbeitsplatz in der Stadt zu gelangen Prioritätsspuren könnten dem ÖPNV die schnelle Fahrt am Stau vorbei garantieren und seine Attraktivität erhöhen, hat sich Aral überlegt. Das ließe sich bereits mit autonomen Fahrzeugflotten bewerkstelligen, deren Marktreife das DLR schon für 2024 erwartet. Die Flottenbetreiber müssten ein Angebot für kleinere Reparaturen, Wartungsarbeiten oder zur Wäsche vorfinden, denn „geteilte“ Fahrzeuge müssen häufiger gereinigt werden, wie Wendeler weiß. An ultraschnellen Ladestationen ließen sich E-Fahrzeuge in nur fünf Minuten für 145 Kilometer „auftanken“, vielleicht sogar von Tankrobotern bedient.

Ersatz für die ausgedünnte Infrastruktur auf dem Land

Auf dem Land soll die Tankstelle helfen, die ausgedünnte Infrastruktur zu kompensieren, „und ein sozialer Treffpunkt sein und bleiben“, so Wendeler. In Frage käme der Anschluss eines größeren Supermarkts und einer Paketstation samt kombiniertem Personen-Güter-Verkehr. Die Idee: Regionale Handwerksbetriebe oder Pflegedienste nehmen die Pakete auf ihrer Tour in entlegene Gebiete mit.

An der Tankstelle in der Großstadt werden viele neue Mobilitätsdienste gebündelt, stellt sich Aral vor: E-Fahrräder, Sharing-Angebote, autonome Sammeltaxis, eventuell sogar Lufttaxis. „Sie alle stehen bereit und werden während ihrer Standzeit geladen oder gewartet“, schlägt Wendeler vor. Akkus ließen sich, wenn es besonders schnell gehen muss, an Automaten austauschen. Vorstellbar ist auch eine Anbindung an das ÖPNV-Netz. Wartende erfrischen sich im Bistro, Geschäftsleute treffen sich in mietbaren Büro- oder Versammlungsräumen. Dabei hat Aral auch den geringen Platz in der Stadt bedacht: Die Tankstelle der Zukunft könnte mehrgeschossig ausgebaut sein.

An der Umsetzung einiger dieser Visionen wird bereits gearbeitet, ließ der Aral-Vorsitzende erkennen. So experimentiert Aral in Berlin bereits mit Akkuwechselstationen für E-Fahrzeuge, und in Bochum wird die erste Pilotstation mit ultraschnellem Laden eingeführt. Aral sieht eine „neue Säule“ des Tankstellengeschäfts kommen: das Mobilitätszentrum. „Je nach Raumtyp werden unsere Stationen zum Umsteigeplatz mit Rundumversorgung, zum Dreh- und Angelpunkt des Nutzfahrzeugverkehrs oder zum sozialen Treffpunkt“, sagte Wendeler.
Quellen
    • Foto: © Alex White - Fotolia.com | Text: Kristian Glaser (kb)