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DLR-Studie zu Mobilitätstrends und Klimaschutz: „Durchgreifende Maßnahmen sind nötig, aber nicht erkennbar“
Studie: 2030 wird es nicht die nötigen zehn Millionen E-Autos geben, sondern nur 500.000, sofern sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert | Sammeltaxis erhöhen Verkehr | Herausforderungen: alternative Antriebe, Güterverkehr und Mobilität auf dem Land

RobGal

Zehn Millionen Elektroautos bis 2030 sind für Verkehrsminister Scheuer (CSU) der erforderliche Beitrag des Verkehrsbereichs für den Klimaschutz. Davon ist die Bundesregierung jedoch noch etwas entfernt: Anfang des Jahres waren laut Kraftfahrt-Bundesamt 83.175 Elektro-Pkw auf den Straßen unterwegs. Großzügig gerechnet ist eine Verhundertfachung in weniger als elf Jahren nötig, will man die Zehn-Millionen-Marke rechtzeitig erreichen. Doch wenn Regierung und Unternehmen so weitermachen wie bislang, wird es selbst im Jahr 2040 nicht einmal eine halbe Million Elektro-Pkw geben, wie eine aktuelle Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ergab. „Mit diesen Werten werden wir die Klimaziele nicht erreichen“, sagte halb sarkastisch, halb warnend Professor Barbara Lenz, die Leiterin des DLR-Instituts für Verkehrsforschung, bei der Präsentation ihrer Untersuchung Mitte Mai.
Deren Zweck war eigentlich, eine Prognose zur „Tankstelle der Zukunft“ im Auftrag von Aral zu erstellen. Dafür mussten die DLR-Wissenschaftler die Mobilitätstrends bis zum Jahr 2040 ermitteln. Neben Expertengesprächen nutzten sie eigene Rechenmodelle, die sie mit offiziellen Statistiken und Daten zu den gegenwärtigen Rahmenbedingungen fütterten. Das Ergebnis ist ein Szenario, das den derzeitigen Ist-Zustand – ohne verändernde politische Maßnahmen – in die Zukunft verlängert. Das sich daraus ergebende Bild für das Jahr 2040 kommt einem verkehrspolitischen Warnsignal gleich, zeigt aber gleichzeitig den Handlungsbedarf auf.

Erheblich mehr Verkehr bei sinkender Bevölkerungszahl

Während die Bevölkerungszahl in Deutschland der Studie zufolge zwischen 2010 und 2014 deutlich sinkt, wächst der Pkw-Bestand um sechs Prozent. Die Summe aller mit einem Auto zurückgelegten Kilometer erhöht sich sogar um ein Viertel. Allein die Nutzfahrzeuge verdoppeln ihre Kilometer.

Die alternativen Antriebsarten werden 2040 immer noch ein Schattendasein führen – stets vor-ausgesetzt, dass an den Rahmenbedingungen nichts geändert wird. Reine E-Pkw werden im Jahr 2030 die 500.000-Marke erreicht haben und eine Dekade später auch erst bei 1,3 Millionen liegen. Plug-in-Hybride klettern bis 2040 auf einen Pkw-Anteil von 16 Prozent, gleichzeitig werden immer noch 23 Prozent der Personenwagen, fast jeder vierte, von einem reinen Verbrennermotor angetrieben.

Bei den Nutzfahrzeugen sieht es kaum besser aus: 22 Prozent werden mit einem reinen Dieselmotor ausgestattet sein, genauso viele mit einem Plug-in-Hybrid- oder Elektroantrieb. Die allermeisten Personen- und Lastwagen werden eine einfache hybride Verbrenner-Elektro-Kombination aufweisen. Während im Zuge der Fahrverbotediskussion zuletzt die Städte im Zentrum des öffentlichen Interesses standen, lässt die DLR-Untersuchung erkennen, dass Handlungsbedarf nicht minder auf dem Land besteht. Dort, wo knapp neun von zehn Haushalten einen Pkw besitzen, hat die Bevölkerung mit den Folgen des systematischen Abbaus von Buslinien und der Stilllegung von Zugverbindungen zu kämpfen. „Auf dem Land bleibt das eigene Auto alternativlos“, muss Barbara Lenz anhand des Szenarios feststellen.

Eine weitere Baustelle betrifft die Lastwagen. Der unaufhörliche Aufschwung des Online-Handels mit dem einzelnen Versand eines jeden Artikels (plus Retouren) führt ebenso wie eine von Lenz erwartete anhaltende gesamtwirtschaftliche Dynamik dazu, dass sich die gefahrenen Kilometer im Nutzfahrzeugverkehr zwischen 2010 und 2040 verdoppeln werden. Auf der Autobahn wird das Plus sogar 106 Prozent betragen. Wo sollen die alle fahren?

„Derzeit stehen wir am Beginn eines möglicherweise tiefgreifenden Wandels des Verkehrs, dessen Treiber und Auswirkungen zunehmend deutlich werden“, ist Barbara Lenz der Auffassung. Ihre Stichworte sind: Digitalisierung, Automatisierung, Vernetzung, Elektrifizierung, aber auch „gänzlich neue Angebots- und Organisationsformen“ sowie der „Wandel in Mobilitätsbedürfnissen und Mobilitätsverhalten“. Lenz macht deutlich, dass man sich nicht auf kollektive Verkehrsformen wie Mitfahrdienste verlassen sollte, will man Straßen und Umwelt entlasten. So zeige sich in im New Yorker Stadtbezirk Manhattan, dass die dort boomenden Mitfahrdienste sehr oft nicht als Alternative zum eigenen Auto angesehen werden, sondern als Ersatz zum Rad, zum Fußmarsch oder als Möglichkeit, sich überhaupt erst auf den Weg zu machen.

Sich nicht auf den Markt oder technologische Innovationen verlassen

Ähnliches gilt für das autonome Fahren, dessen Marktreife Barbara Lenz bereits ab 2024 erwartet. Roboterautos werden aus Lenzens Sicht aus drei Gründen sogar zu einer Zunahme der Gesamtfahrleistung führen: Im selbstfahrenden Auto kann man die Fahrzeit etwa zum Arbeiten nutzen, das erhöht die Attraktivität. Zweitens können auf einmal auch Kinder und mobilitätseingeschränkte Menschen allein mit dem Auto fahren. Drittens wird der Einsatz von „Robo-Taxis“ dazu führen, dass die Menschen mehr und länger unterwegs sein werden.

Die wissenschaftlichen Aussagen von Barbara Lenz und ihrem Team machen deutlich, dass man sich nicht auf den Markt oder auf technologische Innovationen verlassen kann, will man das Klima ernstlich schützen. „Durchgreifende Maßnahmen wären nötig, die sind derzeit aber nicht erkennbar“, geht Barbara Lenz mit der derzeitigen Politik ins Gericht. Ihre Untersuchung legt die verkehrspolitischen Schwächen der Gegenwart in Sachen Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz bloß. Das verlangt nach Konsequenzen. Neben der Durchsetzung der alternativen Antriebe sind es die vernachlässigte Mobilität auf dem Land und der Gütertransport, wo Veränderungen nottun, damit der Verkehrsbereich seinen Beitrag zum Schutz des Klimas leistet und zugleich die Mobilität für alle Menschen verbessert wird.
Quellen
    • Foto: © lightsonscience - Fotolia.com | Text: Kristian Glaser (kb)