Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

EuGH-Urteil: Aus die Maut
Europäischer Gerichtshof stoppt Pkw-Maut | Bereits viel Geld ausgegeben, weil Urteil nicht abgewartet

RobGal

Die politischen Protagonisten aus den Unionsparteien, vornehmlich der CSU, waren sich sicher, dass die Pkw-Maut spätestens im Oktober 2020 in der Bundesrepublik eingeführt wird. Dem hat nun aber der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Wie vielfach erwartet, brachten die Luxemburger Richter an, dass die Straßenabgabe diskriminierend ist, weil einzig ausländische Autofahrer finanziell belastet werden sollten. Inländische Fahrzeughalter sollten hingegen durch Nachlass bei der Kfz-Steuer in Höhe des Mautpreises quasi befreit werden. Darüber hinaus erkannten die Richter eine Einschränkung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs durch steigende Transportkosten.

Interessant ist auch das Argument der Richter, wonach das Angebot für ausländische Fahrer, eine Vignette für zehn Tage oder zwei Monate zu erwerben, dem Prinzip der Benutzerfinanzierung gefolgt wäre, während bei den deutschen Autofahrern, welche die Möglichkeit der Kurzzeit-Maut nicht erhalten hätten, das Steuerfinanzierungsprinzip gelten sollte. Aus allen diesen Gründen erklärten die Richter, dass die geplante Pkw-Maut nicht mit dem EU-Recht übereinstimmt. Damit folgten sie der Klage Österreichs gegen die Bundesrepublik.

An Ablehnung, Kritik und Warnungen hatte es im Vorwege nicht gemangelt. Angela Merkel hatte sich in den letzten Jahren als Bundeskanzlerin, CDU-Vorsitzende und Wahlkämpferin wiederholt gegen die vor allem von der CSU betriebene Einführung ausgesprochen. Es gab Kritik von SPD, Grünen und Linken, daneben artikulierten sich auch die meisten Nachbarländer ablehnend. Bereits der wissenschaftliche Dienst des Bundestages war zu dem Ergebnis gekommen, dass die projektierte Straßenabgabe eine Ungleichbehandlung darstelle und dem EU-Recht widerspreche.

Der ADAC wies in einer Studie darauf hin, dass der Verwaltungsaufwand der Maut die Einnahmen übersteigen würde und widersprach damit dem Bundesverkehrsministerium, das Einnahmen in Höhe von 500 Millionen jährlich erwartete, um damit das Straßennetz zu finanzieren.

Dennoch konnte die CSU ihr Vorhaben 2013 in den Koalitionsvertrag von Union und SPD durchsetzen. Zwei Jahre später wurde die „Infrastrukturabgabe“ von Bundestag beschlossen. Bei der juristischen Auseinandersetzung vor dem EU-Gerichtshof bekam die Bundesregierung Unterstützung von der dänischen Regierung, Österreich erhielt für seine Klage Beistand von den Niederlanden. Das EuGH-Urteil war mit Spannung erwartet worden, nachdem nicht nur die EU-Kommission überraschend ihren Segen zur Pkw-Maut gegeben hatte, sondern auch der Generalanwalt, dessen Votum der EuGH sehr selten nicht folgt. Die Kommission hatte vor zwei Jahren ihre ursprünglichen Vorbehalte aufgrund des Diskriminierungsverbots fallengelassen, nachdem das Bundesverkehrsministerium sein Konzept abgeändert und eine umweltpolitische Preisstaffelung nach Größe und Abgaseinstufung des Motors aufgenommen hatte.

Die Idee einer Pkw-Maut geisterte seit Anfang der 90er Jahre immer wieder durch die politischen Debatten, um die Nutzer stärker zur Finanzierung des Straßensystems heranzuziehen. Kritiker wiesen auf den bürokratischen Aufwand, eine sozial ungerechte Verteilung der Lasten und den öffentlichen Charakter des Straßenwesens hin, was eine Privatisierung der Kosten verbiete. Die Union sah sich zunehmend mit dem Problem konfrontiert, dass Mehrheiten in der Bevölkerung keine weiteren finanziellen Belastungen wünschten, das drückte sich auch in Umfragen aus. Im Bundestagswahlkampf 2013 ersann die CSU dann den Plan einer „Ausländer-Maut“, später „Infrastrukturabgabe“ genannt. Die Maut war zum Prestigeprojekt der CSU geworden.

Keinen Plan B und voreilig Kosten verursacht

Deren Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und sein amtierender Nachfolger, Andreas Scheuer, machten sich ab 2013 an die Umsetzung der Maut-Pläne, ohne die zahlreichen Vorhaltungen zu berücksichtigen oder die Entscheidung des EU-Gerichtshofes abzuwarten. Anfang 2018 wurden die ersten Planstellen in Behörden und Verwaltung eingerichtet, mehr als 40 Millionen Euro für Gutachten und Beratung ausgegeben. Verträge für die Erhebung und Kontrolle der Mautgebühren wurden mit privaten Betreibern abgeschlossen. Nach dem juristischen Aus steht zu erwarten, dass die Firmen Schadenersatzansprüche stellen werden.
Scheuer, der von dem EuGH-Urteil nach eigener Aussage überrascht wurde, verfügt offenbar über keinen Plan B. Er richtete nun eine Arbeitsgruppe im Ministerium ein, deren Ziel es ist, die organisatorischen und finanziellen Folgen aus dem Scheitern abzuschätzen.

In ersten Reaktionen ziehen Scheuer und andere Unionspolitiker in Erwägung, eine andere Form der Nutzerfinanzierung anzugehen, jetzt mit der Begründung, den Klimaschutz verbessern zu wollen. Der ADAC fordert dagegen, die Idee eines Abgabensystems zu Lasten der Autofahrer vollständig fallenzulassen.

Zwar befand der EuGH auch, dass aus rechtlicher Sicht die Straßennutzung finanziell stärker von den Nutzern getragen werden könne. Dennoch hat die CSU eine schwere politische Niederlage hinnehmen müssen, während die Kritiker in ihrer Auffassung bestätigt wurden.
Quellen
    • Foto: © ufotopixl10 - Fotolia.com | Text: Olaf Walther (kb)