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Autofarben: Weltweiter Aufbruch in Silber, Gelb und Violett
Aus dem Wunsch nach Veränderung versuchen die BASF-Farbdesigner die modischen Autofarben der Zukunft zu kreieren

RobGal

Die 70er Jahre sind eng verbunden mit der Farbe Orange. Die Frische vermittelnde Farbe stand für den Aufbruch, das Sprengen staubiger Konventionen. Autos, Kleidung und sogar Haushaltsmittel sollten mit dieser Farbe Individualität, Lebensfreude und Optimismus signalisieren. Als Inbegriff des gehobenen automobilen Nonkonformismus seiner Zeit könnte der Saab 99 in knalligem „Sunset Orange“ (Sonnenuntergangs-Orange) gelten.
Heute stehen wir erneut vor einem Umbruch. Sogar die Farbdesigner des für Lacke zuständigen Unternehmensbereichs von BASF stellen beim Aufspüren neuer Farbtrends den „Wunsch nach grundlegenden Veränderungen“ fest. Etwa beim Umgang mit den natürlichen Ressourcen oder im verbreiteten Wunsch, dass technologische Innovationen, etwa im Zuge der Digitalisierung, den Bedürfnissen des Menschen entsprechen sollen. Daher empfehlen die BASF-Experten, dass das Auto von morgen bereits äußerlich einen „zugänglicheren und wärmeren Eindruck“ vermittelt, etwa durch „untypische Fahrzeugfarben“. Dabei denken sie beispielsweise an goldene Metalltöne.

Es sind vor allem – aber nicht nur – jüngere Menschen, die in ihrer Vorstellung vom Leben weniger wert als bislang auf finanziellen Erfolg und eine etablierte Stellung legen, hat BASF herausgefunden. Wichtiger sind ihnen Kreativität, Flexibilität und ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit. Sie legen es weniger darauf an, ein Fahrzeug zu besitzen, sie wollen es vielmehr nutzen und sind eher bereit, es sich mit anderen zu teilen. Die Farbstrategen des in Münster ansässigen Unternehmensbereichs wollen daher einen „Spagat zwischen individueller Verfügbarkeit und Massenmarkt“ ausmachen, den sie durch eine umfangreiche Palette an Rot- und Pastelltönen ausdrücken wollen.

Gesellschaftlich neue Interessengruppen und eine verstärkte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit übersetzen die BASF-Farbdesigner in „ungewöhnliche Farbstellungen wie Violett und strahlende Orangetöne“, mit denen sich auch der höhere Stellenwert der Nachhaltigkeit farblich erfassen lasse.

Die Technikbegeisterung lässt nach, dafür wollen die Menschen „die Richtung des Fortschritts beeinflussen“, auch als Reaktion auf die „unüberschaubare Komplexität der Digitalisierung im Alltag“, wie BASF in seiner Analyse festhält. Intuitive menschliche Fähigkeiten erhielten einen höheren Stellenwert. Entsprechend verändert sich auch die öffentliche Wahrnehmung des Autos, wenn der Mensch nicht mehr am Steuer sitzt, sondern sich von der Maschine fahren lässt. Daher sind „komplexe, goldene Metalltöne“ BASF zufolge geeignet, „das Gesicht der Technologie zu prägen“.

Drei globale Schlüsselfarben

All diese teils sich widersprechenden Entwicklungen, die technologischen, kulturellen, mentalen und ethischen, hat BASF in drei neuartige Farben umgemünzt, denen der Stellenwert von „globalen Schlüsselfarben“ zukomme: „Conflation Green“ (verschmelzendes Grün) ist ein Blau-Grün, das je nach Lichteinfall ins Rötlich-Braune changiert und „neue Ideen über das Zusammenspiel von Menschen und Maschinen, Geist und Körper sowie Bewusstsein und Unterbewusstsein“ symbolisieren soll. „Fluid Metal“ (flüssiges Metall) scheint je nach Perspektive zwischen Weiß und Silber zu wechseln und zeigt die „asiatische Lebenseinstellung des freien und selbstbestimmten Lebens“. Schließlich will „Parolis Purple“ ein Klarheit ausstrahlendes Violett mit feinem Metalliceffekt sein, das die Konturen des Autos durch starken Hell-Dunkel-Kontrast hervorhebt: „Außergewöhnlich und Understatement zugleich“, empfiehlt BASF diese Farbe.

Speziell in Europa sehen die BASF-Experten die Tendenz, dass „Konzepte von Luxus und Status in Frage“ gestellt werden und die Bedeutung der Individualität steige. Hieraus ergäben sich „komplexe Metallictöne im Farbraum Bronze und Beige“. Altes werde in Zweifel gezogen, das führe zu Farben, „die bislang noch nicht beliebt waren“, vermutet BASF, Violettmetallic etwa.

Die Farbexperten stellen für Europa aber auch eine Tendenz zur Auffälligkeit fest. Außerdem sehne man sich in hektischen Zeiten nach Ruhe und Gelassenheit. In die Sprache der Farben übersetzt, bedeutet das, „durch ein tiefes und intensives Funkeln eine Verbindung zu einer stark verwurzelten emotionalen Ebene herzustellen“. Konkret schlägt BASF für Europa drei beispielhafte neue Farben vor: „Slash Silver“ (Schrägstrich-Silber) hat eine glitzernde Metallic-Oberfläche und einen beigen Farbton. Es soll Individualität und Eigenwilligkeit ausstrahlen, das Silber steht für moderne Materialnutzung. „Synchroton“ (eigentlich die Bezeichnung eines Teilchenbeschleunigers) ist ein Silber, das Energiegeladenheit und positive Einstellung zur Zukunft vermitteln und sich durch Klarheit und Geradlinigkeit auszeichnet. „HCI Yellow“ (HCI steht für Mensch-Computer-Interaktion) ist ein gelber Farbton mit hohem Weißanteil, der die „neue Ästhetik einer digitalisierten Welt“ repräsentiert. Diese gewöhnungsbedürftigen Autofarben wurden entwickelt, um „das radikale Streben nach Veränderung“ zu zeigen, wie BASF unterstreicht.

Die Fachleute spüren regelmäßig Trends rund um den Globus nach, um eine Kollektion neuer Farben zu schaffen, die in den folgenden drei bis fünf Jahren erfolgreich in der Autowelt sein sollen. Die Erkenntnisse hat BASF in einer Studie mit dem Titel „Automotive Color Trends 2019/20“ zusammengefasst, abgekürzt „Act/9“. Denn es sei Zeit zu handeln.
Quellen
    • Foto: © SkyAce - Fotolia.com | Text: Kristian Glaser (kb)