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Kommentare-Tretroller: Ist das der richtige Weg?
Die erste Bilanz der E-Tretroller fällt nicht gut aus: schwere Unfälle, wacklige Fahrer, Stolperfallen auf den Gehwegen | Scheuer fordert Kontrollen, doch den Kommunen fehlt das Personal

RobGal

Wer sich erinnert oder nachforscht, wird sich wundern: Der klassische Tretroller war für Kinder von etwa drei bis vier Jahren gedacht, um das Gleichgewicht auf einem rollenden Gefährt zu üben. Er war meist die Vorstufe zum ersten Fahrrad, der Umstieg auf ein motorisiertes Zweirad oder gar Auto folgte später, mit dem Erwerb des Führerscheins und des ersten Geldes. Allein deshalb mutet es etwas komisch an, Erwachsene auf einem Tretroller fahren zu sehen.
In über einem Dutzend Städten werden die elektrisch betriebenen Tretroller, auch E-Scooter genannt, derzeit von kommerziellen Vermietern angeboten. Die ersten Erfahrungen mit den bis zu 20 km/h schnellen Flitzern rund einen Monat nach ihrer Zulassung ergeben ein bemerkenswertes Bild: lautloses Gleiten auf dem Fußweg, unbeholfenes Steuern, trunkenes Fahren, rücksichtsloses Drängeln, zwei wacklige Personen auf dem kleinen Gerät. Die Fahrzeuge werden buchstäblich überall und achtlos abgestellt, mitten auf dem Bürgersteig werden sie zu Hindernissen und Stolperfallen für Fußgänger. In München werden im Schnitt zwanzig alkoholisierte E-Scooter-Fahrer täglich erwischt. Die Unfälle sind teils drastisch, es gab bereits viele Schwerverletzte und die ersten Toten.

Deutliche Kritik von Sicherheitsexperten und Verkehrsverbänden ruft nun Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) auf den Plan. Der hat die Zulassung durch die „Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung“ (eKFV) überhaupt erst zu verantworten, bei der er erst nach massiven Warnungen von Fachleuten davon Abstand genommen hatte, die E-Tretroller auf Gehsteigen zuzulassen. Nun schlägt Scheuer zwar keine schärferen Maßnahmen wie etwa die Helmpflicht vor. In einem Brief an den Präsidenten des Deutschen Städtetages, den Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), ruft Scheuer die Städte und Kommunen im Lichte der Unfallmeldungen jedoch auf, schärfere Kontrollen gegen das unerlaubte Fahren zu zweit, die Nutzung der Fußwege oder die Fahrt im berauschten Zustand durchzuführen.

Er, der Minister, sei zwar von der Nutzung des neuen Fahrgeräts begeistert, diese neue Form der Mobilität verlange aber eine größere Achtsamkeit auf Straßen und Wegen, um den Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer jederzeit zu gewährleisten. Dabei sei die Mitwirkung der Städte und Kommunen erforderlich. Die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung gebe mit ihren Sanktionsmöglichkeiten die Handhabe dazu. Gegenüber der „Bild“ wird der CSU-Politiker deutlicher: Er kritisiert namentlich Berlin, weil dort seiner Ansicht nach zuwenig kontrolliert werde und weil man sich dort dagegen entschieden habe, Stationen zum Abstellen der E-Tretroller aufzubauen.

„Gemeinschaftliches Vorgehen erforderlich“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund räumt zwar ein, dass der allgemeine Ordnungsdienst der Kommunen und die Polizei zuständig seien, aber für die neuen Aufgaben sei nicht genügend Personal vorhanden, um die erforderlichen Kontrollen durchzuführen. Es bedürfe vielmehr eines gemeinschaftlichen Vorgehens, fordert der Städtebund. Zudem müssten die Vermieter der E-Scooter ihrer besonderen Verantwortung gerecht werden und auf die üblichen Regelungen klar und verbindlich hinweisen.

Minister Scheuer hatte grünes Licht für die E-Tretroller unter anderem mit der Begründung gegeben, dass sie eine zusätzliche umweltschonende Alternative zum Auto sein könnten. In den öffentlichen Diskussionen verstärkt sich nun jedoch der Eindruck, dass gerade diejenigen die E-Scooter verwenden, die eh gerade zu Fuß, mit dem Rad oder dem ÖPNV unterwegs sind. Ein Nutzen für die Umwelt oder für die staugeplagte Stadt ergäbe sich damit also nicht.

Zudem scheinen die Fahrgeräte nur wenige Monate zu halten – exakte Zahlen liegen noch nicht vor oder werden von den Anbietern zurückgehalten. Was dann mit den Akkus geschieht, ob sie wiederverwendet, recycelt oder entsorgt werden, ist genauso unbekannt. Das lässt Fragen zur Ökobilanz aufkommen.

Zudem: Ist die Infantilisierung der Fortbewegung der richtige Weg? Wäre es nicht besser, zu Fuß zu gehen, das Fahrrad zu benutzen, den öffentlichen Nahverkehr in Anspruch zu nehmen oder im Zweifel mit dem Auto zu fahren? Eine kurzfristige Mode bietet keine Perspektive für die Verbesserung der Mobilität.
Quellen
    • Foto: © nmann77 - Fotolia.com | Text: Olaf Walther (kb)