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Daimler schickte Anfang dieser Woche einen Konvoi der besonderen Art über die A 52 bei Düsseldorf: Drei autonom fahrendende Schwer-Lkw der Mercedes-Actros-Baureihe fuhren dicht an dicht wie auf einer Perlenschnur aufgereiht.
Das von Daimler entwickelte Assistenzsystem "Autobahnpilot" ("Highway Pilot") erlaubt teilautomatisiertes Fahren durch selbstständige Längs- und Querführung mit extrem präzisen Sensoren und Kameras, allerdings muss der Fahrer ständig den Verkehr beobachten und jederzeit in der Lage sein, das Steuer zu übernehmen. Gleichzeitig kommunizieren die Lkw über das Assistenzsystem "Autobahnpilot Connect" miteinander und mit der Infrastruktur entlang der Autobahn. Auf dieser technischen Grundlage können die Lkw einen ganz besonders engen Konvoi bilden, einen sogenannten Platoon. (Die Bezeichnung stammt eigentlich aus der angloamerikanischen Militärsprache und bezeichnet einen Zug von Soldaten.)
Das Platooning funktioniert so: Eine Stereokamera oberhalb der Brüstung hinter der Windschutzscheibe des ersten Fahrzeuges überwacht den Verkehr hundert Meter voraus. Sie identifiziert ein- und zweispurige Fahrbahnen, Verkehrsschilder und freie Strecke. Die Kamerabilder werden mit den Daten der Sensoren in einem Zentralrechner zusammengeführt und ausgewertet, so dass sich ein komplettes Abbild der Umgebung und der Verkehrsverhältnisse ergibt, und zwar von 0 km/h bis zur Höchstgeschwindigkeit. Die daraus ermittelten not-wendigen Informationen erhalten alle Fahrer des Verbunds über ihr Display. Auf diese Weise werden sie optisch und akustisch auf einen Spurwechsel oder ein Überholmanöver vorbereitet.
Trifft nun der Führungs-Lkw auf ein langsameres Fahrzeug, passen sich alle anderen im Platoon dem langsameren Tempo an. Es mutet fast gespenstisch an, wie der Platoonverbund durch die Vernetzung mit der Verkehrsinfrastruktur beispielsweise auf die maximale Tragkraft einer Brücke reagiert: Rechtzeitig wird der Abstand zwischen den Trucks automatisch vergrößert.
Auch eine Notbremsung wird frühzeitig erkannt. In solch einem Fall reagiert die Technik inner-halb von nur 0,1 Sekunden. Das bedeutet: Bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h beginnt die Bremsung bereits nach 2,2 Metern. Ein Lkw-Fahrer dagegen reagiert erst nach 1,4 Sekunden, das heißt nach 30 Metern. Daher kann bei einem Konvoi aus drei autonom fahrenden Lkw der vorgeschriebene Abstand zum Vordermann von 50 auf 15 Meter reduziert werden. Das reicht der Technik "dicke", damit es nicht zu einem Auffahrunfall kommt. Allerdings können die Lkw im Platoon auch unabhängig vom vorausfahrenden Fahrzeug ins selbstständige Fahren wechseln.

Autonomes Platooning im Alltag auf der A 81
Für das Platooning der Daimler-Lkw ist ein Abschnitt der Autobahn A 81 (Würzburg–Stuttgart–Singen) freigegeben. Hier können die teilautonomen Trucks im realen Verkehr getestet werden. Für die anderen Verkehrsbeilnehmer bildet der Platoon "dank des Abstandes von 15 Metern zwischen den Fahrzeugen keine unüberwindliche Mauer", versicherte Entwicklungsleiter Sven Ennerst bei der Vorstellung des teilautonomen Platoons in Düsseldorf. Denn ein Pkw kann jederzeit zwischen den Mercedes-Brummis einscheren. Dann vergrößern die Lkw automatisch den Sicherheitsabstand. Optisch ist der Konvoi der besonderen Art an den Rundumleuchten zu erkennen, mit denen die Sattelzugmaschinen und die Auflieger ausgestattet sind und die aktiviert werden, sobald die Lkw im Platoon-Betrieb unterwegs sind.
Mehr Sicherheit und weniger Kraftstoffverbrauch, das ist der Vorteil der elektronischen Lkw-Vernetzung für "Unternehmen, Fahrer und Gesellschaft", betonte Wolfgang Bernhard, Daimler-Vorstand für Lkw und Busse. Allein durch den geringeren Abstand der Fahrzeuge reduziert sich der Luftwiderstand deutlich, ein Minus von fünf bis sieben Prozent bei Kraftstoffverbrauch und Emissionen ist das Ergebnis. Und der Verkehrsraum, den drei im Platooning fahrende Sattelzüge benötigen, halbiert sich fast von 150 auf nur noch 80 Meter.
Ein solcher Platoon muss nicht unbedingt aus Mercedes-Lkw bestehen. Vorausgesetzt, alle Fahrzeuge sind mit einem gemeinsamen technischen Standard versehen, können sich auch Lkw unterschiedlicher Hersteller an einen bestehenden Platoon andocken oder zu einem Verbund zusammenschließen. Doch muss immer eine stabile Verbindung innerhalb des Platoons gewähr leistet sein. Deshalb ist es nicht "sinnvoll", weiß Sven Ennerst, "mehr als zehn Fahrzeuge aneinander zu koppeln". Angst, dass die WLAN-Verbindung eines Platoons von Hackern geknackt werden könnte, hat Ennerst übrigens nicht. Er ist überzeugt, dass die Datenverbindungen sicher vor äußeren Angriffen sind.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: Nomad_Soul - Fotolia.com