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Feinstaub: 90 Prozent weniger Bremsabrieb durch superschnelles Lasern
Laserexperten entwickeln Verfahren zur Beschichtung von Bremsschreiben | Schutz gegen Korrosion und Abrieb

RobGal

Es waren vor allem Wissenschaftler und Ärzte, die im Zuge des Dieselskandals auf eine bis dahin unterschätzte Gefahr in belasteter Stadtluft hinwiesen: den Feinstaub. Die winzigen Partikel sind in der Lage, die körpereigenen Filtersysteme zu überwinden, sich im Körper anzureichern und schwere Krankheiten auszulösen. Unter welchen Bedingungen die Teilchen wirklich schädlich sind und ob sie auch über das Trinkwasser oder die Nahrung in den menschlichen Körper gelangen, ob sie die Meereswelt bedrohen, das alles ist noch nicht geklärt. Fakt ist jedoch: Die 57 Millionen in der Bundesrepublik zugelassenen Kraftfahrzeuge haben alle Reifen und Bremsen, durch deren Nutzung in rauhen Mengen Feinstaub entsteht, sogenannter Abrieb.
Also müssen Gegenmaßnahmen gefunden werden; und wie immer sind jene am besten, die das Problem erst gar nicht entstehen lassen: beispielsweise Bremsen, die kaum noch Abrieb erzeugen. Das ist dem Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der RWTH Aachen gelungen. Sie erfanden das „Extreme Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen“. Damit lassen sich Bremsscheiben „erstmalig“ mit Abrieb- und Korrosionsschutz beschichten, wie das Fraunhofer-Institut erklärte.

Herkömmliche Bremsscheiben bestehen aus Gusseisen mit hohem Kohlenstoffanteil. Sie sind kostengünstig und können hohe Temperaturen gut ableiten. Das ist wichtig, denn bei einer Verzögerung des Fahrzeugs wird die Bremsanlage nicht nur mechanisch stark beansprucht, es entstehen auch derart hohe Temperaturen, dass die Bremse in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden kann. Doch die guten Wärmeeigenschaften der Bremsscheibe sind mit leichter Rostanfälligkeit und viel Abrieb erkauft. Alle gängigen Techniken, sie mit einer Schutzschicht zu überziehen, halten auf Dauer den enormen Bremskräften nicht stand oder sind für den Massenmarkt zu teuer.

Hier setzten die auf Lasertechnik spezialisierten Fraunhofer-Forscher an. Sie entwickelten mit dem Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen (EHLA) ein Verfahren, mit dem sich auf die Bremsscheibe zuerst eine Schutzschicht gegen Korrosion und dann eine gegen Verschleiß auftragen lässt, die dann im direkten Kontakt mit dem Bremsbelag steht. Die Wirkung ist enorm: „Es entsteht eine um bis zu 90 Prozent reduzierte Feinstaubbelastung“, sagte Matthias Brucki vom ILT auf Anfrage des kraftfahrt-berichters. „Nach unseren theoretischen Annahmen hält die Bremsscheibe dadurch so lange wie das Auto“, führt Brucki aus, sie muss also nicht mehr ausgetauscht werden. „Und es kann sein“, überlegt der Laser-Experte laut, „dass die Bremsscheiben künftig dünner ausfallen, weil sie weniger verschleißen“, das spare Gewicht und Material.

Das neuartige EHLA-Verfahren ist eine Weiterentwicklung des normalen Laserauftragschweißens. Dabei wird pulverförmiges Beschichtungsmaterial mit Hilfe eines Lasers, also unter Hitze, im sogenannten Schmelzbad auf das Bauteil aufgetragen. Bei der superschnellen EHLA-Technik wird hingegen das Pulver über eine Düse bereits oberhalb des Bauteils in den Laserstrahl geführt, wo es verflüssigt und als Tropfen in das Schmelzbad gelangt. Der Vorteil des vorzeitigen Erhitzens besteht laut Matthias Brucki darin, dass man „Zeit zum Aufschmelzen der Pulverpartikel im Schmelzbad gewinnt“. Das verringere die für die Schichtbildung nötige Zeit und erlaube, den Herstellungsprozess, bei der die Schutzschicht auf die rotierende Bremsscheibe „aufgetragen“ wird, zu beschleunigen – und zwar erheblich: auf 500 Meter pro Minute. Beim herkömmlichen Laserauftragschweißen sind höchstens zwei Meter in der Minute drin. Das hohe Tempo ist ein Beitrag, das Verfahren wirtschaftlich zu meistern.

„Extrem kleine Aufschmelzzone“
Durch das sehr schnelle Lasern wird das Bauteil durch die Hitze nicht so stark belastet. „Die Aufschmelzzone ist extrem klein“, erläutert Brucki, „so klein, dass wir sie kaum nachweisen können.“ Erst das mache die Beschichtung einer Bremsscheibe durch Lasertechnik möglich, bei größeren Hitzeflächen würde das Gusseisen sonst in Mitleidenschaft gezogen werden. Im Ergebnis lassen sich sehr dünne Schichten auftragen. 0,025 Millimeter sind sie dick. Zum Vergleich: Beim herkömmlichen Laserauftragschweißen ist bei 0,5 Millimetern Schluss.

Unterm Strich bedeutet das, dass das kostengünstige EHLA-Verfahren den Bremsabrieb um stolze 90 Prozent minimiert und Korrosion so gut wie ausschließt, so dass die Bremsbeläge eventuell nicht mehr ausgetauscht werden müssen. „Die Autoindustrie rennt uns die Bude ein“, freut sich Brucki. Besonders die Hersteller von E-Autos zeigen sich interessiert. Denn die „Motorbremse“ der Stromer (Rekuperation) hat zur Folge, dass die Autofahrer die normale Bremse nicht so häufig wie bei den Verbrennern nutzen. „Daher kann sich noch leichter Korrosion bilden“, erklärt Brucki. EHLA ist also auch ein Beitrag für die E-Mobilität.

Das Verfahren soll demnächst in Lizenz durch einen Zulieferer industriell umgesetzt werden, zunächst für Bremsbeläge von Nutzfahrzeugen, später für die Pkw-Oberklasse und dann in der Kompaktklasse.
Quellen
    • Foto: © lightsonscience - Fotolia.com | Text: Kristian Glaser (kb)