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Winterdienst: Warum nicht auch im Winter mit dem Rad fahren?
Wissenschaftler fordert für einen funktionierenden, sicheren und nachhaltigen Straßenverkehr den Winterdienst auch auf Radwegen

RobGal

Immer mehr Menschen steigen aufs Fahrrad. Auf kurzen Strecken fährt man, sofern ein Radweg vorhanden ist, locker am Autostau vorbei, zudem hält das Radeln fit, und der Drahtesel ist kostengünstig und wenig aufwendig im Unterhalt. Manche bevorzugen das Strampeln auch aus Rücksicht gegenüber der Umwelt und gegen den Klimawandel. Wäre es da nicht gut, wenn man sich auch bei Eis und Schnee aufs Velo schwingen könnte? Ja, aber: Das Unfallrisiko im winterlichen Radverkehr ist „etwa doppelt so hoch wie bei normaler Witterung“, stellt Thorsten Cypra fest.
Beim Weg zur Arbeit steige das Risiko sogar auf das Fünffache, hat der Professor für Bauingenieurwesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes ermittelt. Er hält daher einen „guten und sichtbaren Winterdienst auf Radwegen“ für entscheidend, um die „Nutzung des Rades auch im Winter zu befördern“. Schließlich ändere sich das Mobilitätsverhalten vor allem in den Städten, was sich auch in der steigenden Zahl an Pedelecs, E-Bikes und Lastenrädern zeige, meint der Wissenschaftler. Außerdem werde der Radverkehr verstärkt offiziell gefördert, der angespannten Situation im Straßenverkehr und des überlasteten ÖPNV wegen – der Radverkehr kommt darüber hinaus gänzlich ohne Emissionen.

Will man die Zweiräder auch in der kalten Jahreszeit auf den Straßen sehen, muss man den Winterdienst ausbauen. Die Räum- und Streufahrzeuge haben „einen immensen Einfluss auf die Verkehrssicherheit“, hebt Thorsten Cypra hervor. Der Wissenschaftler verweist auf gute Erfahrungen der Stadtverwaltung in Hannover. Dort setzt man im Kampf gegen Glätte und die weiße Pracht schmale Kleinstfahrzeuge ein, wie man sie von der Straßenreinigung kennt. An ihrer Front ist ein sogenannter Vorräumbesen montiert, an den sich gleich dahinter eine Sprühanlage für Sole anschließt. Sole ist eine wässrige Salzlösung, die als „Flüssigstreuung“ vorbeugend vor allem auf Autostraßen eingesetzt wird, denn sie wirkt besser und bleibt länger liegen als normales Streusalz. Zudem stellt sich die tauende Wirkung bereits bei geringer Salzkonzentration ein. Mit diesen Fahrzeugen erzielt man in der niedersächsischen Landeshauptstadt so gute Ergebnisse, dass sich immer mehr Menschen auch im Winter auf den Sattel schwingen.

Aus wissenschaftlichen Beobachtungen weiß Cypra, dass der Winterdienst, wenn er seinen Zweck erfüllen soll, tatsächlich alle „verkehrswichtigen Radwege“ berücksichtigen muss, und zwar umfassend, damit die Radfahrer nicht auf einmal vor einer „weißen Wand“ stehen, weil ein Streckenverlauf nicht durchgängig geräumt wurde.

Ansonsten verlieren die Radler schnell die Lust, sich bei klirrender Kälte warmzustrampeln. Am besten, so empfiehlt Thorsten Cypra, wird die Betreuung der Radwege in den „normalen“ Straßenwinterdienst integriert. So könne von vornherein auch das Zuschieben der Radwege mit Schnee von der Fahrbahn verhindert werden.

„Splitt ist keine Alternative“
Vom Splitt als Alternative zum Salz hält Cypra nichts: „Wenn man den gesamten Zyklus betrachtet, also vom Abbau bis zur Entsorgung, ist der Einsatz von Salz bei weitem umweltfreundlicher“, sagt der Wissenschaftler. Allein der Umstand, dass Splitt sich mit Öl- und Kraftstoffrückständen sowie anderem Fahrbahnschmutz verbindet, macht ihn faktisch zum Sondermüll, der speziell entsorgt werden müsste. „Außerdem können Radfahrer beim Bremsen leicht auf Splitt ausrutschen“, bemerkt Cypra.

Der Winterdienst generell hat aus Cypras Sicht nicht nur eine wichtige Aufgabe für die Verkehrssicherheit, sondern auch für den Verkehrsfluss: Er halte das Geschwindigkeitsniveau aufrecht, reduziere das Risiko zur Staubildung und halte so die Kapazität des Straßensystems aufrecht. „Ein reibungsfreier Verkehr ist eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung einer funktionierenden Wirtschaft und Gesellschaft“, betont der saarländische Bauingenieur. Er fordert daher von der Politik, dass der Fahrradinfrastruktur auch im Winter die erforderliche Aufmerksamkeit zukommt, damit das Zusammenwirken der Verkehrsmittel untereinander im Winter nicht unterbrochen wird. Dabei muss Cypra zufolge auch auf den Komfort für die Radfahrer geachtet werden. Das sei kein unnötiger Luxus, denn: „Wenn man will, dass die Menschen umsteigen, müssen die Angebote einladend sein“, stellt Cypra klar.

Nötig ist laut dem Wissenschaftler eine „ganzheitliche, strategische Planung mit Abstimmung der anderen Verkehrsträgersysteme“. Cypras Fazit: „Nur wenn der Radverkehr auch im Winter sicher und komfortabel fahren kann, wird dieses umweltfreundliche Verkehrsmittel ganzjährig genutzt.“
Quellen
    • Foto: © RioPatuca Images - Fotolia.com | Text: Kristian Glaser (kb)