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Die quasi alltäglichen Rechnungskürzungen seitens der Kfz-Versicherer oder deren Dienstleister schmälern nicht nur Umsatz und Gewinn von Werkstätten, sondern verursachen auch überflüssige Diskussionen zwischen allen Beteiligten und steigern deren bürokratischen Aufwand. Doch sind die Kürzungen womöglich berechtigt? Wie lässt sich vorbeugen? Eine Situationsanalyse aus dem Blickwinkel eines engagierten Sachverständigen.
„Versicherungen sind Verbrecherorganisationen, die Endverbraucher abzocken und Reparaturbetriebe auspressen.“ Diese oft gehörte Aussage verursacht bei mir heftige Bauchschmerzen, denn sie entspricht nicht der Wahrheit. Meine Wahrheit lautet: Ich liebe Versicherer – ernsthaft! Versicherer sind ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Sie arbeiten professionell, das Kürzen von Rechnungen gehört zu ihrem Tagesgeschäft. Als Entscheider einer Versicherung würde ich nicht anders handeln. Außerdem: Würden Versicherer alles bezahlen, was Versicherungsnehmer an sie herantragen, wären Sachverständige ebenso arbeitslos wie Rechtsanwälte.


Nicht jeder Sachverständige besitzt Sachverstand

Derzeit sind in Deutschland rund 90 Versicherungsunternehmen aktiv. Will man von Ihnen ernstgenommen werden, muss man auf Augenhöhe kommunizieren. Das funktioniert meist nur mit Hilfe von Dienstleistern, sprich Sachverständigen und Anwälten. Von ihnen gibt es momentan und bundesweit etwa 15.000 bzw. 166.000. Die Zahl der Anwälte hat sich seit 1990 verdreifacht und auch die Sachverständigen werden stetig mehr, denn jeder darf sich so bezeichnen. Nur: Wie groß wird der Anteil derer sein, die tatsächlich Sachverstand besitzen?

Um sich trotz mangelhafter Kenntnisse am Markt durchsetzen zu können, bestechen manche Sachverständige die Annahmemeister der Werkstätten. Mehr noch: Große Sachverständigenorganisationen kaufen sich in Reparaturbetriebe ein, indem sie deren neue Ausrüstung finanzieren, Hebebühnen beispielsweise, oder sie bieten bestimmte Dienstleistungen kostenlos an. Im Gegenzug erstellen sie die Schadengutachten dort instand zu setzender Fahrzeuge. Nicht selten arbeiten Sachverständigenorganisationen mit großen Anwaltskanzleien zusammen und Anwälte kooperieren mit Versicherungen, ohne dass Geschädigte das wissen.

Selbstverständlich sind den Versicherern die Defizite und Machenschaften der Sachverständigen bekannt. Bei jährlich rund 2,7 Mio. Verkehrsunfällen in Deutschland lohnt es sich für sie, Rechnungen zu kürzen und ggf. den Rechtsweg zu beschreiten.


Sechs Tipps für Reparaturbetriebe

Wie können sich Werkstätten gegen Rechnungskürzungen wappnen oder diese von vornherein vermeiden?

  • Lassen Sie einen in Frage kommenden Sachverständigen offenlegen, im Rahmen welcher Organisation er ggf. tätig und bei welcher Gesellschaft er in welcher Höhe versichert ist.
  • Der Sachverständige muss auch eine Strategie besitzen, wie er mit Rechnungskürzungen umzugehen gedenkt. Kürzungen sollte grundsätzlich er bearbeiten.
  • Im Reparaturauftrag sollte dieser Satz vermerkt sein: „Die Reparatur erfolgt auftragsgemäß nach Gutachten.“ Somit steht die Werkstatt nicht in der Haftung.
  • Ist seitens des Geschädigten zudem ein Rechtsanwalt involviert, fragen Sie ihn, für welche Versicherungen er arbeitet.
  • Egal ob Sachverständiger oder Rechtsanwalt, geben Sie nichts auf Bewertungen im Internet. Die Gefahr, dass es sich um gekaufte Bewertungen handelt, ist zu groß.
  • Dokumentieren Sie Ihr sämtliches Tun im Zusammenhang mit der Schadenreparatur. Wie sonst wollen Sie ggf. den Nachweis Ihrer Leistungen erbringen?
Joachim Otting, einer der bundesweit bekanntesten Rechtsanwalts-Trainer, hat im Vorgehen der Versicherer eine Art Verkehrsampel erkannt. Demnach steht Grün für „hier können wir widerspruchslos kürzen“, Gelb sinngemäß für „da geht noch was“ und Rot für „nicht kürzen, denn hier legen wir nur drauf“. Es liegt an jedem Reparaturbetrieb selbst, welcher Ampelfarbe er zugeordnet wird.
Roberto Galifi
Quellen
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