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Sachverständigenkosten bei Bagatellschäden
Amtsgericht Langenfeld Urteil vom 23.3.2016 -54 C 170/15 –

RFWW

Wo liegt die Bagatellschadensgrenze?
Durch den Fahrer des bei der VHV Versicherung versicherten Kraftfahrzeugs wurde der Pkw der späteren Klägerin beschädigt. Die Geschädigte beauftragte einen am Ort ansässigen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Gutachtens.
Der Gutachter bezifferte den Nettoschaden mit 799,69 €, was einem Bruttoschaden von 951,63 € entspricht. Seine Kosten berechnete er mit insgesamt 319,69 €. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung weigerte sich die berechneten Gutachterkosten zu ersetzen. Sie war der Ansicht, dass bei Bagatellschäden, wie diesem, ein Gutachten nicht erforderlich sei und daher die Kosten nicht zu erstatten seien. Die Geschädigte klagte den Betrag von 319,69 € gegen die VHV Versicherung bei dem Amtsgericht Langenfeld ein und verkündete dem Kfz-Sachverständigen den Streit, der dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beitrat. Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des Sachverständigengutachtens in Höhe von insgesamt 319,69 € gemäß der §§ 7 I StVG, 115 I VVG, 249 BGB zu. Die Sachverständigenkosten gehören nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich zu dem Aufwand, den ein Geschädigter gemäß § 249 BGB vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer verlangen kann. Der Höhe nach beschränkt sich dieser Anspruch auf den erforderlichen Geldbetrag, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten durfte. Dabei ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen (BGH NJW 2005, 356 f).

Vorliegend ist ein Nettoschaden von knapp 800,-- € durch den Kfz-Sachverständigen festgestellt worden. Dies entspricht einem Bruttobetrag von 951,63 €. Sowohl der Netto- als auch der Bruttobetrag liegen über der Bagatellschadensgrenze von rund 700,-- € (vgl. BGH aaO.). dass der Klägerin im vorliegenden Fall der Vorwurf der Verletzung der Schadensgeringhaltungspflicht gemacht werden könnte ist nicht ersichtlich. Bei der Komplexität der Konstruktion der heutigen Kraftfahrzeuge ist es einem technischen Laien schlichtweg unmöglich, den Aufwand der Schadensbeseitigung zu schätzen. Schon von daher war die Klägerin berechtigt, sachverständige Hilfe bei der Feststellung des Schadensumfangs und der Schadenshöhe in Anspruch zu nehmen.

Der Einwand der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung, die berechneten Gutachter-kosten seien überhöht, greift nicht durch. Denn die Beklagte haftet der Klägerin gegenüber nach den Grundsätzen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch auf Zahlung eines eventuell überhöhten Sachverständigenhonorars. Für die Klägerin war jedenfalls nicht ersichtlich, dass der von ihr eingeschaltete Sachverständige eine eventuell überhöhte Vergütung abrechnen würde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Klägerin ein Auswahlverschulden hinsichtlich der Beauftragung des Streithelfers, des Sachverständigen A. aus Leverkusen, zur Last fällt. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hat daher die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebenintervention zu tragen.

Fazit und Praxishinweis: Das erkennendeAmtsgerichts Langenfeld (Rheinland) hat zu Recht eine Bagatellschadensgrenze von etwa 700,-- € angenommen. Ein derartiger Betrag ist durch den BGH revisionsrechtlich nicht beanstandet worden. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine starre Grenze. In der Regel ist der Geschädigte ohnehin nicht in der Lage, den Schadensumfang und die Schadenshöhe zu überblicken. Insoweit ist er grundsätzlich immer berechtigt, sachverständige Hilfe zur Feststellung der Schadenshöhe und des Schadensumfangsin Anspruch zu nehmen. Erst wenn für den Geschädigten erkennbar ist, dass der Schaden unter 700,-- € liegt, darf er kein Gutachten mehr in Auftrag geben und muss sich mit einem Kostenvoranschlag begnügen, obwohl dieser keinerlei Beweisfunktion hat. Auch wird durch diesen kein Beweis hinsichtlich des Schadensumfangs gesichert. Das Gutachten hat aber gerade diese Funktion. Vgl. hierzu auch das Urteil des AG Albstadt, das die Unfallzeitung am 28.4.2015 hier ebenfalls veröffentlicht hatte, sowie auch das Urteil des AG Böblingen vom 21.1.2015, das die Unfallzeitung am 30.4.2015 veröffentlicht hatte. Vgl. auch die Ausführungen in FAQ unter der Rubrik Bagatellschadensgrenze in dieser Unfallzeitung.
Quellen
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