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AG Mitte zur Wertminderung und zu den Sachverständigenkosten
AG Berlin-Mitte Urteil vom 25.6.2015 – 4 C 258/15 –

RFWW

Haftpflichtversicherung kürzt Wertminderung und Gutachterkosten - Ist das ihr Recht?
Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall beauftragte der geschädigte Kfz-Eigentümer einen anerkannten Kfz-Sachverständigen, für das beschädigte Fahrzeug ein Schadensgutachten zu erstellen. Dieses Schadensgutachten enthielt eine Wertminderung von 500,-- €. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung kürzte nicht nur die berechneten Sachverständigenkosten, sondern unter Bezugnahme auf einen Prüfbericht auch die Wertminderung . Die regulierungspflichtige Versicherung zahlte nur 360,-- € Wertminderung . Der Geschädigte beauftragte daraufhin erneut den bereits vorher eingeschalteten Sachverständigen und bat um eine sachverständige Stellungnahme zu der Kürzung der Wertminderung .

Der Sachverständige blieb bei seiner ursprünglichen Ansicht zur Höhe der Wertminderung und berechnete für die Stellungnahme 154,70 € brutto. Da die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung bei ihrer Ansicht verblieb, blieb dem Geschädigten nichts anderes übrig, als vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Mitte in Berlin die gekürzten und einbehaltenen Schadensbeträge einzuklagen. Die Klage hatte in vollem Umfang Erfolg.
Die Klage ist zulässig und begründet. Dem Kläger stehen die mit der Klage geltend gemachten Beträge als Schadensersatz aus dem unstreitigen Schadensereignis in Berlin zu.

1. Zum ungerechtfertigten Kürzen der berechneten Kosten des Schadensgutachtens:
Das von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung vorgenommene Kürzen der berechneten Kosten für das Schadensgutachten war ungerechtfertigt. Die von dem Kfz-Sachverständigen berechneten Kosten halten sich im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung 2013 und sind daher seitens des erkennenden Gerichts nicht zu beanstanden. Im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung ist nämlich Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten und insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu nehmen. Soweit die vom Schadensgutachter in Rechnung gestellten Beträge für ihn nicht erkennbar über den üblichen Preisen der Branche liegen, stellt die vom Sachverständigen erstellte Rechnung ein Indiz für die Erforderlichkeit des zu erstattenden Wiederherstellungsaufwands dar. Der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädigers oder seiner Haftpflichtversicherung sparen. Auch muss er nicht übermäßige Anstrengungen unternehmen oder sich so verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Insoweit ist festzuhalten, dass der Geschädigte eine Überhöhung der Kosten gar nicht erkennen konnte, was objektiv auch nicht der Fall ist, weil sich die Kosten im Rahmen der branchenüblichen Preise halten.

2. Kosten der ergänzenden Stellungnahme:
Auch die Kosten für die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen sind in vollem Umfang zu ersetzen. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hat mit ihrer Kürzung des im Gutachten aufgeführten Wertminderungsbetrages aufgrund des Prüfberichtes eine von ihr beauftragten Prüfdienstleisters hinreichen Anlass zur erneuten Überprüfung des Schadensgutachten gegeben. Auch der Höhe nach war die Rechnung des Sachverständigen für die ergänzende gutachterliche Stellungnahme nicht zu beanstanden. Der Sachverständige musste sich erneut mit der Sache befassen. Der Arbeitsaufwand von einer Stunde in Höhe von 130,-- € netto ist nicht zu beanstanden. Hinzu kamen dann noch Kosten für das Diktat und Korrekturaufwand.

3. Zur Wertminderung :
Der Kläger kann weiterhin auch den Differenzbetrag bei der Wertminderung , um den die beklagte Kfz-Versicherung den Schadensersatzanspruch des Geschädigten gekürzt hatte, beanspruchen. Die von dem Sachverständigen ermittelte Wertminderung war der Schadensberechnung des Klägers zugrunde zu legen. Soweit die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung die im Gutachten angegebene Wertminderung von 500,-- € unter Hinweis auf eine Marktrelevanz- und Faktorenmethode gekürzt hatte, ist diese Kürzung nicht substantiiert gewesen. Selbst dem erkennenden Gericht ist die von der beklagten Versicherung angegebene Berechnungsmethode unbekannt.

Fazit und Praxishinweis: Zu den ausgeurteilten Sachverständigenkosten ist unter Hinweis auf die jüngste BGH-Rechtsprechung darauf hinzuweisen, dass die berechneten Sachverständigenkosten grundsätzlich immer dann zu ersetzen sind, wenn für den Geschädigten nicht erkennbar ist, dass diese evident von den branchenüblichen Preisen abweichen. Die Darlegungs- und Beweislast dazu obliegt dem Schädiger. Die berechneten Kosten sind zunächst ein Indiz für die Erforderlichkeit des Wiederherstellungsaufwandes, wozu auch die Gutachterkosten gehören, wenn der Geschädigte selbst nicht in der Lage ist, den Schaden zu beziffern. Auch die Kosten für die ergänzende Stellungnahme nach einem Prüfbericht sind grundsätzlich zu ersetzen. Vgl. hierzu die Ausführungen im FAQ der Unfallzeitung.
Quellen
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